Als
erster Schweizer Kanton will Baselland jeden Sekundarschüler mit einem eigenen
iPad oder Laptop ausstatten. Lehrer fürchten, dass die Geräte vom Unterricht
ablenken.
Als Pionierkanton konnte sich der Kanton Baselland
in den vergangenen Jahren im Bildungswesen nicht hervortun. Dazu fehlte der
Geist – und das Geld. Nun aber prescht die Baselbieter Bildungs-, Kultur- und
Sportdirektion (BKSD) vor:
Bis in wenigen Jahren sollen sämtliche
Sekundarschüler im Kanton mit eigenen Laptops oder iPads ausgestattet werden.
In diesem Kanton soll jeder Sekundarschüler gratis einen Laptop erhalten, Schweiz am Wochenende, 24.9. von Leif Simonsen
Bisher sind in der Schweiz erst
einzelne Gemeinden dazu übergegangen, den Schülern individuelle Laptops und
Computer zu finanzieren.
Für das «One 2 one» genannte Projekt sei das
Baselbiet nun aber bereit, ist Christoph Straumann überzeugt. Der IT-Chef der
BKSD sagt: «Alle Sekundarschulen sind mittlerweile ans Glasfasernetz angeschlossen.
Zudem verfügen ab dem laufenden Schuljahr praktisch alle Schulräume an
kantonalen Schulen über einen WLAN-Zugang.»
Zunächst will Baselland
im Rahmen eines Pilotprojekts an verschiedenen Sekundarschulstandorten
Erfahrungen sammeln. Nach
den Herbstferien sollen an sechs Schulen über 13 Klassen rund 350 Geräte
verteilt werden. Mehr will Straumann nicht dazu sagen. Er möchte nicht, dass
die betroffenen Lehrer und Schüler davon aus den Medien erfahren.
Es geht um Grundsätzliches. Sollen alle
Sekundarschüler einen eigenen Laptop oder einen eigenen Tablet-Computer
bekommen? Das ist eine sensible Frage, die derzeit in Lehrerkreisen intensiv
diskutiert wird. Zum einen gibt es pädagogische Bedenken.
Befürchtung:
kaum «bildschirmlose» Abende mehr
Philipp Loretz, Geschäftsleitungsmitglied im
Lehrerverein Baselland, äusserte sich jüngst in der Verbandszeitschrift «LVB
Inform» nicht nur wohlwollend. «Nicht nur jene Eltern, die dem Wisch- und
Tippzeitalter generell kritisch gegenüberstehen, dürften Mühe haben, wenn
ihnen die Schule noch mehr ICT-Geräte ‹bescherte› und verlangte, dass diese
auch zuhause intensiv genutzt werden», schreibt er. Bildschirmlose Abende oder
gar Ferien, die von Experten empfohlen würden, seien nur noch «schwer
organisierbar».
Der Aescher Englisch-Lehrer liess sich davon in
einem Lernexperiment selbst vergewissern. Die Schüler testeten zehn Tage, wie
es ist, ohne Smartphone zu lernen. Die Erkenntnis: «Die meisten Schülerinnen
und Schüler räumten ein, dass es ihnen nur selten gelungen war, ihr
Smartphone in einen anderen Raum zu legen.»
Beat Zemp beurteilt das Baselbieter
Pilotprojekt letztlich aber positiv. Der Präsident des schweizerischen
Lehrerdachverbands ist der Meinung, dass es «das Ende der Volksschule» wäre,
die Augen vor der Digitalisierung zu verschliessen.
In pädagogischer Hinsicht biete die Ausstattung
der einzelnen Schüler mit Laptops und iPads grosse Vorteile. Es erlaube die
Vermittlung des Unterrichtsstoffs in unterschiedlichen Geschwindigkeiten:
«Damit kommt man weg von der
Vorwärts-Marsch-Systematik. Mit der digitalen Erfassung des Lernprozesses ist
es für Lehrpersonen einfacher zu sehen, wie gross der Lernfortschritt bei
jedem Schüler ist.» Beat Zemp, Präsident LCH
800'000
Franken pro Jahr
Wann «One 2 one» umgesetzt wird und alle
Baselbieter Sekundarschüler ihr eigenes Gerät bekommen, ist unklar. «Dies
hängt von den Erfahrungen im Pilotprojekt ab», sagt Christoph Straumann.
Er erhofft sich nicht nur Erkenntnisse über die
pädagogischen Herausforderungen, sondern auch über die technischen.
Schliesslich ist es mit der Bereitstellung der Geräte nicht getan. Und selbst
wenn die Geräte künftig zentral aufgesetzt und aufdatiert werden, braucht es
fachkundige Lehrer an den Schulen.
Wie die BKSD im Mai an der Kick-off-Veranstaltung
für das IT-Projekt sagt, würden nur die Projektverantwortlichen entschädigt.
Alle anderen Personen arbeiteten an einer Schule «im Rahmen ihrer Anstellung»
mit. Es sei Idealismus gefragt.
Gymi-Schüler
müssen selber bezahlen
Anders als in den Baselbieter Sekundarschulen
sollen die Schüler an den Gymnasien auch weiterhin ihr eigenes Gerät
mitbringen. Der Baselbieter IT-Chef Christoph Straumann begründet dies damit,
dass die Sekundarschule zur obligatorischen Schulzeit gehöre und die Ausrüstung
der Schüler staatliche Aufgabe sei.
Skepsis äussert auch SP-Landrat Jan Kirchmayr. Trotzdem wird «One
2 one» ans Geld gehen. Für die jährlich rund 2500 Schüler, die in die Sek
eingeschult werden, müssen Geräte für etwa 800'000 Franken besorgt werden.
Straumann verweist auf den 2013 gesprochenen
sechsjährigen Verpflichtungskredit von 10,9 Millionen Franken. «Man muss
bedenken, dass mit ‹One 2 one› andere Kosten gesenkt werden können – so kann
beispielsweise auf die stationären Geräte in den Schulzimmern verzichtet
werden», sagt er.
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