Der Kanton
St.Gallen soll aus dem HarmoS-Konkordat aussteigen. Das fordert eine
Initiative. Doch eigentlich geht es den Initianten um etwas anderes. Die
HarmoS-Frage beschäftigt kommende Woche das Kantonsparlament.
Und bekämpft wird der Lehrplan, St. Galler Tagblatt, 23.4. von Regula Weik
Das HarmoS-Konkordat ist ein «Zwangskonkordat» und erst noch
ein gescheitertes. Davon ist der Verein «Starke Volksschule» überzeugt. Er hat
ihm deshalb den Kampf angesagt – nicht nur verbal. 7000 Unterschriften hat der
Verein für seine Initiative, die einen Austritt St.Gallens aus dem Konkordat
zur Harmonisierung der Volksschule fordert, zusammengetragen. Damit ist klar:
Es kommt zu einer Volksabstimmung. Verbleiben oder austreten – die
Stimmberechtigten werden voraussichtlich im September dazu an die Urne gerufen.
Kein Gegenvorschlag
Bereits kommende Woche beschäftigt sich das Kantonsparlament mit der
HarmoS-Frage. Einiges deutet darauf hin, dass die grosse Debatte ausbleiben
wird und das Gremium der Regierung folgt; diese hatte schon im November klar
gemacht, dass sie – kaum überraschend – nichts vom Ansinnen der Initianten hält
und auch auf einen Gegenvorschlag verzichtet.
Anders als die Initianten ist die Regierung nicht der Meinung, das
HarmoS-Konkordat sei gescheitert. Sie untermauert dies mit Zahlen: 15 Kantone
gehören heute dem Konkordat an, als einziger Ostschweizer Kanton St.Gallen. Das
St.Galler Stimmvolk hatte dem Beitritt 2008 zugestimmt, der Ja-Stimmen-Anteil
betrug 52,8 Prozent.
Gegen zwei Fremdsprachen
Die Initianten halten entgegen: Damals habe niemand davon gesprochen,
dass «weitere, tiefgreifende Eingriffe ins kantonale Schulrecht» geplant seien
– wie etwa die Einführung des «umstrittenen und problematischen Lehrplans 21».
Hinter dem Widerstand gegen HarmoS steht letztlich die Ablehnung des
neuen Lehrplans. Der Verein «Starke Volksschule» wehrt sich vehement gegen
dessen Einführung – und gegen zwei Fremdsprachen auf Primarstufe. Heute wird im
Kanton St.Gallen ab der dritten Klasse Englisch und ab der fünften Klasse
zusätzlich Französisch unterrichtet.
«Das ist einfach absurd»
Die HarmoS-Kritiker kämen mit ihrem Ansinnen ihrem eigentlichen Ziel
nicht näher, hält die Regierung fest. Denn selbst bei einer Annahme der
Initiative wäre es nicht erlaubt, in der Primarschule nur noch eine Fremdsprache
zu unterrichten. Das verstosse gegen die Bundesverfassung. Die Regierung beruft
sich auf das Verwaltungsgericht.
«Das ist einfach absurd und rechtlich völlig falsch», widerspricht der
Verein «Starke Volksschule». Es sei mitnichten so, dass der Bund bei einem
HarmoS-Austritt St.Gallens Zwangsmassnahmen gegen den Kanton ergreifen könne.
Denn es sei lediglich vorgeschrieben, dass «bis zum Ende der obligatorischen
Schulzeit eine zweite Landessprache und eine weitere Fremdsprache» erlernt
werden müssten. «Es kann nicht sein, dass die Regierung in vorauseilendem
Gehorsam den eidgenössischen Schulvogt gleich selbst bestellt», ärgert sich der
Verein.
Ein Blick in den Thurgau zeigt: So ganz abwegig ist ein Eingreifen Berns
nicht. Der neue Thurgauer Lehrplan – er wurde dieser Tage in die Vernehmlassung
geschickt – sieht vor, dass Kinder künftig nicht mehr in der Primarschule,
sondern erst in der Oberstufe Französisch lernen. Bundesrat Alain Berset hielt
seinen Unmut darüber nicht zurück. Mit dem Ende des Französischunterrichts in
der Primarschule werde eine rote Linie überschritten, die eine Intervention des
Bundes nötig mache.
Französisch-Massnahmen
Die vorberatende Kommission geht mit der Regierung einig und lehnt die
Initiative ebenfalls ab. Umso mehr, als Regierung und Erziehungsrat den
«Optimierungsbedarf» beim Fach Französisch erkannt hätten. Auf das Schuljahr
2017/18 sollen ein neues Lehrmittel und mehr Halbklassenunterricht eingeführt
und in die Weiterbildung der Lehrpersonen investiert werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen