Saskia Olsson,
Geschäftsleiterin der Starken Schule, will dem Lehrplan 21 Grenzen setzen.
Saskia Olsson hält nichts von den
«Wischiwaschi-Kompetenzbeschreibungen» im Lehrplan 21. Bild: Jérôme Depierre
«Die Lerninhalte kommen zu kurz», Basler Zeitung, 23.4. von Thomas Dähler
BaZ: Statt die Experten im Bildungsrat sollen die Volksvertreter im
Landrat über die Einführung des Lehrplans 21 bestimmen. Weshalb?
Saskia Olsson: Durch diese Vorlage wird der Bildungsrat nicht entmachtet. Bei der
Einführung des Lehrplans 21 handelt es sich um einen Entscheid von grosser
Bedeutung. Deshalb soll der Landrat, der vom Volk gewählt wurde, als zweite
Instanz das vom Bildungsrat erarbeitete Resultat begutachten und absegnen. So
hat der Landrat die Möglichkeit, wenn das nötig sein sollte, den Lehrplan
nochmals an den Bildungsrat zur Überarbeitung zurückzugeben.
Wir stimmen über diese
Verlagerung der Entscheidungskompetenz ab. Wäre es nicht sinnvoller, an der
Urne gleich über den Lehrplan 21 als solchen abzustimmen?
Damit wäre zwar der
Lehrplan 21 infrage gestellt, nicht aber das Konzept dahinter. Unser Ziel ist
es, die Philosophie, die dem Lehrplan 21 zugrunde liegt und die zu einem
Bildungsabbau führt, zu verhindern. Wenn das Volk bloss Nein zum Lehrplan 21
sagen würde, wäre das Risiko gross, dass der Bildungsrat künftig wieder einen
Lehrplan Volksschule vorlegen würde, der genau auf der gleichen Philosophie
basiert.
Eine Schwierigkeit ist, dass
der Lehrplan 21 auf der Primarschulstufe bereits eingeführt wurde, obwohl ein
Volksentscheid noch bevorsteht. Ist es zu verantworten, auf diesen Entscheid
allenfalls nochmals zurückzukommen?
Diese Vorlage betrifft
ausschliesslich den Lehrplan 21 auf der Sekundarschulstufe 1. Die
Primarschulstufe ist durch diese Gesetzesänderung explizit nicht betroffen.
Die Vorlage sieht vor,
dass der bereits eingeführte Lehrplan 21 vom Landrat auch für die
Primarschulstufe nachträglich genehmigt werden müsste.
Der Lehrplan 21 ist auf
der Sekundarstufe, auf die sich dieses Gesetz beschränkt, noch nicht
eingeführt. Diese Klausel garantiert nun, dass der Lehrplan auf der
Sekundarschule nicht eingeführt werden kann, bis dieses Gesetz in Kraft tritt.
Und sollte der Bildungsrat trotz sämtlicher Kritik der Fachexperten und
Pädagogen den Lehrplan dennoch einführen, so könnte dies durch den Landrat
wieder rückgängig gemacht werden.
Die Starke Schule
kritisiert den Lehrplan 21 schon sehr lange. Immerhin wurde auch eine erste
Fassung dieses Lehrplans nochmals überarbeitet. Weshalb reichen ihnen diese
Korrekturen nicht?
Der Lehrplan 21 enthält
weiterhin rund 3500 zum Teil abstrakte und nicht umsetzbare
Kompetenzbeschreibungen. Die Lerninhalte und die zu behandelnden Themen kommen
deutlich zu kurz. Deshalb halten wir an unserer Kritik fest. Uns stören die
Indoktrination und der Zwang zur ständigen Selbstreflexion.
Haben Sie etwas dagegen,
dass Betriebe, die Lehrlinge suchen, sich auf messbare Resultate abstützen
können?
Die Kompetenzen im
Lehrplan 21 sind viel zu theoretisch und können gar nicht gemessen werden. Wer
will schon wissen, ob Schülerinnen und Schüler beispielsweise «fremde Kultur
reflektieren» können? Wie sollen die Lehrpersonen die Erreichung dieser Kompetenz
beurteilen? Entscheidender ist doch, welches Wissen und welche Fähigkeiten sich
die Schüler aneignen. Eine Schulharmonisierung kann nicht erreicht werden, so
lange die Lerninhalte und die Schulstoffe nicht pro Fach und für jedes Jahr
klar definiert sind. Das geht einfach nicht mit diesen
Wischiwaschi-Kompetenzbeschreibungen, die jeder anders interpretiert.
Die Welt hat sich
verändert. Inhalte sind heute einfacher abrufbar, wenn man sie wirklich
braucht.
Auch heute sollte man über
ein gutes Allgemeinwissen verfügen. Nur so ist zum Beispiel ein vernetztes
Denken möglich. Es ist erschreckend, wie wenig wir uns auf unser Wissen
verlassen und jede Kleinigkeit googeln.
Weshalb setzt das Komitee
Starke Schule Baselland auf Volksentscheide? Sie könnte Ihre Energie auch
darauf konzentrieren, auf das Parlament oder den Bildungsrat einzuwirken?
Bei zwei der jetzt
anstehenden drei Bildungsvorlagen handelt es sich um Parlamentarische
Initiativen von Landrat Jürg Wiedemann. Wir haben diese beiden Vorstösse
ausgearbeitet und durch ihn einreichen können. Das Parlament hat die beiden
vorgeschlagenen Gesetzesrevisionen befürwortet. Deshalb kann das Stimmvolk
am 5. Juni darüber entscheiden. Auf diesen Weg setzen wir weiterhin. Eben erst
war Regina Werthmüller, die ebenfalls dem Vorstand der Starken Schule angehört,
mit der Motion «Stufenlehrpläne mit transparentem Inhalt» erfolgreich. Ihr
Vorstoss verlangt Lehrpläne, in welchen die Inhalte massgebend sind und nicht
abstrakte Beschreibungen von Kompetenzen.
Bei den letzten kantonalen
Wahlen hat die Starke Schule die heutige Bildungsdirektorin Monica Gschwind
unterstützt. Noch hat Frau Gschwind keine wirkliche Richtungsänderung
vorgenommen. Stellt sich die Starke Schule hinter die Politik der Bildungs-,
Kultur- und Sportdirektion?
Dank Monica Gschwind
erhalten die Sekundarschulen einen Übergangslehrplan und eine
Übergangsstundentafel, die keine Sammelfächer vorsieht. Wir gehen davon aus,
dass die Bildungsdirektorin nach dem Ja zur erwähnten Motion von Regina
Werthmüller auch den Lehrplan Volksschule entsprechend gestaltet und die
Kompetenzen in den Hintergrund rücken werden. Wir sind mit der Politik der
Bildungsdirektorin in vielen Punkten einverstanden. Differenzen erkennen wir in
gewerkschaftlichen Punkten und bei einzelnen Sparmassnahmen. Vieles, was uns
stört, hat ihr Vorgänger eingeleitet und sie muss es jetzt ausbaden. Diese
Situation ist nicht ganz einfach.
Sie stellen sich auch
gegen die Sammelfächer des Lehrplans 21. Weil sie kostentreibend sind, wie es
im Titel der Vorlage heisst?
Die Einführung von
Sammelfächern ist extrem teuer. Die Weiterbildungen der Lehrpersonen und die
Neuanschaffung der Lehrmittel kosten viel. Dazu kommt, dass die künftige
Ausbildung für die Sammelfächer nur noch an der Pädagogischen Hochschule der
FHNW möglich wäre und nicht mehr an der Universität, die nur Einzelfächer
anbietet. Sammelfächer können zudem nur noch von Allroundern unterrichtet
werden, die in jedem einzelnen Fach über ein signifikant geringeres Fachwissen
verfügen. Der Verzicht auf Lehrer mit fundiertem Wissen bedeutet einen
Qualitätsabbau des Fachunterrichtes und damit Bildungsabbau.
Geht es Ihnen um die
Lehrer oder um die Schüler? Sind Sie generell gegen einen fächerübergreifenden
Schulunterricht für die Sekundarschüler?
Ich befürchte, dass
Sammelfächer von Lehrpersonen mit geringerem Fachwissen unterrichtet werden und
so die Unterrichtsqualität abnimmt. Die Schülerinnen und Schüler erhalten so
das Wissen nicht mehr in der nötigen Tiefe vermittelt.
Nochmals, wie stehen Sie
zum fächerübergreifenden Unterricht?
Heute werden im
Schulunterricht ja schon längst Themen fächerübergreifend und vernetzt
behandelt, zum Beispiel auch in vielen Projektarbeiten. In derartigen Projekten
sind aber mehrere Lehrerinnen und Lehrer beteiligt, die in ihrem Fach jeweils
grosse Kenntnisse haben. Dies garantiert einen Unterricht in der notwendigen
Tiefe. Unterrichten aber Allrounder ein Sammelfach, so nimmt die fachliche
Qualität unweigerlich ab. Sammelfächer braucht es gar nicht. Strikte Vorgaben
wie vorgeschriebene Fächer sind eher hinderlich. Bereits heute wird etwa die
Geografie auch mit Englisch oder Physik verknüpft.
Basel-Stadt hat den
Lehrplan 21 und die Sammelfächer bereits eingeführt. Wie wichtig wäre es, dass
die Kantone der Nordwestschweiz ihr Schulsystem vereinheitlichen?
Das wäre durchaus
wünschenswert. Die Starke Schule ist für eine echte Schulharmonisierung. Ziel
der Harmonisierung war ursprünglich, den Familien einen Wohnungswechsel über
die Kantonsgrenze zu erleichtern. Mit dem Lehrplan 21 wird das in keiner Weise
erreicht. Es braucht eine echte Harmonisierung, ohne dass die Bildungshoheit
der Kantone überstrapaziert wird.
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