12. Mai 2016

EDK nimmt Forschung nicht zur Kenntnis

Der Basler Erziehungsdirektor Christoph Eymann steckt in Erklärungsnot: Seine disqualifizierenden Aussagen zur Frühfremdsprachen-Studie der Zürcher Linguistin Simone Pfenninger haben ein Nachspiel. Die Autoren der Studie gehen gegen die Behauptung vor, die Studie sei qualitativ nicht genügend. Eymann hielt die disqualifizierende Aussage in seiner Antwort auf eine Interpellation von Katja Christ (GLP) aufrecht, die gestern im Basler Grossen Rat behandelt wurde. Das Team von internationalen Wissenschaftlern, auf das sich Eymann beruft, will nie solche Aussagen gemacht haben.
Forscherin wehrt sich gegen Eymann, Basler Zeitung, 12.5. von Thomas Dähler


Die angeblich ungenügende Studie wird nächstens unter dem Titel «Beyond age effects» in Buchform erscheinen. Pfenninger und der irische Professor David Singleton zeichnen als Co-Autoren. Pfenninger wurde dafür mit dem Zürcher Mercator-Preis ausgezeichnet.
Den Anlass für die Interpellation von Grossrätin Christ war eine Replik Eymanns in der Basler Zeitung auf einen kritischen Artikel zum System der Frühfremdsprachen in der Schweiz. Der Basler Erziehungsdirektor und Nationalrat Eymann präsidiert die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), die über die Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung (Coreched) bei einem Team von internationalen Wissenschaftlern eine Übersicht über den Stand der Forschung zum Erlernen einer Drittsprache im bilingualen Sprachunterricht bestellt hat.

Offensichtlich nicht genügend?
Eymann hat Pfenningers Frühfremdsprachen-kritische Forschungsarbeit als «offensichtlich qualitativ nicht genügend» bezeichnet. Sie sei deswegen in dem Bericht der Wissenschaftler auch nicht berücksichtigt. Auch inhaltlich widerspricht Eymann den Ergebnissen in der Studie Pfenningers: Gemäss Stefan Wolter, dem Direktor der Koordinationsstelle, könnten keine Forschungsergebnisse gegen das frühe Erlernen einer Fremdsprache ins Feld geführt werden.

Pfenninger hat nun Schritte in die Wege geleitet, mit der sie sich gegen die rufschädigenden Disqualifikationen von Eymann und Wolter wehrt. Die am English Department der Universität Zürich tätige Linguistin hat sich unterdessen mit Mitgliedern des Teams von internationalen Wissenschaftlern, das den Bericht für Coreched erstellt hat, in Verbindung gesetzt.

Aussagen bestritten
Dabei hat sich herausgestellt, dass niemand aus dem Team solche disqualifizierenden Aussagen zu Pfenningers Studie gemacht hat. Pfenninger hat nun in einem ersten Schritt zusammen mit David Singleton das gesamte Team zu einer entsprechenden schriftlichen Stellungnahme eingeladen.

«Es geht mir darum, den Ruf und die Arbeit unseres Teams zu schützen», erklärte Pfenninger gestern gegenüber der BaZ. Nicht wirklich erstaunt ist Pfenninger auch, dass der EDK und Coreched die Ergebnisse ihrer Vergleichsstudie zwischen Früh­lernenden und Spät­lernenden einer Fremdsprache nicht passen.

Auch die von Wolter verfasste und online publizierte deutsche Zusammenfassung des von Coreched in Auftrag gegebenen Berichts ist einseitig. Der Verdacht ist dabei kaum von der Hand zu weisen, dass es Wolter darum ging, den in der Schweiz eingeschlagenen Kurs der Frühfremdsprachen perfekt zu bestätigen. Dabei befasst sich der ­Coreched-Bericht gar nicht eigentlich mit dem Zeitpunkt des Erlernens einer Fremdsprache, sondern mit der Drei- und Viersprachigkeit, wie aus der englischen Originalfassung des Berichts ­hervorgeht.
Eymann scheint dies nicht zu kümmern. Jedenfalls berief er sich in der Beantwortung der gestern im Basler Grossen Rat behandelten Interpellation auf eben diesen Bericht. Unter Missachtung des tatsächlichen Inhalts des Berichts behauptete Eymann, es gehe in dem Bericht um «das Erlernen von mehr als einer Sprache ab der Primarstufe». Dazu sei die Studie Pfenningers nicht zugezogen worden, weil sie zwar relevant, aber qualitativ nicht genügend sei. Eymann erwähnt auch nicht, dass der Bericht eine für ihn und die EDK unangenehme wissenschaftliche Aussage enthält: «Je älter die Schüler bei Start einer Drittsprache sind, desto besser schneiden sie an Leistungsprüfungen ab.» Das zumindest steht nicht im Widerspruch zu den Forschungsergebnissen von Pfenninger.

Grossrätin Katja Christ gab gestern dem Erziehungsdirektor den Rat, wissenschaftliche Erkenntnisse ernst zu nehmen. Es gehe nicht an, sie einfach zu negieren, nur weil einem die Resultate nicht passten. Für den Fremdsprachenerwerb gelte, fasst Christ die Ergebnisse der Langzeitstudie zusammen: «Manchmal ist ein bisschen später und dafür intensiver besser.»


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