Die
Debatte dauerte lange und wurde intensiv geführt. Letztlich entschied der
Grosse Rat aber, die Initiative «Ja zu einer guten Volksschule Thurgau»
abzulehnen. Die Mehrheit fürchtet eine Verpolitisierung der Schule.
Alle wollen eine gute Schule, Thurgauer Zeitung, 16.6. von Michèle Vaterlaus
Es war von Anfang an klar: die Debatte zur Initiative «Ja für eine gute
Volksschule Thurgau» wird sich nicht von einer Diskussion um den Lehrplan
abkoppeln lassen. Und so hatten auch die Kantonsräte gestern Mühe damit.
Bereits bei der Eintretensdebatte ermahnte Ratspräsident Gallus Müller den
Sprecher der EDU-Fraktion vergeblich, dass es hier um die Initiative und nicht
um den Lehrplan 21 gehe.
Die
Initiative verlangt, dass die Kompetenz zum Erlass eines neuen Lehrplanes beim
Grossen Rat und nicht mehr beim Regierungsrat liegt. Der Beschluss soll dem
fakultativen Referendum unterstehen. Zudem sollen im Lehrplan Jahrgangsziele
und Stundentafeln festgesetzt werden. Und schliesslich verlangt die Initiative,
dass neue Lehrpläne innert zweier Jahren umgesetzt werden. Nach einer
intensiven Diskussion beschloss der Grosse Rat mit 97 zu 22 Stimmen, die
Initiative abzulehnen.
Abstimmung
soll Ruhe bringen
Diese
Tendenz zeigte sich schon bei der Eintretensdebatte: Zwar sprachen sich alle
Fraktionen dafür aus, die Initiative für gültig zu erklären, gleichzeitig
erachteten sie deren Inhalt als problematisch. Insbesondere, weil sie dem
Regierungsrat nachträglich die Kompetenz zur Einführung des neuen Lehrplans absprechen
und so einen rechtskräftigen Entscheid aushebeln wolle. Viktor Gschwend
(Neukirch-Egnach) sagte als Sprecher der FDP-Fraktion, dass man sich eine
Abstimmung wünsche, damit endlich Ruhe einkehrt.
Joe
Brägger (GP, Amriswil) kam gleich auf den Punkt: «Das Initiativkomitee will vor
allem den Lehrplan verhindern.» Der Titel der Initiative klinge zwar
verlockend. «Wer will schon Nein zu einer guten Volksschule sagen.» Doch
Lehrpläne sollen nicht wie Gesetze beraten werden. In diesem Sinne erinnerte Norbert
Senn (CVP, Romanshorn) daran, was ein Lehrplan überhaupt ist, nämlich ein
Hilfs- und Planungsinstrument. Er befürchtet, dass bei Annahme der Initiative,
über die letztlich das Volk entscheiden wird, die Schule verpolitisiert wird.
Das sei doch bereits geschehen, merkte Andrea Vonlanthen (SVP, Arbon) an. Und
zwar damals, als der Grosse Rat eine Motion angenommen habe, welche die
Abschaffung des Frühfranzösisch forderte. Damals habe man den parlamentarischen
Weg eingeschlagen.
Käthi
Zürcher (CVP, Romanshorn) erachtet den Grossen Rat nicht als das richtige
Gremium, um über einen Lehrplan zu entscheiden. Dennoch äussert sie, die selbst
Lehrerin ist, Verständnis für die Kritik am Lehrplan: «Er ist ein Konstrukt von
Wissenschaftern, Theoretikern und Technokraten, ohne Bezug zur Praxis.» Doch in
ihren Augen ist es schlicht und einfach zu spät, um den Lehrplanentwurf über
den Haufen zu werfen und etwas Neues zu fordern. «Ich bin froh, wenn die
Debatte nicht zur Lehrplan-Debatte ausartet», sagte Walter Hugentobler (SP,
Matzingen). Die Initiative wolle Details regeln, die nicht gesetzeswürdig
seien. «Das ist die falsche Flughöhe. Wir diskutieren ja auch nicht über die
Hausordnung des Regierungsgebäudes.»
Einzig
die EDU-Fraktion sprach sich für die Annahme der Initiative aus. «Wohin führt
uns die Entwicklung unserer Volksschule?», fragte Daniel Frischknecht (EDU,
Arbon). Er befürchtet, dass die Orientierung an Kompetenzen für Schüler aus
gebildetem Hause von Vorteil sein wird, die anderen aber untergehen werden. «Wir
reden hier von der Volksschule, nicht von einer Eliteschule.»
Kritik
gibt es immer
Regierungsrätin
Monika Knill gab zu bedenken, dass es immer Kritik an Lehrplänen gab und auch
geben wird. In keinem der 21 Kantone sei aber das Parlament für den Erlass von
Lehrplänen zuständig. «Und ich möchte darauf hinweisen, dass ein Paragraph in
der Debatte komplett ausgeblendet wurde: <Der Unterricht hat sich den Zeit-
und Lebensanforderungen anzupassen.> Dieser Paragraph wird auch bei Annahme
der Initiative im Gesetz bleiben.»
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