22. Mai 2016

Bildungsrat ist gefordert

Die Entscheide des Bildungsrats stehen bei den Bildungsvorlagen, über die im Baselbiet am 5. Juni abgestimmt wird, im Zentrum. Es war der Bildungsrat, der den Lehrplan 21 möglichst unverändert und schneller als alle anderen Kantone einführen wollte. Und es war der Bildungsrat, der die Sammelfächer eiligst in der Stundentafel festschreiben wollte. Die Politik hat, zum Glück, eingegriffen, das Tempo gedrosselt und den Weg zu einem breit abgestützten Volksentscheid geebnet. Schliesslich geht es nicht darum, Lorbeeren als Bildungsturbo im interkantonalen Wettlauf zu gewinnen.
Zur Debatte steht der Bildungsrat, Basler Zeitung, 21.5. von Thomas Dähler


Jetzt ist der Bildungsrat in Nöten. Ihm droht sogar die Abschaffung. Schuld daran ist er allerdings selber: Bei mehreren Entscheidungen in den letzten Jahren hat es ihm am nötigen Sensorium für die Bedürfnisse der Bevölkerung gefehlt. Auch als Expertengremium, als das sich der Bildungsrat versteht, darf er nicht vergessen, dass er bei seinen Entscheiden die Interessen der Betroffenen voranstellen sollte. Die Betroffenen: Das sind Schüler und Jugendliche in Ausbildung. Es geht weder darum, die Lehrer und die Hochschulen zufriedenzustellen, noch den Politikern Denkmale zu errichten.

Vielleicht ist der Bildungsrat auch ein Opfer ehrgeiziger Politiker, die sich mit den vielen Reformen im Schnellzugtempo ein Denkmal als besonders fortschrittliche Bildungschefs in besonders fortschrittlichen Kantonen schaffen wollten. Doch dies rechtfertigt es nicht, dass sich der Bildungsrat in den letzten Jahren beeilte, alle vorgelegten Projekte möglichst rasch durchzuwinken. Diese Strategie hat das Potenzial zum Bumerang: So braucht es den Bildungsrat nicht mehr.

Dennoch: Gewonnen wäre mit der Abschaffung des Bildungsrats nichts.Entscheidender wäre es, dass sich Experten und Verwaltung darauf besinnen, im Dienste der Auszubildenden zu stehen. Im Zentrum müssen die Kinder und die Jugendlichen stehen, die sich das Rüstzeug für ihr Leben erwerben – für das private Leben, für das gesellschaftliche Leben, für die Berufslaufbahn. Die Schulen prägen die Schweiz von morgen.


Mit der parlamentarischen Initiative «Einführung Lehrplan 21» soll der Bildungsrat dazu verpflichtet werden, den Volksschul-Lehrplan so zu gestalten, dass er bei der Mehrheit des Landrats auf Zustimmung stösst. Und mit der Initiative «Verzicht auf kostentreibende Sammelfächer» soll verhindert werden, dass der fächerübergreifende Unterricht zur Abschaffung der traditionellen Schulfächer und der separaten Schulnoten führt. Die Initiativen haben bereits vor der Abstimmung bei den Reformern im Baselbiet zu einer Tempodrosselung und zu einer Mässigung bei der Umsetzung der Reformen geführt. Bereits zugesichert ist auf der Sekundarschulstufe eine Differenzierung des Lehrplans nach Leistungs­niveaus. Versprochen hat der Bildungsrat zudem im Abstimmungskampf, dass der Lehrplan 21 «massvoll» umgesetzt werde. Bei den Sammelfächern räumen inzwischen auch die Gegner der Initiative ein, dass es unglücklich war, mit der Zusammenlegung der Fächer die Anzahl Stunden zu reduzieren; fächerübergreifender Schulunterricht erfordert nicht weniger, sondern mehr Zeit.

Beide Bildungs-Initiativen verfolgen nicht das Ziel, den Bildungsrat zu übergehen. Im Gegenteil: Nach der Abstimmung wird er herausgefordert sein. Bei einem doppelten Ja besonders: Dann wird er zusammen mit Bildungsdirektorin Monica Gschwind und deren Stab den Lehrplan 21 so auf die Baselbieter Verhältnisse herunterbrechen müssen, dass er mehrheitsfähig ist und nicht am Veto des Landrats scheitert. Und beim fächerübergreifenden Unterricht gilt es, diesen im Rahmen des heutigen Fächerkatalogs so im Lehrplan zu verankern, dass er von den in ihrem Fach ausgebildeten Lehrern im Rahmen des traditionellen Fachunterrichts umsetzbar bleibt. Sollten sich in Zukunft neue Perspektiven für Fächerkombinationen ergeben, wäre es am Landrat als Gesetzgeber, die entsprechenden Entscheide zu treffen.

Ob das Volk am 5. Juni Ja oder Nein sagt: In beiden Fällen ist der Bildungsrat gut beraten, sich die nötige Zeit für Reformen zu nehmen. Und vielleicht gelingt es auch, die Entwicklung in anderen Kantonen besser zu beobachten. Möglicherweise ist der Kanton Baselland nicht der einzige Kanton, der gewillt ist, dem Lehrplan 21 zu etwas mehr Bodenhaftung zu verhelfen und ihn von intellektuellen Utopien zu entschlacken. Der Bildungsrat ist herausgefordert, der Schulpolitik in der Bevölkerung zur nötigen Akzeptanz zu verhelfen. Irgendeinmal wird im Baselbiet auch über den Austritt aus dem Harmos-Konkordat abgestimmt. Eine breit akzeptierte Schulpolitik wäre das beste Argument gegen einen Austritt aus dem Harmos-Konkordat.


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