19. Mai 2016

Werden Thurgauer Lehrer eingeschüchtert?

Der Thurgauer Regierungsrat äussert sich zum Thema Meinungsäusserungsfreiheit und Treuepflicht. Will der Thurgau seine Lehrer einschüchtern? Was bedeutet die Passage "Sind jedoch schulpolitische Entscheide gefällt worden, sind Lehrpersonen verpflichtet, solche Entscheide loyal umzusetzen" in Bezug auf den Lehrplan 21?
Stellungnahme zur Einfachen Anfrage Lagler, Regierungsrat Thurgau, 3.5.

Der Regierungsrat nimmt zum Vorstoss wie folgt Stellung:

Frage 1 Gemäss der in den einschlägigen Rechtsstellungsverordnungen verankerten Treuepflicht sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu treuer, sorgfältiger und wirtschaftlicher Arbeitsleistung verpflichtet und haben dabei die Interessen des Kantons zu wahren sowie alles zu unterlassen, was diese beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte. Entsprechend der zur Treuepflicht geltenden bundesgerichtlichen Praxis kann die Meinungsäusserungsfreiheit gegenüber öffentlich-rechtlichen Angestellten durch diese Treuepflicht eingeschränkt sein, da sie sich auch auf das ausserdienstliche Verhalten erstreckt. Nichtdestotrotz sind Beschränkungen der Meinungsäusserungsfreiheit gestützt auf die Treuepflicht nur zulässig, soweit sie sachlich begründet sind und in einem vernünftigen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen. Losgelöst vom konkreten Einzelfall eine klare Trennlinie zu ziehen, erscheint somit eher schwierig. In Bezug auf konkrete Themen, Projekte oder Situationen - insbesondere auch im Hinblick auf die in der Einfachen Anfrage angesprochene Thematik - ist eine Interessenabwägung vorzunehmen und gestützt darauf sind für die konkret betroffenen Personalbereiche allenfalls Leitlinien mittels eines Kommunikationskonzepts mitzuteilen, unter dem Hinweis auf das für Staatsangestellte allgemein geltende Gebot der Zurückhaltung in Bezug auf die Art und Weise der Meinungsäusserung. In jedem Fall ist darauf zu achten, dass sachlich begründete Einschränkungen nur diejenigen treffen, die im engeren Sinne Träger des konkreten Projektes sind. Auch Lehrpersonen sollen ihre politischen Rechte als Staatsbürger ausüben und ihre Meinung zu Projekten frei äussern können, in die sie im Rahmen ihres Dienstverhältnisses zum Kanton nicht im engeren Sinne involviert sind. Was schulinterne Äusserungen anbelangt, so könnte die Trennlinie wie folgt gezogen werden: Solange der politische Prozess läuft, können sich Lehrpersonen frei daran beteiligen. Sind jedoch schulpolitische Entscheide gefällt worden, sind Lehrpersonen verpflichtet, solche Entscheide loyal umzusetzen.

Frage 2 Es gibt einzelne Fälle, in denen Vorgaben der Schulführung, strategische Entscheide mitzutragen, von einzelnen Lehrpersonen als Sanktionsdrohungen empfunden werden. Konkrete Fälle von Sanktionen sind jedoch nicht bekannt.

Frage 3 Die Ämter würden mit den Beteiligten das Gespräch suchen.

Frage 4 Die kantonalen Stellen geben hierzu keine konkreten Empfehlungen ab.

Frage 5 Grundsätzlich wird die Ausübung der politischen Rechte durch Lehrpersonen dadurch sichergestellt, dass hierzu weder konkrete Richtlinien noch ausformulierte Empfehlungen existieren, welche die politischen Rechte der Lehrpersonen einschränken würden. Vielmehr wird im Sinne eines ungeschriebenen Grundsatzes vorausgesetzt bzw. erwartet, dass die Lehrpersonen sowohl im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit allgemein sowie auch bei der Mitarbeit in Projekten ihre Meinung frei bilden und diese in den dafür vorgesehenen Gefässen auch frei äussern können. Im Sinne der Loyalität bzw. im Rahmen der Treuepflicht wird allerdings auch erwartet, dass die von den zuständigen Gremien bzw. Entscheidungsträgern getroffenen Entscheide von den damit befassten Lehrpersonen gegen aussen entsprechend mitgetragen bzw. vertreten werden.

Der Präsident des Regierungsrates Dr. Jakob Stark


Der Staatsschreiber Dr. Rainer Gonzenbach

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