Sabrina Fahrni hatte auf die Frage, was sie später einmal werden möchte,
lange nur ein ratloses Schulterzucken übrig: Wäre Köchin was für sie? Oder doch
Erzieherin? Detailhandel? «Der Druck auf die Jugendlichen nimmt zu. Viele haben
Angst, wenn sie an ihre berufliche Zukunft denken», sagt Sabrinas Klassenlehrer
Robin Burri.
Früh ins Berufsleben eingestiegen: Diese 14-Jährige arbeitet bereits in der Migros, Luzerner Zeitung, 26.2. von Larissa Haas
Diese Beobachtung bestätigen auch die Statistiken: Laut Mario von
Cranach, Initiant des Jugendprojekts LIFT, machen in der Schweiz jährlich etwa
80'000 Jugendliche einen Schulabschluss. Und 8 bis 12 Prozent finden danach
keinen Anschluss. Genau aus diesem Grund hat von Cranach vor 13 Jahren LIFT
lanciert. Das Rezept ist simpel: Schülerinnen und Schüler ab der 7. Klasse
arbeiten neben dem Unterricht regelmässig in einem Betrieb in ihrer
Heimatregion und lernen dabei die Berufswelt kennen.
Berufliche und persönliche
Fortschritte
Als Sabrina zum ersten Mal von LIFT hörte, fand sie das Projekt nicht so
spannend. «Aber je mehr ich davon erfuhr, desto motivierter wurde ich», sagt
sie. Heute hat sie als LIFT-Teilnehmerin bereits in einer Kinderkrippe
gearbeitet, dann als Köchin, und nun hilft sie jeweils am Mittwochnachmittag
zwischen 13 und 17 Uhr in der Migrosfiliale Hofmatt aus.
Filialleiter Gerry Christen sieht in LIFT etliche Vorteile. Deshalb
willigte er letztes Frühjahr auf eine Kooperationsanfrage der Schule Kriens
sofort ein. So biete die Migros regelmässig LIFT-Plätze an und nehme damit ihre
soziale Verantwortung wahr, Jugendlichen einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu
bieten, sagt er. Ausserdem könne er dadurch «junge Talente» entdecken, weil die
LIFT-Einsätze intensiver seien als etwa eine Schnupperlehre:
«Sabrina erledigt fast die gleichen Arbeiten wie
unsere Festangestellten, sie wird in ein Team integriert und alle zählen auf
sie.»
Robin Burri kann das bestätigen. Er sagt, dass sich seine Schülerinnen
und Schüler mit LIFT persönlich weiterentwickelt haben, etwa mehr
Durchhaltewillen zeigen: «In den ersten Wochen redeten viele davon, das Projekt
abzubrechen. Die Teilnehmenden mussten lernen, diese Sache durchzuziehen.
Schliesslich haben einige ihren Einsatz sogar verlängert.» Sabrina ist eine von
ihnen: Sie hat die Arbeit in der Migros so «gefeiert», dass sie sich nun
vorstellen kann, dort eine Lehre zu absolvieren.
Raus aus der «Negativspirale»
Wenn Burri sagt, Sabrina sei mit LIFT resistenter geworden, schüttelt
sie den Kopf. Ihr scheint dies nicht sonderlich aufgefallen zu sein. Wohl aber
die Tatsache, dass sie offener wurde und sich nun traue, Dinge zu hinterfragen.
«Ausserdem», fährt sie fort, «weiss ich nun, was wichtig ist, um beim
Arbeitgeber einen guten Eindruck zu hinterlassen.»
Weshalb ausgerechnet Sabrina, und mit ihr neun weitere Gleichaltrige,
Teil von LIFT wurden, hat vielfältige Gründe. LIFT wurde initiiert, um junge
Menschen mit einer «erschwerten Ausgangslage» zu unterstützen. Diese kann viele
Formen annehmen: In Sabrinas Fall ist es etwa die Ratlosigkeit vor der
beruflichen Zukunft. Anderen wiederum fehlte schlicht die Motivation. «Wir
reden hier von den klassischen ‹Schulablöschern›», sagt Burri.
Statt sich einen Freitagnachmittag zu langweilen und schlechte Noten zu
schreiben, sei es manchmal sinnvoller, in einem Betrieb selbst Hand anzulegen.
Die LIFT-Einsätze erfolgen dabei auf freiwilliger Basis. Auf die Frage, ob sie
da überhaupt motiviert sei, winkt die 14-Jährige ab:"In der Sonne sitzen kann ich, wenn ich alt bin.
Jetzt muss ich Erfahrungen sammeln!»
Burri schmunzelt. Genau das dürfte es sein, was er mit
«Durchhaltewillen» meint.
Beidseitige Entlastung
Das LIFT-Projekt soll in Kriens noch weiter ausgebaut werden, mit dem
Ziel, das Gewerbe stärker miteinzubeziehen, erklärt Burri: «LIFT steht und
fällt mit den Betrieben.» Es gebe momentan mehr Jugendliche, die am Projekt
interessiert seien, als Geschäfte, die einen Arbeitsplatz bereitstellen.
Nun gehe es darum, noch mehr Betriebe mit ins Boot zu holen. Wenn dies
geschafft ist, sieht Burri im Projekt nicht nur für seine Schüler, sondern auch
für sich eine Entlastung: «LIFT bereitet die Jugendlichen auf die Berufswelt
vor, und ich habe die Gewissheit, dass ich sie nach der obligatorischen
Schulzeit mit gutem Gewissen in die Welt entlassen kann.»
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