Sind gegen die Einführung des LP21: Bruno Nüsperli, Priska Bühler, Felix Huwiler, Hedwig Schär und Daniel Amrhein. Bild: Evi Biedermann
Lehrplan 21 in der Kritik, St. Galler Tagblatt, 17.8. von Evi Biedermann
Coach statt Lehrperson, fehlende Strukturen, Zyklen
statt Jahrgangsklassen, Abschaffung von Fächern, überforderte Kinder und
Eltern, demotivierte Lehrer: Es hagelte Kritik am Informationsanlass der IG für
eine gute Thurgauer Volksschule. Das Opfer: Der Lehrplan 21, der schweizweit
vor der Einführung steht. Die IG will mit einer Volksinitiative bewirken, dass
das Volk an der Urne über den Lehrplan entscheidet. Die Initiative läuft noch
bis Mitte November.
Der schärfste Gegenwind kam am Freitagabend von
Gastredner Bruno Nüsperli. Der Aargauer Bildungspolitiker zerpflückte mit fast
schon fanatischem Eifer Beispiele aus dem umfangreichen Kompetenzenkatalog und
fragte immer wieder: Wer soll das verstehen? Für Nüsperli ist der neue Lehrplan
die Abkehr vom humanistischen Bildungsideal. Freier Mensch, selbstbestimmt,
unabhängig, in der Demokratie mitbestimmen, zählte er auf: «Das alles wird
einfach weggewischt.» Angestrebt werde nicht die Menschenbildung, sondern «ein
gleichmacherisches Niveau».
Überforderte Kinder und Eltern
Die IG war mit drei Referenten vertreten. Mit dem
Lehrplan 21 würden Lehrer zum Lernbegleiter degradiert, erklärte Co-Präsidentin
und Primarlehrerin Hedwig Schär. Ebenfalls müssten die Kinder neu alles selber
herausfinden und jedes Kind arbeite an seinem eigenen Programm. «Diese drei
Sachen überfordern das Kind.» Das führe zu Entmutigung und schmälere die
Lernfreude.
Aus Priska Bühlers Schilderungen ging hervor, dass
auch Eltern überfordert sind. «Eltern können nicht mehr mitreden, weil sie den
Lösungsweg des Kindes nicht kennen», sagte die mehrfache Mutter. Unterstützung
erhielt sie von Daniel Amrhein. Hausaufgaben würden immer mehr missbraucht, um
den Stoff neu zu erarbeiten, der in der Schule nicht vermittelt wurde. «Wollen
wir zu Hause dem Kind helfen, ist für uns Eltern oft nicht mehr klar, was die
Schule von unseren Kindern will», erklärte der sechsfache Vater. Bemängelt
wurden auch fehlende Strukturen und Bezugspersonen. Amrhein: «Die Kinder finden
sich nicht mehr zurecht. Sie leiden an Orientierungslosigkeit.»
Offen diskutieren
Es war ein geballter emotionsgeladener Haufen
Information, der auf die rund 60 Anwesenden niederprasselte. Mit dem Resultat,
dass sich immer mehr Stimmen aus dem Publikum zu Wort meldeten und ins gleiche
Horn bliesen wie die Referenten. Mit Ausnahme von Kantonsrat Roland A. Huber,
der den Referenten ein paar kritische Fragen stellte und dem Pfyner
Schulpräsidenten Erich Schaffer, der positive Erwartungen an das gesamtschweizerische
Werk hat. «Wenn 21 Kantone sich damit beschäftigen, dann muss es eine gute
Sache sein.» Applaus jedoch erntete jene Besucherin, die eine breite offene
Diskussion über den Lehrplan 21 forderte.
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