Besser in die Schulzeit starten, NZZ, 23.3. von Natalie Avanzino
Wenn Kinder aus benachteiligten Familien bessere
Chancen auf Bildung haben sollen, gilt es, nicht nur sie und ihre Fähigkeiten
frühzeitig zu fördern, sondern mit niederschwelligen Unterstützungsangeboten
die Nähe der Eltern zur Schule zu stärken und sie mit der Funktionsweise und
den Erwartungen der Schule bekannt zu machen.
Schule fordert auch die Eltern
Deshalb lanciert Caritas Zürich auf das im Sommer
startende Schuljahr in der Stadt Zürich ein neuartiges Mentoring-Programm, das
Familien mit Kindern im Alter von 4 bis 8 Jahren zugutekommen soll. Das Projekt
«Copilot» arbeitet nicht mit der direkten Zielgruppe, den Kindern, sondern mit
den Eltern. «Denn die Schule kann auch für sie ganz schön kompliziert sein»,
sagt Samantha Sengupta, verantwortliche Projektleiterin bei Caritas Zürich.
«Und zum Teil ist es als Lehrperson sehr schwierig, an die Eltern
heranzukommen.» Die 36-Jährige weiss aus ihrer langjährigen Erfahrung als
Primarlehrerin, wovon sie spricht. «Häufig werden die Eltern förmlich
überflutet mit Informationen und sind überfordert mit den Aufgaben, die an sie
herangetragen werden», so Sengupta. Leider sei vielen Eltern nicht bewusst, wie
wichtig eine gute Kommunikation mit der Lehrperson sei.
«Ganz wesentlich für den Schulerfolg ist die
Bildungsaspiration der Eltern», betont Sengupta. Die bewusste Zusammenarbeit
mit der Schule beeinflusse den späteren Schulerfolg des Nachwuchses noch mehr
als das Bildungsniveau der Eltern. Eltern, welche mit dem Zürcher Schulsystem
und den unterstützenden Angeboten vertraut sind und diese auch nutzen, prägen
die schulische Laufbahn ihrer Kinder positiv. «Unabhängig davon, ob sie selbst
eher bildungsfern sind oder nicht», sagt die Caritas-Projektleiterin.
Die für das neuartige Programm gesuchten Mentoren
sollen - als eine Art Laufbahnpartner - Informationen zum Schulsystem, zu den
Möglichkeiten der Sprach- und Leseförderung oder der Freizeitgestaltung
vermitteln und die Zusammenarbeit mit der Lehrperson der Kinder verbessern. Das
Angebot richtet sich an Eltern mit frisch eingeschulten Kindern und an neu aus
dem Ausland zugezogene Familien. «Die Idee ist, dass die Mentorinnen als Brücke
oder Triagestellen zwischen den Eltern und den Angeboten der kindlichen
Förderung funktionieren. Wir wollen nicht, dass sie die Rolle der Eltern
übernehmen», betont Sengupta. «Die Freiwilligen sollen im Hintergrund bleiben.»
Der Name des vom Staatssekretariat für Migration
mitfinanzierten Projekts will dies auch sprachlich vermitteln: Die Eltern sind
die «Piloten» und werden lediglich assistiert von «Copiloten», so dass sie den
Schulstart und die spätere Laufbahn ihrer Kinder möglichst gut begleiten
können. «Wir wollen die Familien befähigen», fügt die Pädagogin an. Das Angebot
richte sich an bildungsferne Familien, Alleinerziehende, solche mit
Migrationshintergrund oder Eltern, die sich in anderen schwierigen Situationen
befänden, fasst sie zusammen. «Copilot» fördert mit seinem neuen Angebot, ganz
im Sinn der kantonalen Bildungsdirektion unter dem Fokus «QUIMS» (Qualität in
multikulturellen Schulen), den frühen Einbezug der Eltern. Die Mentoren und
Mentorinnen sollen sich ein- oder zweimal monatlich mit den Familien treffen
und dazwischen je nach Bedarf telefonisch Kontakt aufnehmen, um schulische
Fragen zu klären und um den Alltag der Kinder im Auge zu behalten. In ihr
Aufgabengebiet fallen verschiedenste Themen, beispielsweise die Unterstützung
beim Ausfüllen von Anträgen für Hort- oder Sportangebote, die Vorbesprechung
eines Elternabends oder etwa das Einrichten eines Arbeitsplatzes zu Hause. «Für
diese Aufgabe werden die Mentoren von Caritas geschult und können jederzeit auf
Rückhalt zählen», versichert Sengupta. Allerdings werden die Freiwilligen nicht
entlöhnt, sondern erhalten lediglich die Spesen entschädigt.
Kenntnisse des Schulsystems
Voraussetzungen für die Freiwilligenarbeit sind
Kenntnisse des Zürcher Bildungssystems, alltagspraktische Erfahrung und
Zuverlässigkeit. «Wenn dazu noch Sprachkenntnisse der Zielgruppe vorhanden
sind, umso besser», sagt Sengupta. Das Ziel des Programms, das sich vorerst auf
die Stadtzürcher Kreise 3, 4, 5, 11 und 12 beschränkt, sei es, dass der Mentor
innerhalb dieses Jahres von einer beratenden zu einer begleitenden Rolle
wechsle. «Wenn es ihn nicht mehr braucht, ist die Aufgabe erfüllt.»
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