In einem Eklat hat sich der Zürcher Lehrerverband jüngst aus den
Arbeitsgruppen zum Lehrplan 21 verabschiedet. Den Halbklassenunterricht will
die Präsidentin Lilo Lätzsch nicht opfern.
Lilo Lätzsch steht hinter dem Lehrplan 21, Bild: Christoph Ruckstuhl
«Wir sind nicht zufrieden mit der Lektionentafel», NZZ, 16.4. von Irène Troxler und Walter Bernet
Im März hat der ZLV für Aufsehen gesorgt, als er sich aus den
Arbeitsgruppen zum Lehrplan 21 zurückzog. Hat der Eklat etwas bewirkt?
Er hat einen grossen Einfluss gehabt auf die Vernehmlassungsvorlage. Sie
war sehr knapp. Nun konnten wir die für uns wichtigen Fragen noch einbringen.
Welche sind das?
Wir sind nicht zufrieden mit der Lektionentafel. Eigentlich wollten wir
eine Auswahl in die Vernehmlassung schicken; die Arbeitsgruppe hatte auch drei
Versionen ausgearbeitet. Der Bildungsrat hat sich aber auf eine Variante
beschränkt, und zwar ausgerechnet auf jene, die uns am allerwenigsten passt.
Warum?
Unser Hauptvorwurf ist, dass die Zahl der Lektionen zu hoch ist, vor
allem in der 5., 6. und 8. Klasse. Ausserdem stört uns, dass der
Halbklassenunterricht reduziert wird.
An der Vernehmlassungs-Vorlage konnten Sie allerdings nichts mehr
ändern.
Nein, aber wir haben immerhin erreicht, dass die involvierten Kreise
differenziertere Stellungnahmen zur Umsetzung des Lehrplans abgeben können.
Warum sitzen Sie jetzt wieder an einem Tisch mit der Regierung, nachdem
Sie die Arbeitsgruppen verlassen haben?
Wir sind ja grundsätzlich schon für den Lehrplan. Mittlerweile sind wir
auch wieder optimistischer, dass er in den wesentlichen Punkten so herauskommt,
wie wir uns das vorstellen.
Welche Neuerungen des Lehrplans finden sie gut?
Er gibt erstmals Ziele für alle Deutschschweizer Kantone vor. Und er
entwickelt den Unterricht in eine Richtung weiter, die heute schon üblich ist:
Er zielt auf die Stärkung der Kompetenzen. Mit Naturwissenschaften, Technik und
Informatik setzt er auch wichtige neue Schwerpunkte.
Haben wir denn überhaupt genug Lehrkräfte, die ITC und
Naturwissenschaften unterrichten können?
Das ist ein Problem, das noch gelöst werden muss. Ein Grund, den
Lehrplan 21 abzulehnen, ist dies aber nicht. Der Knackpunkt wird auch hier bei
den Ressourcen liegen.
Wird darum der Halbklassenunterricht geopfert?
Ja, wir sind ja stets im Würgegriff der Kostenneutralität. Um die neuen
Stunden einführen zu können, muss man irgendwo abbauen. Wir haben aber auch
eine andere Vision entwickelt, die kostenneutral ist. Dazu müsste man die Zahl
der Lektionen für die älteren Schüler etwas reduzieren. Die vorgesehenen 31
Stunden pro Woche für die 5.- und 6.-Klässler sind ohnehin hoch, wenn man sich
die Stundenpläne anderer Kantone anschaut.
Die Bildungsdirektion stellt auch den Handarbeitsunterricht, der heute
gesetzlich verankert ist, zur Disposition. Da ist der ZLV in einem Dilemma, da
sich die Lehrerschaft ja dafür stark gemacht hat.
Wir werden im Rahmen der Vernehmlassung einen sinnvollen Weg finden
müssen. Für mich persönlich ist klar, dass dieses Gesetz aufgehoben werden
muss, da es systemwidrig ist.
Warum ist die Lektionentafel eigentlich derart umstritten?
Der Lehrplan 21 wird ja die Bildungsziele harmonisieren. Eigentlich
hätte man den Kantonen auch vorgeben müssen, wie viele in den einzelnen Fächer
unterrichtet werden. Aus Sorge, das Fuder zu überladen, unterliess man dies
aber und formulierte bloss Bandbreiten. Nun haben wir die Probleme einfach bei
der kantonalen Umsetzung.
Die vielgeschmähte Kompetenzorientierung hingegen ist im Kanton Zürich
gar kein Thema?
Die meisten Lehrpersonen unterrichten heute schon so. Das ist gar nichts
Neues. Man soll in der Schule ja nicht nur Buchstaben auswendig lernen. Man
muss sie auch zu Wörtern und Sätzen zusammenfügen können und den Sinn
verstehen.
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