1. März 2019

Dank LIFT der Berufswahl näher


Sabrina Fahrni hatte auf die Frage, was sie später einmal werden möchte, lange nur ein ratloses Schulterzucken übrig: Wäre Köchin was für sie? Oder doch Erzieherin? Detailhandel? «Der Druck auf die Jugendlichen nimmt zu. Viele haben Angst, wenn sie an ihre berufliche Zukunft denken», sagt Sabrinas Klassenlehrer Robin Burri.
Früh ins Berufsleben eingestiegen: Diese 14-Jährige arbeitet bereits in der Migros, Luzerner Zeitung, 26.2. von Larissa Haas


Diese Beobachtung bestätigen auch die Statistiken: Laut Mario von Cranach, Initiant des Jugendprojekts LIFT, machen in der Schweiz jährlich etwa 80'000 Jugendliche einen Schulabschluss. Und 8 bis 12 Prozent finden danach keinen Anschluss. Genau aus diesem Grund hat von Cranach vor 13 Jahren LIFT lanciert. Das Rezept ist simpel: Schülerinnen und Schüler ab der 7. Klasse arbeiten neben dem Unterricht regelmässig in einem Betrieb in ihrer Heimatregion und lernen dabei die Berufswelt kennen.

Berufliche und persönliche Fortschritte
Als Sabrina zum ersten Mal von LIFT hörte, fand sie das Projekt nicht so spannend. «Aber je mehr ich davon erfuhr, desto motivierter wurde ich», sagt sie. Heute hat sie als LIFT-Teilnehmerin bereits in einer Kinderkrippe gearbeitet, dann als Köchin, und nun hilft sie jeweils am Mittwochnachmittag zwischen 13 und 17 Uhr in der Migrosfiliale Hofmatt aus.
Filialleiter Gerry Christen sieht in LIFT etliche Vorteile. Deshalb willigte er letztes Frühjahr auf eine Kooperationsanfrage der Schule Kriens sofort ein. So biete die Migros regelmässig LIFT-Plätze an und nehme damit ihre soziale Verantwortung wahr, Jugendlichen einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu bieten, sagt er. Ausserdem könne er dadurch «junge Talente» entdecken, weil die LIFT-Einsätze intensiver seien als etwa eine Schnupperlehre:
«Sabrina erledigt fast die gleichen Arbeiten wie unsere Festangestellten, sie wird in ein Team integriert und alle zählen auf sie.»

Robin Burri kann das bestätigen. Er sagt, dass sich seine Schülerinnen und Schüler mit LIFT persönlich weiterentwickelt haben, etwa mehr Durchhaltewillen zeigen: «In den ersten Wochen redeten viele davon, das Projekt abzubrechen. Die Teilnehmenden mussten lernen, diese Sache durchzuziehen. Schliesslich haben einige ihren Einsatz sogar verlängert.» Sabrina ist eine von ihnen: Sie hat die Arbeit in der Migros so «gefeiert», dass sie sich nun vorstellen kann, dort eine Lehre zu absolvieren.

Raus aus der «Negativspirale»
Wenn Burri sagt, Sabrina sei mit LIFT resistenter geworden, schüttelt sie den Kopf. Ihr scheint dies nicht sonderlich aufgefallen zu sein. Wohl aber die Tatsache, dass sie offener wurde und sich nun traue, Dinge zu hinterfragen. «Ausserdem», fährt sie fort, «weiss ich nun, was wichtig ist, um beim Arbeitgeber einen guten Eindruck zu hinterlassen.»
Weshalb ausgerechnet Sabrina, und mit ihr neun weitere Gleichaltrige, Teil von LIFT wurden, hat vielfältige Gründe. LIFT wurde initiiert, um junge Menschen mit einer «erschwerten Ausgangslage» zu unterstützen. Diese kann viele Formen annehmen: In Sabrinas Fall ist es etwa die Ratlosigkeit vor der beruflichen Zukunft. Anderen wiederum fehlte schlicht die Motivation. «Wir reden hier von den klassischen ‹Schulablöschern›», sagt Burri.

Statt sich einen Freitagnachmittag zu langweilen und schlechte Noten zu schreiben, sei es manchmal sinnvoller, in einem Betrieb selbst Hand anzulegen. Die LIFT-Einsätze erfolgen dabei auf freiwilliger Basis. Auf die Frage, ob sie da überhaupt motiviert sei, winkt die 14-Jährige ab:"In der Sonne sitzen kann ich, wenn ich alt bin. Jetzt muss ich Erfahrungen sammeln!»
Burri schmunzelt. Genau das dürfte es sein, was er mit «Durchhaltewillen» meint.

Beidseitige Entlastung
Das LIFT-Projekt soll in Kriens noch weiter ausgebaut werden, mit dem Ziel, das Gewerbe stärker miteinzubeziehen, erklärt Burri: «LIFT steht und fällt mit den Betrieben.» Es gebe momentan mehr Jugendliche, die am Projekt interessiert seien, als Geschäfte, die einen Arbeitsplatz bereitstellen.

Nun gehe es darum, noch mehr Betriebe mit ins Boot zu holen. Wenn dies geschafft ist, sieht Burri im Projekt nicht nur für seine Schüler, sondern auch für sich eine Entlastung: «LIFT bereitet die Jugendlichen auf die Berufswelt vor, und ich habe die Gewissheit, dass ich sie nach der obligatorischen Schulzeit mit gutem Gewissen in die Welt entlassen kann.»

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