23. August 2015

Schüler wollen nicht später zur Schule

Zur Entlastung des öffentlichen Verkehrs soll der Schulbeginn in Bern auf 9 Uhr verschoben werden. Doch Gymnasiasten, Eltern und Lehrer ziehen einen frühen Schulbeginn vor.




Entlastung des öV durch späteren Schulbeginn? Bild: Urs Baumann


Berner Gymnasiasten wollen nicht später zur Schule, Berner Zeitung, 21.8. von Urs Zurlinden


Die Prognosen sind unmissverständlich: Bis 2030 wird der öffentliche Verkehr um 25 Prozent, der Strassenverkehr sogar um 55 Prozent zunehmen. Die Folgen sind schon jetzt absehbar: stundenlang dauernde Staus und überfüllte Trams, Busse und Nahverkehrszüge. Vor allem am Morgen droht vielerorts ein Verkehrskollaps.
Verursacht durch Pendler, die sich an einheitliche Arbeitszeiten halten müssen, aber auch durch Schüler, welche pünktlich im Klassenzimmer zu erscheinen haben. Allein im Raum Bern sind fast 48'000 Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe 2, Berufsschüler, Gymeler und Studierende allmorgendlich und praktisch zeitgleich unterwegs – ein Grossteil von ihnen mit dem öffentlichen Verkehr.
Umfrage in Schulen
Diese Zielgruppe hat die Berner Verkehrsdirektorin Barbara Egger (SP) nun ins Visier genommen. In einer Onlinebefragung an den Gymnasien Kirchenfeld und Neufeld in Bern und Lerbermatt in Köniz wollte sie von Schülern, Eltern und Lehrern wissen, was sie von einem späteren Schulbeginn zur Entlastung des ÖV halten. Mit 939 Schülerinnen und Schülern, 326 Lehrpersonen und 1119 Eltern resultierte eine statistisch aussagekräftige Rücklaufquote. Über 80 Prozent der Schüler, über 70 Prozent der Eltern und 78 Prozent der Lehrer möchten am Schulbeginn um acht Uhr festhalten.
Immerhin: Eine Alternative wie ein 9-Uhr-Schulbeginn an einzelnen Tagen wäre für eine Mehrheit der Schüler (62 Prozent), der Eltern (61 Prozent) und Lehrer (53 Prozent) «vorstellbar». Unter einem späteren Schulbeginn, so die Befürchtung der Schüler, würden ihre gewohnten Freizeitaktivitäten leiden. Kaum Auswirkungen hätte ein 9-Uhr-Stundenplan hingegen aufs Schlafverhalten.
Beachtliches Potenzial
Die Resultate der Gymeler-Umfrage dürften für die Verkehrsplaner ernüchternd sein. Denn das Potenzial der ÖV-Entlastung bei einem späteren Schulbeginn ist beachtlich: Rund 70 Prozent der Befragten gaben an, für ihren Schulweg die Bahn, das Tram oder den Bus zu nehmen. Nur 30 Prozent nehmen das Velo oder gehen zu Fuss zur Schule. Nicht zuletzt deshalb will die Berner Verkehrsdirektorin Barbara Egger das erstmals in der Schweiz aufgegriffene Thema nicht einfach ad acta legen. «Wir arbeiten weiter daran», erklärte sie am gestrigen «Berner Verkehrstag».
Nun würden ganz konkret kleinere Massnahmen geprüft wie etwa ein späterer Schulbeginn an einem einzelnen Wochentag. Dies in Absprache mit den Gymnasien und mit der Erziehungsdirektion. «Wir werden jetzt nach Massnahmen suchen mit einzelnen Schulen und zwar nicht nur mit den Gymnasien, sondern auch mit den Berufsschulen», bestätigt Theo Ninck, der Vorsteher des Mittelschul- und Berufsbildungsamtes.
Die Umfrageergebnisse hätten ihn nicht überrascht, ein generelles Verschieben des Schulbeginns sei nicht beliebt: «Die Jungen haben ihre Netzwerke in der Freizeit und im Sport, die sie nicht gerne aufgeben.» Um dennoch die Verkehrsspitzen etwas zu entlasten, appelliert Ninck, doch vermehrt das Velo zu nehmen oder bei kurzen Distanzen zu Fuss zu gehen.


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