Wolter: Fraglich, ob sich Erfolg einstellt, Bild: Keystone
"Vielleicht überschätzen Eltern den Effekt", NZZaS, 22.3. von Sibylle Stillhard
Immer mehr Eltern investieren in die Bildung ihrer Kinder. Noch nie haben so viele Schüler Nachhilfestunden genommen. Weshalb?
Tatsächlich erlebt die Nachhilfe-Industrie heute einen regelrechten Boom. 34 Prozent der Schweizer Jugendlichen zwischen 11 und 15 Jahren besuchen bezahlten Nachhilfeunterricht. Über die Gründe kann bloss spekuliert werden. Wären aber Eltern nicht vom grossem Nutzen der Bildung überzeugt, würden sie nicht zusätzlich so viel Geld in die Ausbildung ihrer Kinder investieren.
Und bringt die Investition etwas?
Ob sich der Erfolg dann auch wirklich einstellt, ist tatsächlich fraglich. Bei ständiger Nachhilfe konnten wir keine positive Wirkung auf die schulischen Leistungen feststellen.
Wenn es mit der Nachhilfe nicht klappt, kann immer noch auf eine Privatschule gewechselt werden.
Die Zunahme von Privatschulen sehen wir vor allem in Grossstädten mit Grosskonzernen und vielen Expats - und deshalb sind es neu vor allem die International Schools, die boomen. Diese Schulen sind vor allem für Kinder von Expats gedacht, die häufig die Länder und somit auch das Schulsystem wechseln müssen, wenn sie eben nicht eine International School besuchten. Für hiesige Kinder ergibt eine solche Ausbildung aber wenig Sinn, da Schweizer Schulabschlüsse, wie etwa die Matura, weltweit sehr gut akzeptiert sind. Wer im Ausland studieren will, muss nicht das International Baccalaureate machen.
Lässt sich Schulerfolg kaufen?
Bildung lässt sich in einem bestimmten Mass immer kaufen, ob sich auch der Erfolg kaufen lässt, ist eine andere Frage. Wenn beispielsweise Maturanden nur dank massivem Bildungsdoping reüssieren, dann ist es fraglich, ob damit auch der Studienerfolg an der Universität gesichert ist. Heute bricht fast ein Viertel der Studenten das Studium ab. Vielleicht überschätzen Eltern den Effekt, den man mit zusätzlichem Lerndoping längerfristig erzielen kann.
Was ist denn so schlimm daran, wenn Eltern in die Bildung ihrer Sprösslinge investieren?
Grundsätzlich ist es aus der Sicht der Schule sicher positiv zu bewerten, wenn sich die Eltern für die Bildung ihrer Kinder interessieren und sich dafür engagieren. Nachteilig wird es hingegen dann, wenn die Chancengleichheit im Bildungssystem so stark tangiert wird, dass nicht mehr die talentiertesten Kinder es weit schaffen, sondern jene, die von zu Hause die grösste Unterstützung erhalten. Es ist kein gutes Zeichen, wenn bei gleichen schulischen Leistungen doch viel häufiger Kinder von Akademikern das Gymnasium besuchen.
Wie könnte man aus Ihrer Sicht das Schweizer Bildungssystem fairer gestalten?
Man muss an vielen Orten gleichzeitig ansetzen. Tagesschulen und ganztägige Betreuungsangebote für alle könnten die Nachfrage nach Bildungsdoping reduzieren. Bereits Hausaufgaben bedeuten eine grosse Quelle der Chancenungleichheit, weil nicht alle Kinder zu Hause ungestört lernen und auf die gleiche elterliche Unterstützung zählen können. Schliesslich spielt auch die Durchmischung der Schulen eine Rolle - da müsste man die starre Zuteilung nach Wohnortsprinzip infrage stellen dürfen. Heute haben nur diejenigen eine freie Schulwahl, die sich über finanzielle Mittel den Wohnort auswählen können.
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