20. März 2015

Vom Saulus zum Paulus?

Daniel Schneebeli, Hofschreiber der Zürcher Bildungsdirektion, hat es die Sprache verschlagen: Da legt doch die Zürcher Volksschule in der Studie von Urs Moser tatsächlich eine Bruchlandung hin. Miese Ergebnisse. Und dies trotz all den wundersamen Reformprojekten, die vom Departement Aeppli aufgegleist und von ihm so vehement verteidigt wurden. Immerhin kann Schneebeli rechnen: Die vom Stimmvolk ausgehebelten Projekte der Basisstufe und des Hochdeutschen im Kindergarten können nicht schuld sein am Debakel. Ganz bestimmt werden aber die verfrühten Fremdsprachen einen gewichtigen Einfluss auf die ernüchternden Resultate gehabt haben. In seinem Kommentar zeigt der Tagi-Journalist dann auf, wie er die Probleme der Schule lösen will: Mit "existenzsichernden Löhnen, zahlbaren Krippen und nicht zuletzt mit der Wertschätzung von Alleinerziehenden und Migranten". Für einen glaubwürdigen Wechsel vom Saulus zum Paulus reicht dies aber noch nicht. (uk) 




Will mehr Chancengleichheit: Schneebeli, Bild: Tages Anzeiger

Die Schule allein ist überfordert, Tages Anzeiger, 20.3. Kommentar von Daniel Schneebeli



Viele Eltern haben es geahnt. In der Sekundarschule lernen Jugendliche nicht mehr viel. Das Interesse am Schulstoff lässt auch zu Hause nach, zu sehr sind die Kinder abgelenkt durch Games, Feten, digitale und reale Freunde. Das Chaos im Kinderzimmer bildet eben doch das Chaos in den Köpfen ab.
Nun sind die Vermutungen wissenschaftlich belegt. Die Sekundarschüler haben Motivations­probleme, besonders in der Mathematik. Von der angestrebten Chancengleichheit kann keine Rede sein. Die Wissenslücken von Kindern aus bildungsfernen Familien sind am Ende der Schulzeit grösser denn je.
Das ist entmutigend für all jene, die sich für die Jugend einsetzen, speziell für Lehrerinnen und Lehrer. Mühen sie sich vergebens ab? Nein, das nicht. Immerhin finden drei Viertel aller Jugendlichen direkt nach der Schule eine Lehrstelle oder einen Platz im Gymnasium. Und fast das ganze restliche Viertel schafft dies ein Jahr später. Solche Perspektiven hat die Jugend in kaum einem anderen Land.
Dennoch sind die negativen Befunde der Zürcher Schulstudie ein Fingerzeig. So muss der Mathematikunterricht in der Sekundarschule überdacht werden; eine gute Gelegenheit dazu bietet die laufende Überarbeitung des Lehrplans. Gleiches gilt für die Fördermassnahmen für Kinder aus sozial schwachem Umfeld. Wahrscheinlich reicht die Arbeit mit ihnen nicht. Väter und Mütter sollten verbindlich einbe­zogen werden, und zwar früh – bevor ihre Kinder schulpflichtig sind. Bildungsferne Eltern müssen wissen, dass sie die Verantwortung über das Lernen nicht vollständig an die Schule delegieren können.
Ähnliches gilt für die gesamte Bevölkerung: Sie kann gesellschaftliche Probleme nicht einfach an die Schule abschieben und dann mit dem Finger auf Lehrer, Schulleiter und Behörden zeigen, wenn diese erfolglos bleiben. Wenn es darum geht, benachteiligte Familien besser zu integrieren, sind alle gefordert: Politiker, Arbeitgeber, Nachbarn. Da reichen ein paar Elternkurse nicht. Nötig sind auch existenz­sichernde Löhne, zahlbare Krippen und nicht zuletzt die Wertschätzung von Alleinerziehenden und Migranten.


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