Man hätte sich zusammensetzen und den Zwist bereden können, wie es
der Vater mehrfach vorgeschlagen hat. Stattdessen schaltet die Schulleitung auf
stur, verletzt Verfahrensvorschriften und erstattet Anzeige: wegen einer
Bagatelle.
Sture Schulleitung, NZZ, 12.5. von Brigitte Hürlimann
Eigentlich
kann man nur den Kopf schütteln. Ist es menschenmöglich, dass es Erwachsene
nicht schaffen, kleine Unstimmigkeiten im Gespräch zu bereinigen, am runden
Tisch eine Lösung zu finden? So wie es der Vater von zwei Primarschülern, einem
Sohn und einer Tochter, von Anfang an vorgeschlagen hat? Die Schulleitung will
nichts davon wissen, und so kommt die Sache tatsächlich vor den Strafrichter,
der den Vater am Mittwoch allerdings freispricht und sich die Bemerkung nicht
verkneifen kann, es sei schon fragwürdig, dass dieser Fall vor dem
Bezirksgericht Dietikon lande. Thema des Strafprozesses: vorsätzliches
Vernachlässigen der elterlichen Pflichten. Doch worum geht es?
An
einem Dietiker Schulhaus findet im September letzten Jahres am Samstagmorgen
ein Besuchstag für Eltern statt, was bedeutet, dass die Kinder ausnahmsweise am
Samstag zur Schule müssen. Das Programm beginnt für die Unterstufe um 8 Uhr 20
und endet um 11 Uhr 55. Die Eltern eines Geschwisterpaars stellen ein
Dispensationsgesuch und bitten die Schulleitung darum, dass ihre Kinder ab 10
Uhr dem Besuchstag fernbleiben dürfen, weil die zwei am Samstagmorgen einen
Unterricht in heimatlicher Sprache und Kultur (HSK) besuchen. Es handelt sich
dabei um ein schulergänzendes Angebot für mehrsprachige Kinder, das von der
Bildungsdirektion empfohlen wird.
Die
Schulleitung erlaubt den Eltern aber nur, die Kinder eine Stunde früher aus dem
Besuchstags-Unterricht zu nehmen. Der Vater hält sich nicht daran, holt den Bub
und das Mädchen bereits in der 10-Uhr-Pause ab und bringt sie wie jeden
Samstagmorgen in den HSK-Unterricht. Vor Gericht sagt er, schon 2014 hätten er
und seine Frau das gleiche Problem gehabt und sich nicht gewehrt. Nun aber habe
er genug, denn 2013, unter einer anderen Schulleitung, sei das Dispensationsgesuch
noch gutgeheissen worden. Eine solch ungerechte, nicht nachvollziehbare Haltung
lasse er sich einfach nicht mehr gefallen, das sei diskriminierend, wenn nicht
gar rassistisch. Der Vater tritt ohne Anwalt vor Gericht auf, er ist
libanesisch-schweizerischer Doppelbürger und arbeitet in Zürich in leitender
Funktion als Informatiker. Seine Ehefrau ist deutscher Nationalität, und damit
die Kinder die Kulturen beider Elternteile kennenlernen, besuchen sie
arabischen Unterricht im Rahmen des empfohlenen und gesetzlich geregelten
HSK-Angebots.
In
der Volksschulverordnung ist festgehalten, dass Primarschüler während höchstens
zwei Lektionen pro Woche dem ordentlichen Unterricht fernbleiben und an den
Kursen in heimatlicher Sprache und Kultur teilnehmen dürfen. Im konkreten Fall
besuchen der 11-jährige Bub und das 9-jährige Mädchen die Kurse ja stets in der
Freizeit, am üblicherweise freien Samstagmorgen.
Der
Einzelrichter in Strafsachen spricht den wehrhaften Vater, der (im Gegensatz
zur Mutter) den Strafbefehl angefochten hat, aus zwei Gründen frei: Erstens
habe die Schulleitung mehrere Verfahrensfehler begangen, etwa auf
Rechtsmittelbelehrungen verzichtet, die Form nicht eingehalten und die
aufschiebende Wirkung der elterlichen Einsprache missachtet. Und zweitens habe
der Vater keine Pflichten vernachlässigt - obwohl das HSK-Angebot «per se
keinen Vorrang hat».
Urteil GB160002 vom 11. 5.
16, noch nicht rechtskräftig.
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