Letzte Woche veröffentlichte der«Tages-Anzeiger» eine Langzeituntersuchung an den Zürcher Volksschulen.
Untersucht wurde der Lernerfolg in Deutsch und Mathe von Schülern, die man
während der gesamten obligatorischen Schulzeit begleitet hat. Der Befund ist
verheerend. 50 Jahre Bildungsreformen haben nicht dazu geführt, dass die
Schulen ihre Integrationsfähigkeit verbessert hätten. Im Gegenteil: Noch immer
ist das Elternhaus absolut entscheidend für die Bildungschancen der Schüler.
Den Volksschulen fehlt die Integrationsfähigkeit, Sonntagszeitung, 22.3. von Arthur Rutishauser
Wer aus gutem Elternhaus kommt und als Muttersprache Deutsch spricht, hat viel
bessere Chancen – all den teuren Stütz- und Fördermassnahmen zum Trotz. Und
noch ein Befund ist verheerend: Genau nach dem Übertritt in die
Sekundarschulen, also vom siebten bis zum neunten Schuljahr, sinkt die
Motivation der Schüler dramatisch. Vor allem bei den Buben. Es ist eine
wichtige Zeit, in der es um die Berufswahl oder einen eventuellen Übertritt in
ein Gymnasium geht. Genau dann müssen die meisten Schülerinnen und Schüler ihre
zu Beginn der Schulzeit äusserst positiven Einschätzungen über die eigene
Leistungsfähigkeit der Realität anpassen und nach unten korrigieren, heisst es
in der Untersuchung. Man kann es auch so sagen: Zwischen 13 und 15 wird den
Teenagern klar, dass die reale Welt eben nicht egalitär, sondern
leistungsgetrieben ist. Vor allem den Kindern aus bildungsfernem Elternhaus
wird bewusst, dass nicht mehr die aufmunternden Worte der Lehrerin, sondern die
Schulnoten über ihren zukünftigen Lebensstandard entscheidet. Das ist ein
harter Befund für jeden, den es betrifft. Besonders auch für jene, die zu Hause
eine Macho-Kultur erleben, sich gegenüber der Mutter alles erlauben und die Schwestern
herumkommandieren können. Kein Wunder, wenn solcherart gekränkte Egos dann in
der Schule anfangen mit dem aufzufallen, was sie können: Frauen verachtende
Sprüche klopfen, am liebsten in der Gruppe, in der sie sich stark fühlen. Hier
wäre es ganz wichtig, dass die Schule reagiert, die Lehrer einschreiten und
ihre Toleranz vergessen. Doch das geschieht eben sehr oft nicht oder viel zu
spät, sie wollen die Initiative nicht ergreifen und verstecken sich. In der
Realität ist es ja auch so, dass immer mehr Lehrer sich die Klassen in
Kleinstpensen aufteilen. Viele möchten lieber nur ein bisschen unterrichten,
aber ja keine Klassenlehrerfunktion ausüben, die Verantwortung bedeuten würde.
Also lässt man die jungen Herren gewähren, so lange, bis sie selbst vor den
Lehrern keinen Respekt mehr haben. Wenn in den Schulen kein Umdenken
stattfindet, verliert die Volksschule ihre Integrationsfähigkeit und die
Schweiz eine wichtige Stütze des Systems, das allen viel Wohlstand gebracht
hat.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen