Primarwahlfächer und ehrgeizige Eltern, Bild: Mamablog Tages Anzeiger
Frühlernen als Vorteil, Basler Zeitung, 20.10. von Urs Kalberer
Die Sprachenstrategie der
Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) aus dem
Jahr 2004 sieht vor, dass bereits an der Primarschule zwei Fremdsprachen
gelehrt werden. Die beiden Primarfremdsprachen sind auch Bestandteil von Harmos
und des Lehrplans 21. In der Zwischenzeit werden von verschiedenen Seiten
ernsthafte Zweifel am Sinn des frühen Fremdsprachenunterrichts geäussert. Aus
wissenschaftlicher Sicht konnten die Vorteile des frühen Sprachenlernens nie
nachgewiesen werden. Nun zweifeln auch immer mehr Lehrkräfte und Eltern
aufgrund der gemachten Erfahrungen am Sinn dieses Experiments.
Mit seinem Wahlfach-Vorschlag übt der LCH den
Spagat zwischen seiner Basis und den Erziehungsdirektoren und versucht
angesichts der wachsenden Kritik zu retten, was noch zu retten ist. Dabei
vergisst die Lehrerorganisation auch ihre eigenen «Gelingensbedingungen» zum Fremdsprachenunterricht,
die sie zur Beruhigung der Mitglieder jeweils hervorzaubert. Das
Wahlfach-Modell für Englisch in der Primarschule überrascht aber in erster
Linie wegen seines unausgereiften Konzepts, das neben vielen Risiken auch
Kosten nach sich ziehen würde.
Mit der LCH-Forderung werden erstens die
Weichen für die spätere Schulkarriere an der Sekundarstufe viel zu früh
gestellt. Die Teilnahme am Wahlfach Englisch wird verständlicherweise als
Grundlage für den späteren Selektionsprozess interpretiert. Der Druck, am
Wahlfach teilzunehmen, wird besonders für weniger Sprachbegabte zu einer Last
werden. Zweitens entscheiden ja nicht die Lehrkräfte über den Besuch des Wahlpflichtfaches,
sondern die Kinder und besonders deren Eltern. Falscher Ehrgeiz der Eltern wird
dazu führen, dass genau das eintritt, was man vermeiden wollte: überforderte
Kinder. Doch da es sich um ein Wahlfach handelt, dürfen auch schwache
Schülerinnen und Schüler nicht ausgeschlossen werden. Die Folge davon wird ein
Unterricht sein, der sich aufgrund der grossen Heterogenität gar nicht so stark
vom jetzigen unterscheidet.
Ein Wahlfach Englisch würde ausserdem an der
Sekundarschule zu einer problematischen Zerstückelung des Klassengefüges
führen. Es müssten nämlich sowohl die Klassen mit Grundanforderungen als auch
jene mit erweiterten Anforderungen in separierte Gruppen (mit und ohne Primarenglisch)
unterteilt werden. An kleineren und mittleren Schulen wäre diese Unterteilung
nicht nur kaum durchführbar, sie führte auch zu unverhältnismässigen
Mehrkosten.
Ungeachtet der
wissenschaftlichen Evidenz, die dem frühen schulischen Fremdsprachenlernen
wenig Erfolgschancen zuspricht, löst der Wahlfach-Vorschlag keine Probleme. Er
schafft im Gegenteil viele neue. Letztlich handelt es sich dabei um ein teures
Rückzugsgefecht einer aus den Fugen geratenen Sprachenförderung.
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