Wären da keine Studentinnen und Studenten, die bereits während ihrer
Ausbildung unterrichten würden, der Lehrermangel im Kanton Bern wäre kaum zu
bewältigen. An der gestrigen Medienkonferenz zum Thema wurde klar, dass deren
Beitrag weit höher ist, als die paar Noteinsätze zum Schuljahresbeginn. Von den
angehenden Oberstufenlehrern sind im Bachelor-Studium 40 Prozent, im Master
bereits 90 Prozent als Teilpensenlehrer angestellt. Dies zeigt eine kürzlich
gemachte Umfrage der Pädagogischen Hochschule Bern (PH Bern), wie Daniel
Steiner ausführte. Dazu kommen die erwähnten Einsätze: Im ersten Semester
füllten 30 Studierende die Lücke von 20 Stellen, im zweiten Semester sind es
etwas weniger.
Noch mehr Studierende in Berner Schulstuben, Bund, 28.2.
Es bleibt vorläufig «prekär»
Erziehungsdirektorin Christine Häsler (Grüne) geht davon aus, dass auch
das nächste Schuljahr zur Herausforderung wird. Die Situation sei «prekär».
Dies obwohl an der PH Bern der Zuspruch zur Lehrerausbildung laufend steigt.
Doch gleichzeitig springen viele ab, vor allem altershalber, sagte Häsler.
Viele Lehrpersonen kämen ins Pensionsalter. Weil gleichzeitig die Zahl der
Schüler steigt und der neue Lehrplan 21 eine Erhöhung der Lektionen mit sich
bringt, spitzt sich die Situation zu.
Zur Linderung der Notlage hätten viele Lehrpersonen ihre Pensen erhöht,
lobt Häsler. Doch es braucht weitere Massnahmen: Neu sollen Lehrer mehr als 100
Prozent arbeiten können, wenn sie dies wollen. Zudem ist die
Erziehungsdirektion gegenwärtig daran, einen Pool von pensionierten Lehrkräften
für kurzfristige Einsätze zusammenzustellen. Von 950 kürzlich angeschriebenen
Personen stellten sich bereits 44 dafür zur Verfügung. Sollte dies nicht
ausreichen, könnte in einer akuten Phase laut Häsler auch das fakultative
Angebot der Schule reduziert werden.
Eine weitere Möglichkeit wäre, Klassen zusammenzulegen. Der provokativen
Aufforderung des Berufsverbands Bildung Bern, Pflichtlektionen ausfallen zu
lassen, wenn kein adäquat ausgebildetes Personal verfügbar sei, erteilte Häsler
eine Absage. Es wäre schlimm, wenn Kinder nicht den Genuss des ihnen
zustehenden Unterrichts kämen.
Die 1000-Franken-Lücke
Damit Notlagen ausbleiben, startet die PH Bern nun einen Pilotversuch.
20 angehende Unter- und Mittelstufenlehrer sollen den letzten Teil ihrer
Ausbildung in zwei Jahren absolvieren können statt in einem Jahr. Dafür werden
sie bereits unterrichten. In dieser Zeit werden sie von der PH Bern und von
einem Mentor aus der Schule betreut. Daniel Steiner ist überzeugt, dass sich so
gleich zwei Bedürfnisse befriedigen lassen. Einerseits erleichtere es den
Studierenden den Berufseinstieg, anderseits könne so der Lehrermangel weiter
gemildert werden.
Der Leiter des Instituts für Vorschule und Primarstufe liess es sich
nicht nehmen, auf die ungenügenden Rahmenbedingungen für die bernischen
Lehrpersonen hinzuweisen. Es falle nämlich auf, dass Studierende nicht nur in abgelegenen
Regionen sondern «überdurchschnittlich häufig» an der Kantonsgrenze zu
Solothurn Lücken füllen müssten. Die Begründung wollte er nicht selber liefern,
das tat dann Anna-Katharina Zenger von Bildung Bern auf Anfrage:
«Primarlehrerinnen und -lehrer verdienen im Kanton Bern bis zu 1000 Franken
weniger als im Nachbarkanton», sagte sie. Man habe nun lange genug Ausreden
gehört aus der Politik. Nun müsse sich endlich etwas ändern.
Erziehungsdirektorin Häsler anerkennt grundsätzlich das Problem, wie sie
am Rande der Medienkonferenz ausführte, rasche Abhilfe konnte sie aber nicht in
Aussicht stellen. Der Kanton sei jedoch seit Jahren daran, die
Rahmenbedingungen zu verbessern: Seit 2014 gibt es wieder eine geregelte
Lohnentwicklung, bei Kindergärtnerinnen und Schulleitung wurde der Lohn
angehoben. Bei Überlastung verschaffen von anderen übernommenen SOS-Lektionen
der betroffenen Lehrkraft etwas Luft.
Gescheiterter Versuch
Mittlerweile hat der Berufsverband seine Forderung für konkurrenzfähige
Löhne bei der Finanzdirektion deponiert. Mit ungewissen Erfolgsaussichten
allerdings: Im vergangenen Jahr lief Häslers Vorgänger Bernhard Pulver in der
bürgerlich dominierten Regierung noch auf. Kommuniziert wurde dieser Entscheid
nie.
Umgekehrt gibt es auch positive Anzeichen für die Attraktivität des
Berufs. Nicht nur die Ausbildung erfreut sich eines hohen Zuspruchs. Laut
Daniel Steiner unterrichten auch fünf Jahre nach dem Abschluss noch 80 Prozent
der jungen Lehrerinnen und Lehrer. Einig ist man sich darin, dass dieser Anteil
weiter erhöht werden muss. Christine Häsler will darauf hinwirken, dass
möglichst viele der über 13000 Lehrpersonen der Volksschule «möglichst lange
motiviert und engagiert» im Job bleiben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen