Die Initianten der
Volksinitiative gegen den neuen Lehrplan werfen der Thurgauer Kantonsregierung
vor, die bevorstehende Volksabstimmung zu ignorieren. Die Regierung beruft sich
auf das geltende Recht. Jetzt verschärft sich der Ton.
Am 3. November 2015 wurden die Unterschriften übergeben, Bild: Reto Martin
Unfreundlichkeiten zum Lehrplan 21, St. Galler Tagblatt, 14.4., von Christian Kamm
In einer gestern verbreiteten Medienmitteilung wird scharf geschossen. Der
Regierungsrat offenbare nicht nur ein «selbstherrliches Machtgebaren», schreibt
das Initiativkomitee «Für eine gute Thurgauer Volksschule». Seine Haltung lasse
auch «ernsthaft am Demokratieverständnis zweifeln».
Starker
Tobak. Hintergrund der Vorwürfe: Die Initianten befürchten ein Fait accompli
bei der Abstimmung über ihr Volksbegehren, welches gegen den neuen Lehrplan
gerichtet ist. Die «Einführungsmaschinerie» für den Lehrplan laufe auf
Hochtouren, lautet der zentrale Vorwurf, ohne dass auf die bevorstehende
Abstimmung über die Volksinitiative Rücksicht genommen werde. Und: «Der
Regierungsrat will ganz offensichtlich in Sachen Lehrplan Fakten schaffen,
bevor das Volk ihm das Recht dazu entzieht.»
Umfassend diskutieren
Das
Komitee verlange keinen Marschhalt, sagt Co-Präsident Felix Huwiler auf
Anfrage. Wohl aber eine Verlangsamung des Fahrplans und darüber hinaus eine
umfassende Diskussion. Die Kantonsregierung müsse aus Respekt gegenüber den
unterschiedlichen Meinungen auf die Bremse treten und sich einer breiteren
Diskussion über den Lehrplan stellen. Immerhin hätten rund 5000 Stimmbürger die
Initiative unterschrieben und forderten eine demokratische Abstützung von Lehrplänen,
sagt Huwiler. Ziel des im Thurgau lancierten Volksbegehrens ist es, dass
Lehrpläne künftig vom Grossen Rat genehmigt werden müssen und dem fakultativen
Referendum unterstehen. Heute erlässt der Regierungsrat sie in eigener
Kompetenz.
An
diesem Punkt prallen denn auch die Meinungen aufeinander. Der Regierungsrat
verweist in seiner Beantwortung eines Briefs von Komiteemitgliedern darauf,
dass die Arbeiten zur Einführung des neuen Lehrplans im Thurgau bereits 2012
begonnen hätten – also lange vor der Einreichung der Volksinitiative am 3.
November 2015. Zudem verändere die Einreichung einer Initiative allein noch
kein Recht, betont die Kantonsregierung. «Wenn jeder blosse Änderungsvorschlag
bewirken könnte, unser geltendes Recht ausser Kraft zu setzen, geriete unser
Rechtsstaat völlig aus den Fugen.»
Vorschlag zur Güte
Urs
Schrepfer (SVP, Busswil), Schulleiter und Präsident der vorberatenden
Kommission, die sich mit der Initiative befasst, teilt die Auffassung des
Regierungsrates. Es dürfe nicht sein, dass man durch das Sammeln von
Unterschriften alle Arbeiten, die seit 2012 gemacht worden seien, stoppen
könne. «Das kommt nicht in Frage.»
Gleichzeitig
plädiert Schrepfer aber dafür, die Situation emotional zu entschärfen. Indem
etwa bereits im November über die Initiative abgestimmt würde, also noch vor
dem formellen Beschluss des Regierungsrat über den Lehrplan. «So verlieren wir
nur anderthalb Monate gegenüber dem Fahrplan.» Das sei zwar zeitlich ehrgeizig,
aber unter Umständen machbar, sagt Schrepfer. Gleichzeitig betont er, dass das
seine persönliche Meinung als Kantonsrat sei. «Am Schluss ist es das
Grossratsbüro, das über Termine entscheidet.»
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