In einer dreiteiligen Artikelserie berichtet Fritz Tschudi über seine Erfahrungen mit dem Bündner Lehrerverband Legr. Er schildert, wie gegenteilige Meinungen systematisch unterdrückt, Versprechen nicht eingehalten und Vertrauen missbraucht wurde. Während der Lehrerverband sich so von seinen Mitgliedern distanziert, schmiegt er sich nah an die Positionen von LCH, PHGR und der kantonalen Administration. Hier läuft einiges nicht so, wie es sollte. Ein warnendes Lehrstück für andere Kantone. (uk)
Lehrerverbände - Back to the Roots (Teil 3). Fritz Tschudi, 16.4.
Es ist unübersehbar wie sich Führungsverantwortliche des
Lehrerverbandes Graubünden (LEGR) um die fraglose Akzeptanz aktueller
Reformvorhaben bemühen (s. Teil1 und Teil2). Man zieht willige Konsumenten heran. Wer sich mit der Konformität im Wolkenkuckucksheim
des bildungspolitischen Zeitgeistes und dem herrschenden Opportunismus nicht
abfinden kann, dem bleibt wenig Raum in diesem Verein.
„Opportunismus ist die Kunst, mit dem Winde zu segeln, den andere machen.“ (Alessandro Manzoni). „…und bedeutet oftmals das
Aufgeben der eigenen Meinung … zum Vorteil einer anderen Meinung, welcher man
grössere Chancen auf allgemeine Zustimmung einräumt.“ (Wikipedia).
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Viele, um nicht zu sagen
die Mehrheit der Bündner Lehrerinnen und Lehrer, haben sich geistig längst aus
diesem Verband verab-schiedet. Die alarmierende Passivität der Vereinsbasis hinterlässt
aber jenes verhängnis-volle Vakuum, welches der Führungsriege jede Freiheit lässt
und eigenmächtiges Handeln ohne Risiko zum „Courant normal“ macht.
Solange für die Vereinsoberen solche Töne nichts weiter als
böswillige, haltlose Unter-stellungen sind, wird nicht über die Bücher gegangen.
Nichteintreten heisst die Devise! Es sollte keinesfalls auch nur der Hauch von
Einsichtigkeit, Gesprächsbereitschaft oder gar Selbstkritik signalisiert werden.
Wie viel einfacher ist es doch, alle Unannehmlichkeiten aus den eigenen Reihen
schweigend auszusitzen und anlässlich der nächsten Hauptver-sammlung allenfalls
schön zu reden.
Anstelle
nachprüfbarer Fakten versuchen sie es mit immer gleichen Floskeln:
„Die Redaktion des Bündner Schulblattes ist weiterhin bestrebt
die vielfältigsten Schulthemen aus verschiedenen Blickwinkeln auszuleuchten“,
liess die Geschäftsleitung des Bündner Lehrerverbandes verlauten. Eine glatte
Lüge. Ein Nachweis für diese Behauptung findet sich nirgends. Weiter behauptet
die Geschäftsleitung alle Themen offen und vielfältig anzugehen. Auch
diese Aussage ist falsch.
Im Protokoll zur DV vom Herbst 2014 steht zu lesen:
„Da die Tageszeitung „Südostschweiz“ einen Leserbrief zum Lehrplan 21 aufgebauscht hat, fragt der Präsident die Delegierten an, ob Diskussionsbedarf besteht zu dem vom LP 21
favorisierten Kompetenzmodell. Trotz doppelter Nachfrage wird das Wort nicht gewünscht. -Die hart formulierte öffentliche Kritik am Lehrplan 21 und am LEGR, der diesen unterstütze, ist folglich bei den aktiven Lehrpersonen kaum Thema und der Lehrplan 21 bewegt inner-
halb des LEGR keine Emotionen….“
Hier zeigt sich abermals die verwerfliche Haltung des lockeren Umgangs mit Wahrheit und Redlichkeit: Der LP21 war im erwähnten Zusammenhang nicht Gegenstand meiner Inter-
vention. Die Fragen betrafen ausschliesslich die Haltung der Vereinsführung (s.Teil 2).
Tatsache bleibt: Weder das Schulblatt, noch die Homepage des LEGR standen für kritische Sachtexte zum Thema LP21 zur Verfügung. Publiziert wurde stets im Sinne der offiziellen
Stossrichtung, des pädagogischen Mainstreams und der politischen Promotoren.
Vorstand, Geschäftsleitung und Schulblatt-Redaktion hatten ihr Vorgehen tatsächlich nie zu rechtfertigen. Sie handelten eigenmächtig unter Verzicht auf die direktdemokratische
Gepflogenheit der offenen und breiten Debatte. Die Funktionäre handelten offenkundig
allein zugunsten der Befürworter.
· Der Verzicht auf jegliche seriöse Debatte zum LP21 ist Ausdruck der Gering-
schätzung und der Bevormundung der Mitglieder. Dies müsste allen - auch den
Befürwortern - ernsthaft zu denken geben.
· Dass der LP21 für das einfache Mitglied offenbar nie ein zentrales Thema war,
ist erschütternd unprofessionell: Die Brisanz des neuen Lehrplankonstrukts wurde
folglich über Jahre vorsorglich unter den Teppich gekehrt.
Das verdrängte Gewissen zwickte die Verantwortlichen doch noch in letzter Minute. Nach
dem jahrelangen Versäumnis sollte die letztmögliche Gelegenheit zur Lancierung der
Debatte genutzt werden. Anlässlich der ordentlichen Delegiertenversammlung
(Herbst 2014), wo doch Beschlüsse gefasst werden müssten, sollte eine Lehrplan
21-Debatte inszeniert werden… (s. Protokollauszug oben)
Nach Jahren der einseitigen Meinungsbewirtschaftung, erscheint die Torschlusspanik zur
„Entlastung“ des Vorstandes einfach nur lächerlich und in höchstem Masse unseriös. Man
stelle sich vor, welchen Verlauf die Versammlung genommen hätte, wenn sich Delegierte
wider Erwarten tatsächlich kritisch-fundiert zu Worte gemeldet hätten!
Mit seinen Aussagen (s. Protokoll) schneidet sich der Präsident ins eigene Fleisch. Er be-
stätigt dort indirekt und ungewollt die Notwendigkeit meiner Fragen. Wenn nach jahrelanger Präsenz des wichtigen Reformthemas „Lehrplan 21“ kein Echo im Verband aufkommt, kann einiges nicht stimmen. Den Verzicht der Delegierten auf die Debatte in letzter Minute als
problemlose Akzeptanz des LP21 zu interpretieren, ist unzulässig. Selbstverständlich hielt
sich der Vorstand bei formellen Beschlüssen und Abstimmungen an die formaldemokra-
tischen Spielregeln, förderte aber im Vorfeld konsequent keine Debatten, weil diese die
Wunschziele des Vorstandes hätten gefährden können.
Walter Ulbricht war zwischen 1949 und 1971 der mächtigste Politiker der DDR
Immerhin erreichte mich schliesslich das Versprechen der Geschäftsleitung, einen
Leserbrief als Forumsbeitrag im Bündner Schulblatt (Dez. 2014) zu veröffentlichen.
Das Forum wurde extra für mich reanimiert(!). Einzige Vorgabe war eine Textbeschränkung auf 1500 Zeichen. Ich verfasste folgenden Brief:
Schulblatt - Sprachrohr der
„Einfalt“
Wer im
Themenheft „Kompetenzorientierung“ die ersehnte Debatte erwartete, sah sich
einmal mehr enttäuscht. Die eigentliche Botschaft war: Hört, der Mist ist
geführt, der neue Lehrplan 21 und dessen konstruktivistische Glaubenslehre ist
unverhandelbar!
Der LEGR
sieht die fachliche Deutungshoheit über den Lehrplan 21 exklusiv bei der PHGR.
Das ist fahrlässig. Wenn der neue Rektor verkündet, unbestritten bleibe, dass
Schulen Standards, Kompetenz(-orientierung) und eine Outputorientierung
bräuchten, so frage ich mich, ob Herr Curcio es einfach nicht besser weiss,
oder ob er dem Risiko eines lebendigen Diskurses in einer wachen Lehrerschaft
ausweichen will. Curcio nennt die fundamentalen Streitpunkte und bezeichnet sie
dennoch als unbestritten. Während Dozenten anderer Hochschulen und Universitäten,
aber auch viele Lehrervertreter, sich kritisch, ja fundamental ablehnend
äussern, fungiert die Führungsriege des LEGR als verlässliche Partnerin einer
an „Einfalt“ orientierten PH.
Kritische
Texte namhafter Fachleute finden sich zuhauf. Doch mit seinem bewährten
Abwehrreflex und dem Abo auf Verbreitung des pädagogischen Mainstreams im
Schulblatt, leistet der LEGR die Hauptarbeit zur Ruhigstellung seiner Basis.
Damit setzt er deutliche Zeichen gegen die Debatte in den eigenen Reihen.
Der
fürsorgliche Abgleich der Verbandspolitik mit den Erwartungen der Mächtigeren,
zeugt nicht einfach nur von Naivität. Viel schwerwiegender ist die Missachtung
der Satzungen, wonach der LEGR die Interessen von Schule und Lehrerschaft zu
vertreten hat. Doch im kuscheligen Wolkenkuckucksheim der Eintracht fragt
niemand nach Mut, Eigenständigkeit und Beharrlichkeit.
Fritz Tschudi, Chur
(Anmerkung: „Einfalt“ meint das Gegenteil von „Vielfalt“)
Den Brief habe ich Wochen vor Redaktionsschluss per Email
abgeschickt.-Alles schien klaglos zu laufen, bis mich fast gleichzeitig mit dem
Erscheinen des Schulblattes die briefliche Absage erreichte.
Begründung (Auszug):
„Anlässlich
der letzten Redaktionssitzung wurde Ihr Schreiben besprochen. Die Redaktion
sieht
davon ab, dieses nun zu veröffentlichen. Ihr Leserbrief bringt keine
wesentlichen
neuen
Informationen…“
„Mit
Rücksicht auf die Attraktivität der nur alle zwei Monate erscheinenden
Zeitschrift
werden
keine bereits veröffentlichten Artikel aus den Tageszeitungen aufgenommen oder
„nochmals
aufgewärmt“, insbesondere, wenn diese dem Leser und der Leserin keinen
Mehrwert
bzw. interessante Zusatzinformationen bringen.“
Abgesehen davon, dass der zurückgewiesene Kurztext „keine bereits
veröffentlichten Artikel aus den Tageszeitungen“ brachte und auch nichts „aufwärmte“,
ist es im demokratischen Umfeld üblich, die Beurteilung des „Mehrwerts“ bzw. „interessanter
Zusatzinformationen“ der mündigen Leserschaft zu überlassen. Das ist ja wohl
der Sinn eines Leserbriefes.
Fazit:
- Die Verbandsleitung des LEGR hält eigenes
Versprechen nicht ein.
- Mein Leserbrief, welcher die
Verbandsführung aufrütteln will, wird ohne nachvollziehbare Begründung, in
letzter Minute und ohne Rücksprache im virtuellen Papierkorb versenkt.
- Die Bevormundung der Basis durch gezielte
Manipulation (Zensur) findet hier ihre traurige Bestätigung.
- Die Panikreaktion aus dem Wolkenkuckucksheim
zeugt nicht von Führungskompetenz.
- Der LEGR ist fundamental
reformbedürftig.
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