Unter
diesem Titel lud der Verein «Starke Volksschule Zürich» am 12. April zu einem
Vortragsabend mit Diskussion im Pfarreizentrum Liebfrauen in Zürich ein. Im gut
besetzten Saal legte Prof. Dr. phil. Mario Andreotti der gebannt lauschenden
Zuhörerschaft eine breite Auslegeordnung der Irrwege vor, denen unsere Jugend
in den heutigen Schulen ausgesetzt ist.
Nicht Schulreform, sondern Totalumbau, 13.4. von Marianne Wüthrich
Von den
Anfängen zu Beginn der 90er Jahre, als unter dem Einfluss von Organisationen
wie Economiesuisse und OECD die EDK zum Umbau der Schule als Produktionsstätte
des Homo oeconomicus ansetzte, über die fatale Herabminderung der
Lehrerpersönlichkeit zum Coach und Kreuzchensetzer auf endlosen Beobachtungsbögen
bis zum alleingelassenen Kind, das sich «selbstorganisiert» mit seinem Tablet
irgendwie beschäftigen soll. Besonderes Gewicht legte der Referent auf die
unentbehrliche Lernbeziehung zwischen Lehrerin und Schülern, auf die sozial
formende Lerngemeinschaft in der Schulklasse, denn Freude am Lernen entsteht
nicht durch SOL, sondern in Beziehung. Digitale Medien können diese nie und
nimmer ersetzen, sie dürfen nur als Hilfsmittel verwendet werden, und zwar erst
ab der Oberstufe, so der Referent. Weitere angesprochene Bereiche waren
- die
irrige Vorstellung gewisser Wirtschaftskreise, mit Kompetenzen anstelle von
Lerninhalten könnten die Leistungen der Kinder besser gemessen werden
- das
Frühfremdsprachenmodell, das ausser Acht lässt, dass – abgesehen von Kindern,
die von klein auf zweisprachig aufwachsen – zuerst die Grundlagen in der
Muttersprache sitzen müssen
- die
unsinnige Abschaffung sinnvoll eingesetzter Hausaufgaben, und anderes mehr.
Im Raum
stehen blieb der schwerwiegende Vorwurf an die Reformer, den Schulen unerprobte
Konzepte aufzuzwingen. – Prof. Dr. Stefan Wolter, Leiter der Forschungsstelle
für Bildungsökonomie und Verfasser des «Bildungsberichts Schweiz 2018» auf die
Frage nach der Wirkung der 20jährigen Reformen: «Wir wissen die Wirkung nicht»!
Als
ermutigender Schlusspunkt blieb aber auch das Auftauchen erster Korrekturen:
Nidwalden schafft als erster Kanton das unselige «Schreiben nach Gehör» ab,
untaugliche Sprachlehrmittel werden aus dem Verkehr gezogen, Eltern und Lehrer
fordern wieder Kleinklassen, in denen Kinder mit verschiedensten Problemen
nicht abgehängt, sondern gefördert werden, um dann als Vollteilnehmer in die
Regelklassen zurückkehren zu können.
Nach
dieser reichen Palette, die Professor Andreotti mit spürbarem Engagement
herüberbrachte, entstand eine lebhafte Diskussion, mit berührenden
Erlebnisberichten von Müttern (z. B. «nur Ihr Kind hat Probleme»), von
Kindergärtnerinnen und Lehrern, die sich nach zermürbenden Jahren aus ihrem
Beruf zurückziehen wollen, und einer Ärztin, die zuweilen vier oder fünf Kinder
aus derselben Schulklasse in ihrer Praxis hat.
Was
können wir tun? Unsere Kräfte zusammenlegen, miteinander überlegen, wo und wie
wir gemeinsam Widerstand leisten können. Stellung nehmen, in Leserbriefen und
Communiqués oder in der Politik. Und unsere Kräfte vervielfachen, indem wir
Eltern, Lehrer, Politiker und andere Menschen in unserem Umkreis einladen und
ihnen Informationsmaterial zukommen lassen – Flyer, Zeitungsartikel, den
«Einspruch 2», den Newsletter des Vereins «Starke Volksschule Zürich». Diesen
haben wir ins Leben gerufen, um zu informieren und dazu beizutragen, dass der
Kreis von Menschen, die etwas gegen die Schulmisere tun wollen, grösser wird
und sich Gehör verschafft.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen