Entlastung des öV durch späteren Schulbeginn? Bild: Urs Baumann
Berner Gymnasiasten wollen nicht später zur Schule, Berner Zeitung, 21.8. von Urs Zurlinden
Die Prognosen
sind unmissverständlich: Bis 2030 wird der öffentliche Verkehr um 25 Prozent,
der Strassenverkehr sogar um 55 Prozent zunehmen. Die Folgen sind schon jetzt
absehbar: stundenlang dauernde Staus und überfüllte Trams, Busse und
Nahverkehrszüge. Vor allem am Morgen droht vielerorts ein Verkehrskollaps.
Verursacht durch
Pendler, die sich an einheitliche Arbeitszeiten halten müssen, aber auch durch
Schüler, welche pünktlich im Klassenzimmer zu erscheinen haben. Allein im Raum
Bern sind fast 48'000 Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe 2,
Berufsschüler, Gymeler und Studierende allmorgendlich und praktisch zeitgleich
unterwegs – ein Grossteil von ihnen mit dem öffentlichen Verkehr.
Umfrage
in Schulen
Diese Zielgruppe hat die
Berner Verkehrsdirektorin Barbara Egger (SP) nun ins Visier genommen. In einer
Onlinebefragung an den Gymnasien Kirchenfeld und Neufeld in Bern und Lerbermatt
in Köniz wollte sie von Schülern, Eltern und Lehrern wissen, was sie von einem
späteren Schulbeginn zur Entlastung des ÖV halten. Mit 939 Schülerinnen und
Schülern, 326 Lehrpersonen und 1119 Eltern resultierte eine statistisch
aussagekräftige Rücklaufquote. Über 80 Prozent der Schüler, über 70 Prozent der
Eltern und 78 Prozent der Lehrer möchten am Schulbeginn um acht Uhr festhalten.
Immerhin: Eine
Alternative wie ein 9-Uhr-Schulbeginn an einzelnen Tagen wäre für eine Mehrheit
der Schüler (62 Prozent), der Eltern (61 Prozent) und Lehrer (53 Prozent)
«vorstellbar». Unter einem späteren Schulbeginn, so die Befürchtung der
Schüler, würden ihre gewohnten Freizeitaktivitäten leiden. Kaum Auswirkungen
hätte ein 9-Uhr-Stundenplan hingegen aufs Schlafverhalten.
Beachtliches
Potenzial
Die Resultate der
Gymeler-Umfrage dürften für die Verkehrsplaner ernüchternd sein. Denn das
Potenzial der ÖV-Entlastung bei einem späteren Schulbeginn ist beachtlich: Rund
70 Prozent der Befragten gaben an, für ihren Schulweg die Bahn, das Tram oder
den Bus zu nehmen. Nur 30 Prozent nehmen das Velo oder gehen zu Fuss zur
Schule. Nicht zuletzt deshalb will die Berner Verkehrsdirektorin Barbara Egger
das erstmals in der Schweiz aufgegriffene Thema nicht einfach ad acta legen.
«Wir arbeiten weiter daran», erklärte sie am gestrigen «Berner Verkehrstag».
Nun würden ganz konkret
kleinere Massnahmen geprüft wie etwa ein späterer Schulbeginn an einem
einzelnen Wochentag. Dies in Absprache mit den Gymnasien und mit der
Erziehungsdirektion. «Wir werden jetzt nach Massnahmen suchen mit einzelnen
Schulen und zwar nicht nur mit den Gymnasien, sondern auch mit den
Berufsschulen», bestätigt Theo Ninck, der Vorsteher des Mittelschul- und
Berufsbildungsamtes.
Die Umfrageergebnisse
hätten ihn nicht überrascht, ein generelles Verschieben des Schulbeginns sei
nicht beliebt: «Die Jungen haben ihre Netzwerke in der Freizeit und im Sport,
die sie nicht gerne aufgeben.» Um dennoch die Verkehrsspitzen etwas zu
entlasten, appelliert Ninck, doch vermehrt das Velo zu nehmen oder bei kurzen
Distanzen zu Fuss zu gehen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen