Der Basler Erziehungsdirektor Christoph
Eymann steckt in Erklärungsnot: Seine disqualifizierenden Aussagen zur
Frühfremdsprachen-Studie der Zürcher Linguistin Simone Pfenninger haben ein
Nachspiel. Die Autoren der Studie gehen gegen die Behauptung vor, die Studie
sei qualitativ nicht genügend. Eymann hielt die disqualifizierende Aussage in
seiner Antwort auf eine Interpellation von Katja Christ (GLP) aufrecht, die
gestern im Basler Grossen Rat behandelt wurde. Das Team von internationalen
Wissenschaftlern, auf das sich Eymann beruft, will nie solche Aussagen gemacht
haben.
Forscherin wehrt sich gegen Eymann, Basler Zeitung, 12.5. von Thomas Dähler
Die angeblich
ungenügende Studie wird nächstens unter dem Titel «Beyond age effects» in
Buchform erscheinen. Pfenninger und der irische Professor David Singleton zeichnen
als Co-Autoren. Pfenninger wurde dafür mit dem Zürcher Mercator-Preis
ausgezeichnet.
Den Anlass für die
Interpellation von Grossrätin Christ war eine Replik Eymanns in der Basler
Zeitung auf einen kritischen Artikel zum System der Frühfremdsprachen in der
Schweiz. Der Basler Erziehungsdirektor und Nationalrat Eymann präsidiert die
Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), die über
die Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung (Coreched) bei
einem Team von internationalen Wissenschaftlern eine Übersicht über den Stand
der Forschung zum Erlernen einer Drittsprache im bilingualen Sprachunterricht
bestellt hat.
Offensichtlich nicht
genügend?
Eymann hat Pfenningers
Frühfremdsprachen-kritische Forschungsarbeit als «offensichtlich qualitativ
nicht genügend» bezeichnet. Sie sei deswegen in dem Bericht der Wissenschaftler
auch nicht berücksichtigt. Auch inhaltlich widerspricht Eymann den Ergebnissen
in der Studie Pfenningers: Gemäss Stefan Wolter, dem Direktor der Koordinationsstelle,
könnten keine Forschungsergebnisse gegen das frühe Erlernen einer Fremdsprache
ins Feld geführt werden.
Pfenninger hat nun
Schritte in die Wege geleitet, mit der sie sich gegen die rufschädigenden
Disqualifikationen von Eymann und Wolter wehrt. Die am English Department der
Universität Zürich tätige Linguistin hat sich unterdessen mit Mitgliedern des
Teams von internationalen Wissenschaftlern, das den Bericht für Coreched
erstellt hat, in Verbindung gesetzt.
Aussagen bestritten
Dabei hat sich herausgestellt,
dass niemand aus dem Team solche disqualifizierenden Aussagen zu Pfenningers
Studie gemacht hat. Pfenninger hat nun in einem ersten Schritt zusammen mit
David Singleton das gesamte Team zu einer entsprechenden schriftlichen
Stellungnahme eingeladen.
«Es geht mir darum, den
Ruf und die Arbeit unseres Teams zu schützen», erklärte Pfenninger gestern
gegenüber der BaZ. Nicht wirklich erstaunt ist Pfenninger auch, dass der EDK
und Coreched die Ergebnisse ihrer Vergleichsstudie zwischen Frühlernenden und
Spätlernenden einer Fremdsprache nicht passen.
Auch die von Wolter
verfasste und online publizierte deutsche Zusammenfassung des von Coreched in
Auftrag gegebenen Berichts ist einseitig. Der Verdacht ist dabei kaum von der
Hand zu weisen, dass es Wolter darum ging, den in der Schweiz eingeschlagenen
Kurs der Frühfremdsprachen perfekt zu bestätigen. Dabei befasst sich der Coreched-Bericht
gar nicht eigentlich mit dem Zeitpunkt des Erlernens einer Fremdsprache,
sondern mit der Drei- und Viersprachigkeit, wie aus der englischen
Originalfassung des Berichts hervorgeht.
Eymann scheint dies
nicht zu kümmern. Jedenfalls berief er sich in der Beantwortung der gestern im
Basler Grossen Rat behandelten Interpellation auf eben diesen Bericht. Unter
Missachtung des tatsächlichen Inhalts des Berichts behauptete Eymann, es gehe
in dem Bericht um «das Erlernen von mehr als einer Sprache ab der Primarstufe».
Dazu sei die Studie Pfenningers nicht zugezogen worden, weil sie zwar relevant,
aber qualitativ nicht genügend sei. Eymann erwähnt auch nicht, dass der Bericht
eine für ihn und die EDK unangenehme wissenschaftliche Aussage enthält: «Je
älter die Schüler bei Start einer Drittsprache sind, desto besser schneiden sie
an Leistungsprüfungen ab.» Das zumindest steht nicht im Widerspruch zu den
Forschungsergebnissen von Pfenninger.
Grossrätin Katja Christ
gab gestern dem Erziehungsdirektor den Rat, wissenschaftliche Erkenntnisse
ernst zu nehmen. Es gehe nicht an, sie einfach zu negieren, nur weil einem die
Resultate nicht passten. Für den Fremdsprachenerwerb gelte, fasst Christ die
Ergebnisse der Langzeitstudie zusammen: «Manchmal ist ein bisschen später und
dafür intensiver besser.»
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