Der Thurgauer Regierungsrat äussert sich zum Thema Meinungsäusserungsfreiheit und Treuepflicht. Will der Thurgau seine Lehrer einschüchtern? Was bedeutet die Passage "Sind jedoch schulpolitische Entscheide gefällt worden, sind Lehrpersonen verpflichtet, solche Entscheide loyal umzusetzen" in Bezug auf den Lehrplan 21?
Stellungnahme zur Einfachen Anfrage Lagler, Regierungsrat Thurgau, 3.5.
Der
Regierungsrat nimmt zum Vorstoss wie folgt Stellung:
Frage 1
Gemäss der in den einschlägigen Rechtsstellungsverordnungen verankerten
Treuepflicht sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu treuer, sorgfältiger
und wirtschaftlicher Arbeitsleistung verpflichtet und haben dabei die
Interessen des Kantons zu wahren sowie alles zu unterlassen, was diese
beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte. Entsprechend der zur Treuepflicht
geltenden bundesgerichtlichen Praxis kann die Meinungsäusserungsfreiheit
gegenüber öffentlich-rechtlichen Angestellten durch diese Treuepflicht
eingeschränkt sein, da sie sich auch auf das ausserdienstliche Verhalten
erstreckt. Nichtdestotrotz sind Beschränkungen der Meinungsäusserungsfreiheit
gestützt auf die Treuepflicht nur zulässig, soweit sie sachlich begründet sind
und in einem vernünftigen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen. Losgelöst vom
konkreten Einzelfall eine klare Trennlinie zu ziehen, erscheint somit eher
schwierig. In Bezug auf konkrete Themen, Projekte oder Situationen -
insbesondere auch im Hinblick auf die in der Einfachen Anfrage angesprochene
Thematik - ist eine Interessenabwägung vorzunehmen und gestützt darauf sind für
die konkret betroffenen Personalbereiche allenfalls Leitlinien mittels eines
Kommunikationskonzepts mitzuteilen, unter dem Hinweis auf das für
Staatsangestellte allgemein geltende Gebot der Zurückhaltung in Bezug auf die
Art und Weise der Meinungsäusserung. In jedem Fall ist darauf zu achten, dass
sachlich begründete Einschränkungen nur diejenigen treffen, die im engeren
Sinne Träger des konkreten Projektes sind. Auch Lehrpersonen sollen ihre
politischen Rechte als Staatsbürger ausüben und ihre Meinung zu Projekten frei
äussern können, in die sie im Rahmen ihres Dienstverhältnisses zum Kanton nicht
im engeren Sinne involviert sind. Was schulinterne Äusserungen anbelangt, so
könnte die Trennlinie wie folgt gezogen werden: Solange der politische Prozess
läuft, können sich Lehrpersonen frei daran beteiligen. Sind jedoch
schulpolitische Entscheide gefällt worden, sind Lehrpersonen verpflichtet,
solche Entscheide loyal umzusetzen.
Frage 2
Es gibt einzelne Fälle, in denen Vorgaben der Schulführung, strategische
Entscheide mitzutragen, von einzelnen Lehrpersonen als Sanktionsdrohungen
empfunden werden. Konkrete Fälle von Sanktionen sind jedoch nicht bekannt.
Frage 3
Die Ämter würden mit den Beteiligten das Gespräch suchen.
Frage 4
Die kantonalen Stellen geben hierzu keine konkreten Empfehlungen ab.
Frage 5
Grundsätzlich wird die Ausübung der politischen Rechte durch Lehrpersonen
dadurch sichergestellt, dass hierzu weder konkrete Richtlinien noch
ausformulierte Empfehlungen existieren, welche die politischen Rechte der
Lehrpersonen einschränken würden. Vielmehr wird im Sinne eines ungeschriebenen
Grundsatzes vorausgesetzt bzw. erwartet, dass die Lehrpersonen sowohl im Rahmen
ihrer dienstlichen Tätigkeit allgemein sowie auch bei der Mitarbeit in
Projekten ihre Meinung frei bilden und diese in den dafür vorgesehenen Gefässen
auch frei äussern können. Im Sinne der Loyalität bzw. im Rahmen der
Treuepflicht wird allerdings auch erwartet, dass die von den zuständigen
Gremien bzw. Entscheidungsträgern getroffenen Entscheide von den damit
befassten Lehrpersonen gegen aussen entsprechend mitgetragen bzw. vertreten
werden.
Der
Präsident des Regierungsrates Dr. Jakob Stark
Der
Staatsschreiber Dr. Rainer Gonzenbach
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