23. März 2015

Besserer Schulstart für bildungsferne Familien

Ein neuartiges Caritas-Projekt soll bildungsferne Eltern befähigen, die Schullaufbahn ihrer Kinder zu begleiten.
Besser in die Schulzeit starten, NZZ, 23.3. von Natalie Avanzino


Wenn Kinder aus benachteiligten Familien bessere Chancen auf Bildung haben sollen, gilt es, nicht nur sie und ihre Fähigkeiten frühzeitig zu fördern, sondern mit niederschwelligen Unterstützungsangeboten die Nähe der Eltern zur Schule zu stärken und sie mit der Funktionsweise und den Erwartungen der Schule bekannt zu machen.

Schule fordert auch die Eltern
Deshalb lanciert Caritas Zürich auf das im Sommer startende Schuljahr in der Stadt Zürich ein neuartiges Mentoring-Programm, das Familien mit Kindern im Alter von 4 bis 8 Jahren zugutekommen soll. Das Projekt «Copilot» arbeitet nicht mit der direkten Zielgruppe, den Kindern, sondern mit den Eltern. «Denn die Schule kann auch für sie ganz schön kompliziert sein», sagt Samantha Sengupta, verantwortliche Projektleiterin bei Caritas Zürich. «Und zum Teil ist es als Lehrperson sehr schwierig, an die Eltern heranzukommen.» Die 36-Jährige weiss aus ihrer langjährigen Erfahrung als Primarlehrerin, wovon sie spricht. «Häufig werden die Eltern förmlich überflutet mit Informationen und sind überfordert mit den Aufgaben, die an sie herangetragen werden», so Sengupta. Leider sei vielen Eltern nicht bewusst, wie wichtig eine gute Kommunikation mit der Lehrperson sei.
«Ganz wesentlich für den Schulerfolg ist die Bildungsaspiration der Eltern», betont Sengupta. Die bewusste Zusammenarbeit mit der Schule beeinflusse den späteren Schulerfolg des Nachwuchses noch mehr als das Bildungsniveau der Eltern. Eltern, welche mit dem Zürcher Schulsystem und den unterstützenden Angeboten vertraut sind und diese auch nutzen, prägen die schulische Laufbahn ihrer Kinder positiv. «Unabhängig davon, ob sie selbst eher bildungsfern sind oder nicht», sagt die Caritas-Projektleiterin.
Die für das neuartige Programm gesuchten Mentoren sollen - als eine Art Laufbahnpartner - Informationen zum Schulsystem, zu den Möglichkeiten der Sprach- und Leseförderung oder der Freizeitgestaltung vermitteln und die Zusammenarbeit mit der Lehrperson der Kinder verbessern. Das Angebot richtet sich an Eltern mit frisch eingeschulten Kindern und an neu aus dem Ausland zugezogene Familien. «Die Idee ist, dass die Mentorinnen als Brücke oder Triagestellen zwischen den Eltern und den Angeboten der kindlichen Förderung funktionieren. Wir wollen nicht, dass sie die Rolle der Eltern übernehmen», betont Sengupta. «Die Freiwilligen sollen im Hintergrund bleiben.»
Der Name des vom Staatssekretariat für Migration mitfinanzierten Projekts will dies auch sprachlich vermitteln: Die Eltern sind die «Piloten» und werden lediglich assistiert von «Copiloten», so dass sie den Schulstart und die spätere Laufbahn ihrer Kinder möglichst gut begleiten können. «Wir wollen die Familien befähigen», fügt die Pädagogin an. Das Angebot richte sich an bildungsferne Familien, Alleinerziehende, solche mit Migrationshintergrund oder Eltern, die sich in anderen schwierigen Situationen befänden, fasst sie zusammen. «Copilot» fördert mit seinem neuen Angebot, ganz im Sinn der kantonalen Bildungsdirektion unter dem Fokus «QUIMS» (Qualität in multikulturellen Schulen), den frühen Einbezug der Eltern. Die Mentoren und Mentorinnen sollen sich ein- oder zweimal monatlich mit den Familien treffen und dazwischen je nach Bedarf telefonisch Kontakt aufnehmen, um schulische Fragen zu klären und um den Alltag der Kinder im Auge zu behalten. In ihr Aufgabengebiet fallen verschiedenste Themen, beispielsweise die Unterstützung beim Ausfüllen von Anträgen für Hort- oder Sportangebote, die Vorbesprechung eines Elternabends oder etwa das Einrichten eines Arbeitsplatzes zu Hause. «Für diese Aufgabe werden die Mentoren von Caritas geschult und können jederzeit auf Rückhalt zählen», versichert Sengupta. Allerdings werden die Freiwilligen nicht entlöhnt, sondern erhalten lediglich die Spesen entschädigt.
Kenntnisse des Schulsystems

Voraussetzungen für die Freiwilligenarbeit sind Kenntnisse des Zürcher Bildungssystems, alltagspraktische Erfahrung und Zuverlässigkeit. «Wenn dazu noch Sprachkenntnisse der Zielgruppe vorhanden sind, umso besser», sagt Sengupta. Das Ziel des Programms, das sich vorerst auf die Stadtzürcher Kreise 3, 4, 5, 11 und 12 beschränkt, sei es, dass der Mentor innerhalb dieses Jahres von einer beratenden zu einer begleitenden Rolle wechsle. «Wenn es ihn nicht mehr braucht, ist die Aufgabe erfüllt.»

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