22. März 2015

Verheerender Befund

Letzte Woche veröffentlichte der«Tages-Anzeiger» eine Langzeituntersuchung an den Zürcher Volksschulen. Untersucht wurde der Lernerfolg in Deutsch und Mathe von Schülern, die man während der gesamten obligatorischen Schulzeit begleitet hat. Der Befund ist verheerend. 50 Jahre Bildungsreformen haben nicht dazu geführt, dass die Schulen ihre Integrationsfähigkeit verbessert hätten. Im Gegenteil: Noch immer ist das Elternhaus absolut entscheidend für die Bildungschancen der Schüler. 
Den Volksschulen fehlt die Integrationsfähigkeit, Sonntagszeitung, 22.3. von Arthur Rutishauser
Wer aus gutem Elternhaus kommt und als Muttersprache Deutsch spricht, hat viel bessere Chancen – all den teuren Stütz- und Fördermassnahmen zum Trotz. Und noch ein Befund ist verheerend: Genau nach dem Übertritt in die Sekundarschulen, also vom siebten bis zum neunten Schuljahr, sinkt die Motivation der Schüler dramatisch. Vor allem bei den Buben. Es ist eine wichtige Zeit, in der es um die Berufswahl oder einen eventuellen Übertritt in ein Gymnasium geht. Genau dann müssen die meisten Schülerinnen und Schüler ihre zu Beginn der Schulzeit äusserst positiven Einschätzungen über die eigene Leistungsfähigkeit der Realität anpassen und nach unten korrigieren, heisst es in der Untersuchung. Man kann es auch so sagen: Zwischen 13 und 15 wird den Teenagern klar, dass die reale Welt eben nicht egalitär, sondern leistungsgetrieben ist. Vor allem den Kindern aus bildungsfernem Elternhaus wird bewusst, dass nicht mehr die aufmunternden Worte der Lehrerin, sondern die Schulnoten über ihren zukünftigen Lebensstandard entscheidet. Das ist ein harter Befund für jeden, den es betrifft. Besonders auch für jene, die zu Hause eine Macho-Kultur erleben, sich gegenüber der Mutter alles erlauben und die Schwestern herumkommandieren können. Kein Wunder, wenn solcherart gekränkte Egos dann in der Schule anfangen mit dem aufzufallen, was sie können: Frauen verachtende Sprüche klopfen, am liebsten in der Gruppe, in der sie sich stark fühlen. Hier wäre es ganz wichtig, dass die Schule reagiert, die Lehrer einschreiten und ihre Toleranz vergessen. Doch das geschieht eben sehr oft nicht oder viel zu spät, sie wollen die Initiative nicht ergreifen und verstecken sich. In der Realität ist es ja auch so, dass immer mehr Lehrer sich die Klassen in Kleinstpensen aufteilen. Viele möchten lieber nur ein bisschen unterrichten, aber ja keine Klassenlehrerfunktion ausüben, die Verantwortung bedeuten würde. Also lässt man die jungen Herren gewähren, so lange, bis sie selbst vor den Lehrern keinen Respekt mehr haben. Wenn in den Schulen kein Umdenken stattfindet, verliert die Volksschule ihre Integrationsfähigkeit und die Schweiz eine wichtige Stütze des Systems, das allen viel Wohlstand gebracht hat.

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