Geht es
um die Abschaffung von Frühfranzösisch, steht der Thurgau im Ruf einer
bildungspolitischen Speerspitze. Denn als Folge einer vom Grossen Rat
gutgeheissenen Motion wird im Thurgau ab Mitte 2018 Französisch erst wieder in
der Oberstufe gelehrt. So steht es in der Thurgauer Variante des Lehrplans 21,
die noch bis Ende Juni in der Vernehmlassung ist und danach vom Regierungsrat
erlassen werden soll. Just gegen diesen Lehrplan richtet sich die
Volksinitiative «Ja zu einer guten Thurgauer Volksschule», die mit über 5000
Unterschriften eingereicht wurde. Sie rüttelt indes in keiner Weise an der
Abschaffung von Frühfranzösisch, stammt sie doch aus der Küche von teilweise
denselben Personen, die auch gegen Frühfranzösisch sind. Vielmehr reiht sich
die Initiative in die national orchestrierte Kampagne ein, mit welcher der
Lehrplan 21 in zahlreichen Kantonen aus grundsätzlichen Erwägungen verhindert
werden soll.
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Entscheid des Grossen Rates kommt wenig überraschend, Bild: Gaetan Bally
Gegen Verpolitisierung der Volksschule, NZZ, 15.6. von Jörg Krummenacher
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Die
Thurgauer Initiative verlangt, dass Lehrpläne und Stundentafeln nicht mehr wie
bisher vom Regierungsrat erlassen, sondern neu vom Grossen Rat genehmigt werden
und dem fakultativen Referendum zu unterstellen sind. Inhaltlich soll der
Lehrplan zudem um konkrete Jahrgangsziele ergänzt werden. Mit einer
Übergangsbestimmung will die Initiative schliesslich sicherstellen, dass der
Lehrplan 21 angepasst und neu genehmigt werden muss.
Bereits
vor anderthalb Jahren hatte der Thurgauer Grosse Rat eine Motion deutlich
abgelehnt, die den Lehrplan vors Parlament und fakultativ vors Volk bringen
wollte. Am Mittwoch nun erklärte er die Initiative zwar für gültig, empfahl sie
dem Stimmvolk aber wiederum klar mit 97 gegen 22 Stimmen zur Ablehnung.
Nur
gerade die EDU und eine Minderheit der SVP machten sich für die Initiative
stark. Nach Ansicht der Ratsmehrheit ist der Lehrplan ein Hilfs- und
Planungsinstrument für Fachpersonen und gehört mit seinen derzeit 470 Seiten
weder ins Parlament noch vors Stimmvolk. Dies hiesse nichts anderes, als die
Schule in politische Auseinandersetzungen zu zerren, was ihr gewiss nicht
guttue. Eine Verpolitisierung der Schule sei zu vermeiden. Sollte die
Initiative vom Volk gutgeheissen werden, würde die Volksschule demnach zur
Kampfarena für die Durchsetzung politischer und gesellschaftlicher
Partikularinteressen.
Zu wenig
Praxisbezug
Aus den
Voten der Befürworter anderseits sprach das Unbehagen gegenüber einer
Vertheoretisierung der Volksschule und gegenüber «übereifrigen Evaluatoren und
Schulentwicklern», wie eine Kantonsrätin meinte. Der Lehrplan sei «ein
Konstrukt von Wissenschaftern», die wenig oder gar keinen Bezug zum Schulalltag
hätten. Um die Schule praxisnäher zu gestalten, bedürfe es der demokratischen
Mitwirkung.
Das
Thurgauer Stimmvolk wird voraussichtlich im kommenden November über die
Initiative befinden. Nach Auskunft von Erziehungsdirektorin Monika Knill dürfte
der Regierungsrat den Volksentscheid abwarten, bevor er den Lehrplan 21
definitiv erlässt.
In allen
Deutschschweizer Kantonen stehen die Lehrpläne 21 zur Umsetzung an. Bis jetzt
ist noch in keinem die Legislative für deren Erlass zuständig. Am 5. Juni lehnte das Baselbiet
eine entsprechende Initiative relativ knapp ab, während Ende
April die Innerrhoder Landsgemeinde eine Einzelinitiative
gegen die Einführung des Lehrplans 21 deutlich bachab schickte.
Neben dem
Thurgau stehen noch in diversen weiteren Kantonen Abstimmungen zu
Volksschulinitiativen an. Am 25. September entscheidet St. Gallen über den
Ausstieg aus dem Harmos-Konkordat. Im Aargau kommt die Volksinitiative gegen
den Lehrplan am 28. Juni vor den Grossen Rat und im Februar 2017 vors Volk.
Abstimmungen stehen auch in Zürich und Schaffhausen an, während in Bern,
Luzern, Solothurn oder Graubünden Initiativen pendent sind.
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