Das Bündner Verwaltungsgericht hat ein Machtwort gesprochen und den Entschluss des Grossen Rates (Ungültigkeit der Fremdspracheninitiative) aufgehoben. Das ist aber erst ein Etappensieg für die Initianten.
Nur ein Etappensieg der Sprachinitianten, Südostschweiz, 12.5. von Oliver Berger
Erfreut
sei er, sagt Andy Kollegger vom Initiativkomitee. Gar «hoch erfreut» zeigt sich
Otmar Bänziger, der Anwalt der Initianten. Und Regierungsrat Martin Jäger gibt
unumwunden zu: «Natürlich steht man lieber auf der anderen Seite.» Die «andere
Seite» sind in diesem Fall die Urheberinnen und Urheber der Spracheninitiative.
Ihnen hat das Bündner Verwaltungsgericht recht gegeben. Anders als vom Grossen
Rat im April 2015 entschieden, ist ihr Volksbegehren gültig. Die Initiative
verlangt, dass in Graubünden in der Primarschule nur noch eine Fremdsprache
unterrichtet wird. Dass das Verwaltungsgericht das Kantonsparlament in
grundlegenden Fragen korrigiert, ist lange nicht vorgekommen. Zuletzt hatte das
Gericht Ende Januar die Beschwerde gegen den Wahlmodus für den Grossen Rat
abgeschmettert; im April erging es dem Rekurs der Sonderjagd-Initianten gleich
– auch ihre Initiative war vom Grossen Rat für ungültig erklärt worden. Die
Spracheninitiative dagegen, so schreibt es das Verwaltungsgericht auf 70 Seiten
Urteil, soll vors Volk. Anders als das Parlament hält das Gericht eine
verfassungs- und bundesrechtskonforme Umsetzung für möglich.
Noch kein Systemwechsel
Der
Entscheid des Verwaltungsgerichts bedeutet allerdings nicht, dass die Bündner
Primarschulen künftig nur noch eine Fremdsprache unterrichten. «Das Gericht hat
nur festgehalten, dass die Initiative gültig ist», erklärt Erziehungsdirektor
Jäger. Das wiederum war auch das Ansinnen von Anwalt Bänziger. «Die Initiative
betrifft alle Familien mit Kindern im Schulalter. Es ist darum richtig, dass
sie vors Volk kommt», sagt er.
Das
zumindest soll nach dem Willen des Verwaltungsgerichts geschehen – es sei denn,
dessen Urteil wird vors Bundesgericht weitergezogen. «Die Regierung wird den
Entscheid nicht weiterziehen», betont Jäger zwar. Allerdings könnte auch eine
einzelne Stimmbürgerin oder ein einzelner Stimmbürger ans Bundesgericht
gelangen. Sollte dieses das Urteil des Verwaltungsgerichts aufheben, käme die
Initiative nicht vors Volk.
Selbst
wenn das Bundesgericht nicht angerufen oder die Initiative für gültig erklären
würde, käme diese nicht gleich zur Abstimmung. «Die Regierung würde in diesem
Fall eine Abstimmungsbotschaft erarbeiten und diese dem Grossen Rat vorlegen»,
bestätigt Jäger. Das Kantonsparlament dürfte die Initiative in diesem Fall wohl
zur Ablehnung empfehlen.
Abstimmung Nummer 2 …
Auch
ein noch so klares Ja des Volkes an der Urne würde aber nicht die sofortige
Einführung einer einzelnen Fremdsprache an den Schulen bedeuten. In diesem Fall
nämlich müsste die Regierung ein entsprechendes Gesetz erarbeiten, welches
erneut vom Grossen Rat beraten würde. Nach der Verabschiedung des Gesetzes
könnte das Referendum ergriffen werden, was zu einer erneuten Abstimmung führen
würde – diesmal zwar nicht mehr über den Grundsatz von einer Fremdsprache auf
Primarstufe, aber über das Gesetz mit den Details zur Umsetzung.
Ob das
Bündner Stimmvolk dem Ansinnen der Initiantinnen und Initianten zustimmen wird,
ist laut Jäger nicht sicher. Das Urteil des Verwaltungsgerichts weise nämlich
auf die hohen Kosten für die Gemeinden bei der Umsetzung des Volksbegehrens
hin. Tatsächlich schreibt das Gericht auch in seiner Pressemitteilung davon,
dass die Anpassungen «erhebliche organisatorische und finanzielle Aufwendungen
nach sich ziehen». Auf die Frage nach der Gültigkeit der Initiative habe das
aber keinen Einfluss.
… und vielleicht Nummer 3
Jäger
warnt aber noch vor einem weiteren Hindernis bei einer allfälligen Annahme der
Initiative. Mit dem Wechsel zu einer Fremdsprache würde Graubünden aus dem
Kompromiss der Schweizer ErziehungsdirektorenKonferenz ausscheren. Weil auch in
anderen Kantonen entsprechende Überlegungen mehr oder weniger weit gediehen
sind, hat der Bund bereits vorgesorgt. «In Bern arbeitet man bereits an einem
Bundesgesetz zum Thema», erklärt Jäger.
Sollte
dieses Gesetz vom Bundesparlament verabschiedet werden, wäre ein Referendum
dagegen möglich – und damit zumindest in Graubünden die insgesamt bereits
dritte Volksabstimmung.
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