17. Mai 2016

Verblüffende Lohndifferenzen zwischen Bern und Solothurn

Berner Lehrpersonen können ihr Einkommen stark erhöhen, wenn sie in einem anderen Kanton unterrichten. Vor allem der Wechsel nach Solothurn kann mehrere Tausend Franken im Monat einbringen. Doch die Aufholjagd läuft.


Note "Ungenügend" für die Berner Lehrerlöhne, Berner Zeitung, 17.5. von Fabian Schäfer


Werbung in eigener Sache sieht anders aus. Am Dienstag hat der Regierungsrat des Kantons Bern einen Bericht veröffentlicht, dessen Hauptaussage man etwa so zusammenfassen kann: Wer eine Stelle als Lehrerin oder Lehrer sucht, sollte das nicht im Kanton Bern tun. Jedenfalls, wenn ihr oder ihm der Lohn wichtig ist.

Konkret hat Berns Regierung im Auftrag des Kantonsparlaments einen interkantonalen Vergleich der Anstellungsbedingungen von Lehrpersonen erstellt. Der Bericht umfasst einen ungewöhnlich transparenten, detaillierten Lohnvergleich. Das ist einigermassen erstaunlich, wenn man weiss, wie zurück­haltend Kantonsverwaltungen mit Lohnstatistiken umgehen.

2000 Franken mehr im Monat
Dass Bern insbesondere bei den Löhnen schlecht abschneidet, ist zwar nicht neu. Dennoch sind die Differenzen verblüffend gross. Das beginnt im Kindergarten, in dem Berner Lehrpersonen nach zehn Dienstjahren knapp 86 000 Franken im Jahr verdienen (Brutto). Um spürbar mehr zu ­erhalten, müssen sie nicht weit pendeln: Im Kanton Freiburg erhielten sie 10 000 Franken mehr, in Solothurn sogar 23 000 Franken (siehe Grafik). Noch grössere Lohnsprünge wären für frankofone Lehrpersonen im «Lehrerparadies» Genf möglich.
Ähnlich sieht es auf der Primarstufe aus. Hier sind in Bern schon die Anfangslöhne mit rund 73 500 Franken relativ tief, der Rückstand auf Freiburg zum Beispiel beträgt 3000 Franken. Nach zehn Berufsjahren hat sich dieser Abstand stark vergrössert, auf nunmehr 10 000 Franken. Wie im Kindergarten ist es auch für Lehrpersonen der Primarstufe am lukrativsten, eine Stelle in ­Solothurn zu suchen: Die Lohnerhöhung läge nach zehn Berufsjahren wiederum bei fast 2000 Franken im Monat.

Auf der Sekundarstufe, im Gymnasium sowie in der Berufsfachschule sind die Berner Löhne ebenfalls nicht oder kaum konkurrenzfähig. Die Rückstände auf Freiburg oder Solothurn liegen in einem ähnlichen Rahmen.

Allerdings zeigt der Vergleich deutlich, dass sich Solothurn für Bern kaum als Massstab eignet: Der Nachbarkanton bezahlt auffällig hohe Lehrerlöhne, obwohl seine Finanzkraft und das sonstige Lohnniveau klar unter dem Schweizer Durchschnitt ­liegen, gleich wie in Bern. Solothurn ist gegenüber den Lehrpersonen zum Teil sogar zahlungsfreudiger als wirtschaftlich starke Zentren wie ­Zürich, Basel und Genf.

Eine Folge der Sanierung
Das wird sich der Kanton Bern kaum leisten können und wollen. In der Tat hat die Aufholjagd, die Bern 2014 mit dem neuen ­Lehreranstellungsgesetz gestartet hat, bescheidenere Ziele. Die Ziellöhne, die Bern mittelfristig anstrebt, liegen gemäss den Vergleichen im Bericht vielfach knapp unter Freiburger Niveau.

Für die Berner Regierung steht fest, dass der Nachholbedarf nach wie vor gross ist. Sie nutzt den Bericht denn auch, um dies insbesondere dem Grossen Rat, der die Budgethoheit innehat, in Erin­nerung zu rufen. Auch wenn es ­finanziell bald wieder eng wird, will die Regierung weiterhin jedes Jahr mindestens 1,8 Prozent der Lohnsumme für Lohnaufbesserungen bereitstellen – nicht nur für die Lehrpersonen, sondern auch für das Staatspersonal.

So soll der Lohnrückstand mittelfristig verschwinden. Entstanden ist er, weil Bern zur Sanierung des Haushalts während etwa fünfzehn Jahren das Lohnwachstum einschränkte, während andere Kantone ihrem Personal Jahr für Jahr mehr auszahlten.
Berner Lehrpersonen können sich auch nicht damit trösten, dass sie eine speziell gute Pensionskasse haben. Vielmehr sei diese im Kantonsvergleich wohl «eher unterdurchschnittlich», so das vorsichtige Fazit der Regierung. Da ist es ein schwacher Trost, dass Bern zu den wenigen Kantonen gehört, die einen zehntägigen Vaterschaftsurlaub gewähren.



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