Zwei Fremdsprachen als Pflicht: "Das lässt sich auf Dauer nicht halten", Solothurner Zeitung, 22.8. von Elisabeth Seifert
«Die
Leistungsunterschiede werden noch grösser», prognostiziert Beat Weber. Er ist
Schulischer Heilpädagoge an der Oberstufe Wasseramt Ost und weiss aus
Erfahrung, wie schwer es seinen Schützlingen oft fällt, eine Fremdsprache zu
erlernen. «Dieses Problem wird sich künftig weiter akzentuieren», ist er
überzeugt. Für ihn steht denn auch fest: «Das doppelte
Fremdsprachenobligatorium für alle Schülerinnen und Schüler lässt sich auf
Dauer nicht halten.»
Beat Weber ist
mit dieser Haltung nicht alleine. Auch für den Verband der Lehrerinnen und Lehrer
Solothurn (LSO) bildet das Fremdsprachenobligatorium auf der Sekundarstufe I
einen Knackpunkt der Speziellen Förderung. Anders beurteilt die Mehrheit der
Volksschullehrkräfte die Situation in der Primarschule. In den (früheren)
Kleinklassen auf beiden Schulstufen erhielten die Kleinklassenlehrpersonen
weitgehende Kompetenzen, welche Schüler Fremdsprachenlektionen besuchten – oder
eben nicht.
Restriktive gesetzliche Regelung
«Es geht
natürlich nicht darum, dass Sek-B-Schüler, die keine Lust haben, Französisch
und Englisch zu lernen, einfach vom Fremdsprachenunterricht dispensiert
werden», unterstreicht Beat Weber. Für Jugendliche aber, die bereits in anderen
Fächern individuelle Lernziele (=Förderstufe B) haben, sollte diese Möglichkeit
bestehen, so der Heilpädagoge. Gemäss der aktuellen Verordnung zum
Volksschulgesetz ist «die Dispensation von einzelnen Fächern nur ausnahmsweise
und bei Vorliegen besonderer Umstände möglich». An der Oberstufe Wasseramt Ost
– und nicht nur hier – wird diese restriktive Regelung bei Dispensationen vom
Fremdsprachenunterricht pragmatisch ausgelegt. Die Schüler der 1. Sek B
besuchen grundsätzlich alle den Unterricht in Französisch und Englisch. In den
Klassen der 2. und 3. Sek B werden durchschnittlich 2 von 16 Jugendlichen von
einer Fremdsprache dispensiert.
Die Oberstufe
Wasseramt Ost mit den beiden Schulstandorten in Subingen und Derendingen hat
die Spezielle Förderung und allfällige Dispensationen im Bereich der
Fremdsprachen in einem schuleigenen Konzept geregelt. Dazu gehört, dass in der
1. Sek B alle am Fremdsprachenunterricht teilnehmen. «Wir haben festgestellt,
dass einige Kinder nach dem Übertritt in die Sek B erfreuliche
Leistungssteigerungen erreichen», so Weber. In der Mathematik, im Deutsch und
manchmal auch in den Fremdsprachen. Weber führt dies unter anderem auf die
kleineren Klassen zurück.
Dann aber gibt
es immer Schüler, die in mehreren Fächern – und auch in den Fremdsprachen – auf
die Förderung mittels individueller Lernziele angewiesen sind. Bei ausgeprägten
Lernschwierigkeiten, und nach einer Förderphase ohne positive Auswirkungen,
werde in engem Kontakt mit den Eltern abgeklärt, ob eine Dispensierung ab der
zweiten Klasse angezeigt wäre. Den Antrag stellen in einem solchen Fall die
Eltern, mitunterzeichnet wird dieser von der Klassen- und Förderlehrperson,
bevor das Gesuch dann vom Schulleiter beurteilt wird. «Es müssen alle
Beteiligten, auch der Schüler selber, mit einem solchen Schritt einverstanden
sein.»
Förderung im «Lernatelier»
Die Eltern werden dabei auch auf die Nachteile einer Fremdsprachen-Dispensierung
hingewiesen, betont Weber. Beispielsweise sind für die Berufslehren zur
Detailhandelsfachfrau und zum Koch entsprechende Fremdsprachenkenntnisse
Voraussetzung.
Für die meisten
handwerklichen Berufe indes gehören weder Französisch noch Englisch in der
Berufsschule zu den Kernkompetenzen. Deshalb erachtet Beat Weber eine
Dispensierung für vertretbar. Dies um so mehr, weil die betreffenden Schüler
während des Fremdsprachenunterrichts ihrer «Gspänli» im Rahmen eines
«Lernateliers» in den übrigen Schulfächern unter der Anleitung einer
Förderlehrperson gefördert werden. Weber: «Die Schüler beschäftigen sich hier
mit jenen Lerninhalten, die für ihren erfolgreichen Besuch der Berufsschule
entscheidend sind.» In erster Linie sind dies Deutsch und Mathematik.
In der Prim ein Motivationsfaktor
In der
Primarschule, wo die Fremdsprachen im Unterschied zur Sek I für die
Promotion keine Rollen spielen, präsentiert sich die Situation etwas anders.
«Wir haben bei den Fremdsprachen einen höhen Beurteilungsspielraum, den wir
auch nützen», sagt Rolf Meyer, Schulischer Heilpädagoge an der Primarschule
Balsthal. Es ist denn auch eher selten der Fall, dass Kinder in den
Fremdsprachen individuelle Lernziele (=Förderstatus B) haben – und damit keine
Note im Zeugnis. Der Französisch- und Englischunterricht sei gerade auch für
schulisch schwächere Kinder eine Möglichkeit, am Unterricht zu partizipieren,
beobachtet Meyer.«Oft haben sie in den Fremdsprachen ein Erfolgserlebnis.»
Das erkläre
sich auch damit, dass die Kinder in der Primarschule erst damit beginnen,
Französisch und Englisch zu lernen. In dieser Phase, so Meyer, zeigen sich die
Leistungsunterschiede noch weniger deutlich. Schülerinnen und Schüler mit
Migrationshintergrund haben sogar gewisse Vorteile, weil sie auf ihre
Erfahrungen beim Erlernen der deutschen Sprache aufbauen können.
Die neue Art
des Fremdsprachenunterrichts, der zu Beginn vor allem das Hörverständnis und
das Sprechen in den Vordergrund rückt, komme den Bedürfnissen schwächerer
Schüler entgegen. Die Lehrpersonen hätten mittlerweile zudem Erfahrung darin,
den Unterricht differenziert auf die Bedürfnisse der einzelnen Kinder
auszurichten. Das habe dann auch den Effekt, dass die knapp bemessenen
Förderlektionen nur selten für die Unterstützung im Bereich Fremdsprachen
eingesetzt werden müssen.
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