Als der Aescher Schulleiter Carol Rietsch
angefragt wurde, ob es stimme, dass er an der Sekundarschule Aesch seinen
Schülern eine Stunde länger Schlaf gewähren werde und ihnen dafür sämtliche
freien Nachmittage raube, war es ihm spürbar unwohl: Statt zu antworten, wollte
er zuerst wissen, woher diese Information stamme. Sie war noch nicht für die
Öffentlichkeit bestimmt gewesen.
Die neuen Provinzfürsten, Basler Zeitung, 17.5. von Daniel Wahl
Mit diesem einsamen
Entscheid im Kanton, der die Sekundarschule Aesch zur Zeitinsel in der
Schullandschaft macht, wollte man Eltern und Schüler irgendwann vor den
Sommerferien überraschen. Und das, obschon die Schulverordnung vorsieht, dass
bei einschneidenden Veränderungen die Mitsprache von Schülern und Eltern
gefordert ist. Die Schulleitung hat «ihre Kunden» aussen vor gelassen. «500
Eltern, 500 Meinungen», begründete Rietsch. Für Schüler wie Eltern heisst es
nun: «Arrangez-vous». Wie sie das Aufstehen und Morgenessen neben dem Beruf
oder den Sport für ihren Nachwuchs organisieren, darum muss sich die Schule ja
nicht kümmern.
Das autokratische Vorgehen
in Aesch ist nicht das einzige im Kanton, das befremdet. Bemerkenswert ist,
dass die BaZ derzeit aus allen Schulprovinzen Meldungen über Schulleiter
erhält, die wie Fürsten selbstherrlich Entscheide fällen und ihre Schulen in
eigene Bahnen lenken. Hätte die Volksschule keine Monopolstellung, wäre das
kein Problem, so aber sind Schüler und Eltern dem Eigenwillen der Schulleiter
ausgeliefert.
Beispiel Pratteln: Unter
Ausschluss eines öffentlichen Diskurses gestaltete der Sekundarschulleiter
Thomas von Felten die Hälfte des Fröschmattschulhauses zu Lernlandschaften um.
Als Pilotprojekt wurde diese Unterrichtsform im Kanton eingeführt.
Lernlandschaftsmodell
ausweiten
Aber ohne die Resultate
über den Erfolg dieses Modells abzuwarten, soll nun die Schule ganz zu
Lernlandschaften umgepflügt und die bürokratische Form des selbstkontrollierten
und doch ferngesteuerten Lernens eingeführt werden. Mit einem knappen im
Mehrjahresplan «Schuljahre 2016/17 bis 2019/20» eingeschmuggelten Sätzchen hat
er die Idee zum Fait accompli gemacht: «Zusätzliche Klassen auf
Lernlandschaften umstellen». Im kürzlich erschienenen Interview verschleierte
von Felten noch diese Absicht und stellte sogar die Einführung von
Lernlandschaften als Entscheid des Lehrerkollegiums dar (Interview in der BaZ
vom 2. Mai). Das treffe leider nicht zu, korrigieren Lehrer in Pratteln,
nachdem sie das Interview gelesen hatten. Es war der Entscheid einiger weniger
Von-Felten-Gefolgsleute; die anderen hatten sich danach zu richten oder sind
nicht mit von der Partie. Selbstverständlich wird der Schulleiter darauf
hinwirken, dass in Pratteln nur noch Lehrer angestellt werden, die seinen
Lernmethoden gegenüber aufgeschlossen sind. Dagegen wird sich der Prattler
Schulrat, der eigentliche Anstellungsbehörde ist, wohl auch nicht zur Wehr
setzen.
Freiheiten im Umgang mit
Geld
Auch in Muttenz wollten
die Schulleiter mit dem Bau eines neuen Schulhauses gleich Lernlandschaften
installieren. Die Pläne blieben geheim und wurden dann versenkt, weil das
Schulhaus nicht neu gebaut wurde. Geblieben ist die Kritik an diesen «zwei
Technokraten, die für ihre Schulentwicklungsträume und ihre persönlichen
Coachings riesige Summen verschwendet haben», wie Lehrer aus Muttenz
kritisieren. Sie sprechen gar von «Günstlingswirtschaft».
Noch harscher fällt das
Urteil von Lehrern in Allschwil über ihre Vorgesetzten aus: Man hoffe, dass der
intransparente Korruptionssumpf an der Sekundarschule Allschwil im Interesse
des Steuerzahlers und des ehrlichen Staatsbürgers endlich trockengelegt wird.
Angeprangert wird der Umgang mit Geld. Statt 24 Turnklassen würden 32
Miniklassen mit rund 15 Schülern geführt, nur um der Lobby der Turnlehrer
gefallen zu können.
Eine besondere Freiheit im
Umgang mit Finanzen scheinen wiederum die Schulleiter in Aesch zu geniessen.
Lehrer in Aesch kritisieren, dass die Gelder, welche der Kanton für die
obligatorische Weiterbildung gesprochen habe, nicht mehr vorhanden seien. Es
handelt sich um 120 000 Franken, die dann in Stühle und Tische und Bänke
investiert worden seien – ebenso für eine nette schulinterne
Lehrerfortbildung in Bad Ramsach mit externen, teuren Moderatoren. Für die
Weiterbildung im Rahmen von Passepartout fehlt nun das Geld.
Schulräte zu nahe an
Schulleitung
Ob das die Idee war, als
man Schulen eine Teilautonomie zugestand, die Schulinspektoren abzog und Schulleiter
wie Geschäftsführer in der Wirtschaft installierte? Landrat und Start-up-Unternehmer
Paul Hofer (FDP) glaubt es nicht. Vor allem deswegen nicht, weil das der
Wirtschaft abgeschaute Führungsmodell nicht konsequent umgesetzt worden ist.
Die Schulräte, die wie Verwaltungsräte ihre Schulen zu kontrollieren und
strategisch zu führen hätten, seien sich ihrer Rolle kaum bewusst, so Hofer.
Das rühre daher, dass die Schulräte den Schulleitern in den Dörfern zu nahe
stünden. «Statt wirklich zu führen, mischt man sich nur etwas ein, jeder redet
ein bisschen mit, aber keiner trägt die Verantwortung. Und wenn eine Krise
entsteht, machen sich alle aus dem Staub», so das Bild, das Hofer gewonnen hat.
Bestätigt sieht er sich
diesbezüglich im Fall Rünenberg. Dort hat die Schulleiterin Simone
Grossenbacher eine befristet angestellte Lehrerin bereits für abgesetzt
erklärt, noch bevor der Schulrat deren Bewerbungsdossier für den Verbleib an
der Schule geprüft hatte. Offenbar bestimmen mancherorts die Schulleiter, wer
angestellt wird. Der Schulrat als definierte Anstellungsbehörde gibt sich mit
der Rolle des Abnickergremiums zufrieden. In Muttenz könnte dies zutreffen:
Dort ist der scheidende Schulleiter mit von Partie, wenn es um die Evaluation
seines Nachfolgers geht. Der Profi-Schulleiter sagt dem Miliz-Schulrat also,
wer geeignet ist und wer nicht. «Ein solches Vorgehen für die Besetzung einer
Kaderstelle entspricht keineswegs einem Vorgehen in der Privatwirtschaft»,
erklärt Hofer.
Der Fisch stinkt vom Kopf
Nachdem Eltern in
Rünenberg das Handeln der Schulleiterin, die übrigens seit zwei Jahren ohne
Ausbildung ihr Amt ausüben und den Lohn beziehen darf, gerüffelt hat, ist es
zum Eklat gekommen. Der gesamte Schulrat hat das Handtuch geworfen. Verblieben
ist die vom Gemeinderat delegierte Rebecca Gröflin. Gegenüber der Presse ging
man auf Tauchstation. So viel zum Thema Verantwortung.
«Dieses Beispiel zeigt das
Führungsproblem, das generell im Baselbieter Bildungssektor herrscht», erklärt
Hofer. Ein Indikator ist für ihn auch, dass der Name der obersten Chefin im
neuesten Bildungsbericht kein einziges Mal erwähnt wird. Dort haben die
Verwalter das Zepter übernommen und sagen, wie der Hase läuft.
Damit wird das
Schulleiterproblem auch zum Führungsproblem von Regierungsrätin Monica
Gschwind, ist Hofer überzeugt. Mit Bezug auf das eigenmächtige Vorgehen in
Rünenberg und in Aesch wird sich die Bildungsdirektorin zu Fragen im Landrat
äussern müssen. «Was gedenkt die Bildungsdirektorin zu tun, um die
Schulleitungen in ihren Führungsaufgaben zu stärken oder besser auszubilden?
Sollen in Zukunft Lehrpersonen aus der jeweiligen Schule zum Schulleiter
gewählt werden dürfen? Sind Co-Schulleitungen sinnvoll? Ist es nicht so, dass
in den jeweiligen Co-Leitungen niemand wirklich verantwortlich ist?», will
Hofer von Gschwind wissen.
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