Individuell empfundenes Glück, das wir als langanhaltende Zufriedenheit empfinden, wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus: Die Forschung zeigt, dass glückliche Menschen produktiver und kreativer sind, sie werden seltener krank und haben eine höhere Lebenserwartung.
«Es geht aber nicht darum, nur positive Emotionen zu haben und alle
negativen Emotionen wegzudrücken, es geht vielmehr um einen Gleichklang. Die
positive Psychologie will ganzheitliches Wohlbefinden fördern» sagt Psychologe
Tobias Rahn vom Institut für pädagogische Psychologie an der Universität
Braunschweig.
Wie man Glück lernt, am besten schon als Kind, Schweizer Illustrierte, 20.2.
Glück ist also kein Zufall, sondern erlernbar. In einer Gesellschaft, in
der depressive Erkrankungen immer weiter um sich greifen, macht es Sinn,
bereits Kindern die Werkzeuge mit auf den Weg zu geben, um ihr eigenes Glück zu
finden.
Das Schulfach Glück ist in der Schweiz angekommen
Zum Beispiel, indem man Glück als Unterrichtsfach in den Lehrplan aufnimmt. Das Schulfach Glück steckt noch in den Kinderschuhen. Erst seit wenigen Jahren hört man immer wieder davon, dass Kinder irgendwo auf dieser Welt in Glück unterrichtet werden. Studien belegen, wie positiv sich der Glücksunterricht aufs kindliche Wohlbefinden und die Persönlichkeitsentwicklung auswirkt. Kurz: Man hat schon davon gehört – aber es ist alles so weit weg.
Dabei gibt es das Fach Glück auch in der Schweiz. Es wird an noch sehr
wenigen Schulen unterrichtet – oder zumindest als Element in den regulären
Unterricht integriert. Sekundarlehrerin Lucia Miggiano hat den Glücksunterricht
ins Land gebracht. Als Lehrperson und Ausbildnerin.
Im Interview erklärt uns eine sehr fröhlich wirkende Frau am Telefon, weswegen Glück in den Stundenplan gehört.
Lucia Miggiano, was ist Glück?
Im Deutschen haben
wir zwei Begriffe in einem. Wir sprechen von Glück als Zufallsglück, also zum
Beispiel beim Würfeln. Darauf haben wir keinen Einfluss. Was wir beeinflussen
können ist das andere Glück: unsere Lebenszufriedenheit. Dieses Glück ist
individuell, wie ein Massanzug.
Im
Schulfach Glück lernen Kinder also, ihre eigene Zufriedenheit zu schneidern?
Genau. Es geht darum, den Kindern Werkzeuge mit auf den Weg zu geben, damit sie
die Fähigkeit entwickeln, sich selber immer wieder aufzurichten und mit den
Dingen, die passieren, einen positiven Umgang zu finden. Es geht also darum,
dass Kinder Resilienz entwickeln.
Weswegen
gehört Glück als Unterrichtsfach in die Schule? Ist es nicht Aufgabe des
Elternhauses, ihre Kinder zu glücklichen Menschen zu erziehen?
Die Persönlichkeitsentwicklung findet nicht nur in einem Bereich statt.
Elternhaus und Schule lassen sich nicht voneinander trennen, sie spielen
ineinander. Und das Glück der Kinder obliegt nicht den Eltern allein. Es ist
ein gesellschaftsrelevantes Thema. Die Schule kann sich diesbezüglich nicht
verschliessen.
Wie genau sieht eine Lektion Glück denn aus?
Am besten ist es eine Doppellektion pro Woche. Glück kann nicht einmalig
unterrichtet werden, es ist ein lebenslanges Lernen, mit dem man sich auch nach
der Schule immer wieder auseinandersetzen kann. Der klassische Glücksunterricht
in der Schule besteht aus einem Thema und Übungen dazu. Ein Beispielthema wäre:
Was kann ich. Die SchülerInnen reflektieren über die eigenen Fähigkeiten. Aber
das Schulfach Glück ist nicht immer nur easy. Man hinterfragt und offenbart
sich. Das ist anstrengend und trägt manchmal auch eine Verarbeitungsphase nach
sich.
An wie vielen Schule in der Schweiz wird Glück unterrichtet.
Es gibt 90 Personen in der Schweiz, die die Ausbildung zur Glückslehrperson
gemacht haben. Darunter Spitalclowns, ZirkusartistInnen, TrainerInnen. Etwa die
Hälfte sind Lehrpersonen. Ich gehe davon aus, dass um die 45 oder 50 das
Schulfach Glück unterrichten oder einfliessen lassen.
Das sind nicht gerade viele.
In der Schweiz ist die Thematik noch nicht verankert. Es kommen erst nach und
nach Anfragen von Schulleitungen zu mir. Wir sind in einer Phase, in der es
darum geht, das Fach Glück zu etablieren. Oft ist das Thema jedoch bereits
Bestandteil von Fächern, die sich mit Religion, Ethik und Sozialem befassen.
Profitiert
die Schule in der Fachvermittlung vom Glücksunterricht?
Natürlich. Wird das Fach Glück unterrichtet, wirkt sich dies auf die anderen
Fächer aus. Wenn man sich wohlfühlt, lernt man wesentlich leichter. Ich kenne
eine Primarlehrerin, die immer wieder Glückslektionen in den Unterricht
eingebaut hat. Ihre Klassen gehörten bei den kantonalen Checks, die regelmässig
durchgeführt werden, immer zum oberen Durchschnitt.
Welchen ganz einfachen Tipp können Sie Eltern geben, um das Glück
ihrer Kinder zu fördern?
Im Alltag immer wieder mal stehen bleiben und den eigenen Kindern sagen, dass
man sie gern hat. Dadurch spürt das Kind, dass es gewollt ist. Auch wenn der
Alltag in der Familie nicht immer nur harmonisch abläuft, kann es dadurch Kraft
schöpfen.
Lucia Miggiano
Gründerin der Plattform remaking.ch hat
als Mutter, Dolmetscherin, Bankerin und Airhostess Lebenserfahrungen gesammelt,
ehe sie Lehrerin wurde. Sie unterrichtet das Schulfach Glück und bildet
interessierte Lehrpersonen in der Glücks-Vermittlung aus.
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