Präsidentin Brenzikofer verhängt Maulkorb gegen Parteikollege Wiedemann, Bild: Nicole Pont
Grüne würgen Bildungsdiskussion ab, Basler Zeitung, 17.3. von Daniel Wahl
Haben die
rund 1300 Baselbieter Lehrer – darunter hauptsächlich Sekundar- und
Gymnasiallehrer – recht, wenn sie sich mit einer Petition gegen die Einführung
von Sammelfächern wehren – den Zusammenschluss der Fächer Biologie, Physik und
Geschichte zum Gruppenfach «Natur & Technik» oder Geschichte und Geografie
zum Combifach «Räume, Zeiten, Gesellschaften»? Jedenfalls sind Schwierigkeiten
mit Sammelfächern programmiert: Will ein Biolehrer in Zukunft im neuen
Sammelfach ebenso Physik unterrichten, muss er sich bis Ende dieses Monats für
eine Weiterbildung anmelden. Vorgesehen ist dafür eine Schnellbleiche von
sieben Samstagen. Wer den gesamten Zertifikatslehrgang vorweisen möchte, hätte
26 Tage zu belegen. Dafür wird pro Lehrkraft 11'300 Franken bezahlt.
Mehrheit
gegen Sammelfächer
Ob unter dieser Prämisse
Sammelfächer nun sinnvoll sind, diskutierte bei den Grünen Baselland eine
Bildungsgruppe. Sie ist ein Ausschuss, in dem in erster Linie Pädagogen
vertreten sind. Wie immer war das Ziel, eine Vernehmlassungsantwort als
Diskussiongrundlage für die Partei und zuhanden der Bildungsdirektion
aufzusetzen. Und so kam diese Gruppe im Verhältnis sechs zu zwei (bei einer
Enthaltung) zum Schluss, dass Sammelfächer für das Baselbieter Schulsystem
nicht «das Grüne» sind. Die Schüler, die heute ohnehin ein knappes Vorwissen in
Chemie, Bio und Physik ins Gymnasium mitbringen, würden nochmals benachteiligt.
Man formulierte moderat und brachte die Mehrheits- und Minderheitsposition im
Papier zum Ausdruck.
Dieses letztlich deutliche
Resultat in der Gruppe – ein Nein zu Sammelfächern – ist der Geschäftsleitung
der Grünen aber in den falschen Hals geraten und kollidiert mit deren Weltbild.
Zwar lässt sich aus dem Grundsatzpapier «Bildung» der Grünen keine Position zu
Sammelfächern herauslesen. Insofern wäre es möglich gewesen, eine Diskussion
darüber ergebnisoffen zu führen. Aber Christoph Frommherz, Vizepräsident und
Mitglied der Geschäftsleitung der Grünen Baselland, sagt: «Wir halten in der
Partei den interdisziplinären Unterricht hoch. Das System Sammelfächer kommt
dem im Gegensatz zu getrennten Fächern entgegen.» So hat die Geschäftsleitung
unter Präsidentin Florence Brenzikofer der Bildungsgruppe einen Maulkorb
verhängt und die Vernehmlassung unter Verschluss gehalten. Bei den Grünen ein
einmaliger Vorgang.
«Autoritäres
Regime»
Von der BaZ auf den
Sachverhalt angesprochen, sagt der Grüne Sekundarlehrer Jürg Wiedemann,
Mitglied des Ausschusses: «Die Meinungsfreiheit war bei den Grünen bis heute
ein hochgehaltenes Gut. Der Vorgang der Geschäftsleitung gleicht nun eher einem
autoritären Regime als einer modernen Partei anstehenden Basisdemokratie.»
Frommherz räumt ein,
dass die Grünen gegenüber Jürg Wiedemann ein angespanntes Verhältnis hätten,
insbesondere nachdem der Landrat mit der Organisation Starke Schule Baselland
im Wahlkampf die neue Bildungsdirektorin Monica Gschwind unterstützt und dafür
gesorgt hatte, dass die SP nicht mehr in der Regierung vertreten ist. Im
Hinblick auf die Nationalratswahlen sind die Grünen auf eine Listenverbindung
mit der SP angewiesen.
Unangenehm ist die
Diskussion bei Beatrice Büschlen. Sie ist von den Grünen in den Bildungsrat
delegiert worden, der sich jüngst für die Sammelfächer ausgesprochen hat. Im
Gespräch mit der BaZ suggeriert sie, dass in der Bildungsgruppe kein Entscheid
gefallen sei und dass es keine Vernehmlassung gebe. «Entschieden ist, wenn die
Geschäftsleitung entscheidet», sagt sie und räumt so ein, dass bei den Grünen
die Spielregeln wegen der unbequemen Neins zu Sammelfächern geändert wurden:
«Einmal ist immer das erste Mal.»
Bieten lässt man sich
das nicht. Michael Pedrazzi, Mitglied der Bildungsgruppe und gleichzeitig
Vorstandsmitglied Komitee Starke Schule Baselland, sagt: «Die Gruppe akzeptiert
einen Maulkorb der Geschäftsleitung nicht und wird das auch in Zukunft nicht
dulden und hat deshalb die Vernehmlassung direkt unter dem Namen ‹Grüne und
Unabhängige› eingereicht.»
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen