17. Mai 2016

Selbstherrliche Schulleitungen

Als der Aescher Schulleiter Carol Rietsch angefragt wurde, ob es stimme, dass er an der Sekundarschule Aesch seinen Schülern eine Stunde länger Schlaf gewähren werde und ihnen dafür sämtliche freien Nachmittage raube, war es ihm spürbar unwohl: Statt zu antworten, wollte er zuerst wissen, woher diese Information stamme. Sie war noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen. 
Die neuen Provinzfürsten, Basler Zeitung, 17.5. von Daniel Wahl


Mit diesem einsamen Entscheid im Kanton, der die Sekundarschule Aesch zur Zeitinsel in der Schullandschaft macht, wollte man Eltern und Schüler irgendwann vor den Sommerferien überraschen. Und das, obschon die Schulverordnung vorsieht, dass bei einschneidenden Veränderungen die Mitsprache von Schülern und Eltern gefordert ist. Die Schulleitung hat «ihre Kunden» aussen vor gelassen. «500 Eltern, 500 Meinungen», begründete Rietsch. Für Schüler wie Eltern heisst es nun: «Arrangez-vous». Wie sie das Aufstehen und Morgenessen neben dem Beruf oder den Sport für ihren Nachwuchs organisieren, darum muss sich die Schule ja nicht kümmern.

Das autokratische Vorgehen in Aesch ist nicht das einzige im Kanton, das befremdet. Bemerkenswert ist, dass die BaZ derzeit aus allen Schulprovinzen Meldungen über Schulleiter erhält, die wie Fürsten selbstherrlich Entscheide fällen und ihre Schulen in eigene Bahnen lenken. Hätte die Volksschule keine Monopolstellung, wäre das kein Problem, so aber sind Schüler und Eltern dem Eigenwillen der Schulleiter ausgeliefert.
Beispiel Pratteln: Unter Ausschluss eines öffentlichen Diskurses gestaltete der Sekundarschulleiter Thomas von Felten die Hälfte des Fröschmattschulhauses zu Lernlandschaften um. Als Pilotprojekt wurde diese Unterrichtsform im Kanton eingeführt.
Lernlandschaftsmodell ausweiten
Aber ohne die Resultate über den Erfolg dieses Modells abzuwarten, soll nun die Schule ganz zu Lernlandschaften umgepflügt und die bürokratische Form des selbstkontrollierten und doch ferngesteuerten Lernens eingeführt werden. Mit einem knappen im Mehrjahresplan «Schuljahre 2016/17 bis 2019/20» eingeschmuggelten Sätzchen hat er die Idee zum Fait accompli gemacht: «Zusätzliche Klassen auf Lernlandschaften umstellen». Im kürzlich erschienenen Interview verschleierte von Felten noch diese Absicht und stellte sogar die Einführung von Lernlandschaften als Entscheid des Lehrerkollegiums dar (Interview in der BaZ vom 2. Mai). Das treffe leider nicht zu, korrigieren Lehrer in Pratteln, nachdem sie das Interview gelesen hatten. Es war der Entscheid einiger weniger Von-Felten-Gefolgsleute; die anderen hatten sich danach zu richten oder sind nicht mit von der Partie. Selbstverständlich wird der Schulleiter darauf hinwirken, dass in Pratteln nur noch Lehrer angestellt werden, die seinen Lernmethoden gegenüber aufgeschlossen sind. Dagegen wird sich der Prattler Schulrat, der eigentliche Anstellungsbehörde ist, wohl auch nicht zur Wehr setzen.
Freiheiten im Umgang mit Geld
Auch in Muttenz wollten die Schulleiter mit dem Bau eines neuen Schulhauses gleich Lernlandschaften installieren. Die Pläne blieben geheim und wurden dann versenkt, weil das Schulhaus nicht neu gebaut wurde. Geblieben ist die Kritik an diesen «zwei Technokraten, die für ihre Schulentwicklungsträume und ihre persönlichen Coachings riesige Summen verschwendet haben», wie Lehrer aus Muttenz kritisieren. Sie sprechen gar von «Günstlingswirtschaft».

Noch harscher fällt das Urteil von Lehrern in Allschwil über ihre Vorgesetzten aus: Man hoffe, dass der intransparente Korruptionssumpf an der Sekundarschule Allschwil im Interesse des Steuerzahlers und des ehrlichen Staatsbürgers endlich trockengelegt wird. Angeprangert wird der Umgang mit Geld. Statt 24 Turnklassen würden 32 Miniklassen mit rund 15 Schülern geführt, nur um der Lobby der Turnlehrer gefallen zu können.
Eine besondere Freiheit im Umgang mit Finanzen scheinen wiederum die Schulleiter in Aesch zu geniessen. Lehrer in Aesch kritisieren, dass die Gelder, welche der Kanton für die obligatorische Weiterbildung gesprochen habe, nicht mehr vorhanden seien. Es handelt sich um 120 000 Franken, die dann in Stühle und Tische und Bänke investiert worden seien – ebenso für eine nette schulinterne Lehrerfortbildung in Bad Ramsach mit externen, teuren Moderatoren. Für die Weiterbildung im Rahmen von Passepartout fehlt nun das Geld.
Schulräte zu nahe an Schulleitung
Ob das die Idee war, als man ­Schulen eine Teilautonomie zugestand, die Schulinspektoren abzog und ­Schulleiter wie Geschäftsführer in der ­Wirtschaft installierte? Landrat und Start-up-­Unternehmer Paul Hofer (FDP) glaubt es nicht. Vor allem deswegen nicht, weil das der Wirtschaft abgeschaute Führungsmodell nicht konsequent umgesetzt worden ist. Die Schulräte, die wie Verwaltungsräte ihre Schulen zu kontrollieren und strategisch zu führen hätten, seien sich ihrer Rolle kaum bewusst, so Hofer. Das rühre daher, dass die Schulräte den Schulleitern in den ­Dörfern zu nahe stünden. «Statt wirklich zu führen, mischt man sich nur etwas ein, jeder redet ein bisschen mit, aber keiner trägt die Verantwortung. Und wenn eine Krise entsteht, machen sich alle aus dem Staub», so das Bild, das Hofer gewonnen hat. 

Bestätigt sieht er sich diesbezüglich im Fall Rünenberg. Dort hat die Schulleiterin Simone Grossenbacher eine befristet angestellte Lehrerin bereits für abgesetzt erklärt, noch bevor der Schulrat deren Bewerbungsdossier für den Verbleib an der Schule geprüft hatte. Offenbar bestimmen mancherorts die Schulleiter, wer angestellt wird. Der Schulrat als definierte Anstellungs­behörde gibt sich mit der Rolle des ­Ab­­nickergremiums zufrieden. In Muttenz könnte dies zutreffen: Dort ist der scheidende Schulleiter mit von Partie, wenn es um die Evaluation seines ­Nachfolgers geht. Der Profi-Schulleiter sagt dem Miliz-Schulrat also, wer geeignet ist und wer nicht. «Ein solches Vorgehen für die Besetzung einer Kaderstelle entspricht keineswegs einem ­Vorgehen in der Privatwirtschaft», erklärt Hofer.
Der Fisch stinkt vom Kopf
Nachdem Eltern in Rünenberg das Handeln der Schulleiterin, die übrigens seit zwei Jahren ohne Ausbildung ihr Amt ausüben und den Lohn beziehen darf, gerüffelt hat, ist es zum Eklat gekommen. Der gesamte Schulrat hat das Handtuch geworfen. Verblieben ist die vom Gemeinderat delegierte Rebecca Gröflin. Gegenüber der Presse ging man auf Tauchstation. So viel zum Thema Verantwortung.

«Dieses Beispiel zeigt das Führungsproblem, das generell im Baselbieter Bildungssektor herrscht», erklärt Hofer. Ein Indikator ist für ihn auch, dass der Name der obersten Chefin im neuesten Bildungsbericht kein einziges Mal erwähnt wird. Dort haben die Verwalter das Zepter übernommen und sagen, wie der Hase läuft.


Damit wird das Schulleiterproblem auch zum Führungsproblem von Regierungsrätin Monica Gschwind, ist Hofer überzeugt. Mit Bezug auf das eigenmächtige Vorgehen in Rünenberg und in Aesch wird sich die Bildungsdirektorin zu Fragen im Landrat äussern müssen. «Was gedenkt die Bildungsdirektorin zu tun, um die Schulleitungen in ihren Führungsaufgaben zu stärken oder besser auszubilden? Sollen in Zukunft Lehrpersonen aus der jeweiligen Schule zum Schulleiter gewählt werden dürfen? Sind Co-Schulleitungen sinnvoll? Ist es nicht so, dass in den jeweiligen Co-Leitungen niemand wirklich verantwortlich ist?», will Hofer von Gschwind wissen.

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