19. März 2015

Eltern und Hausaufgaben

Sabine Windlin hat fünf Eltern zum Thema Hausaufgaben befragt und aufschlussreiche Antworten erhalten. Der Text beginnt mit ihrem persönlichen Einstieg ins Thema.






Hausaufgaben sind nicht nur für die Schüler eine Herausforderung, Bild: Schulinfo Zug

Hausaufgaben - Pantoffeltierchen in der Nacht, Schulinfo Zug, 18.3. von Sabine Windlin


Tag für Tag, Abend für Abend sitzen Eltern mit ihrem Nachwuchs am Tisch und büffeln: Kommaregeln, Zahlenbrüche, Kantonswappen, verbale Wortketten, die Entstehung der Sonnenfinsternis, die Konjugation von unregelmässigen Französischverben, die Hügelketten und Pässe der Schweiz, die Ursprünge der Fasnacht, den Aufbau von Blütenpflanzen, die Bildung des Subjonctif, die Stände im Mittelalter.
Doch was heißt hier büffeln? Meist endet die Lernerei zu Hause einfach nur im Streit und lauter werdenden Ausrufen der Hilflosigkeit und Verzweiflung: „Max, bitte! Nun kapier das doch endlich: „staying up" heisst aufbleiben und nicht aufstehen." „Sara, zum hundertsten Mal: der Umfang eines Rechtecks ist nicht identisch mit dessen Fläche. Wie oft muss ich Dir das noch sagen?" „Paula, ich erklär's Dir jetzt zum letzten Mal: „de" und „le" gibt es nacheinander nicht. Es muss „du" heissen!"
Vor allem berufstätige Mütter und Väter, so geht die Klage, gelangen mit dem Husi-Stress an ihre Grenzen und bereuen es schon mal, ihre Kinder zur Wahrung des Familienfriedens nicht an einer Tagesschule angemeldet zu haben, wo die Hausaufgaben entweder in der Schule oder im Studium unter Aufsicht eines Lehrers erledigt werden . Nach einem strengen Arbeitstag verspüren die wenigsten Eltern noch Lust, sich mit ihren Kindern hinzusetzten und ihnen den Unterschied zwischen Personal-, Relativ-, Reflexiv-, Demonstrativ-, -Interrogativ, Possessiv- und Indefinitpronomen zu erläutern. Abgesehen davon: ist dies nun wirklich relevant, um später im Leben bestehen können? Zum Teufel mit diesen Lernzielen, mit dieser semantisch, morphologisch und syntaktischen Haarspalterei, mit diesem Umwandeln von Milligramm in Tonnen, von Liter in Kubikmeter, mit der Division durch Dezimalzahlen und diesen elenden Prozentrechnungen. Man will jetzt endlich Feierabend!

Mitunter kommt es zu skurrilen Situationen. Gestandene Väter, die spät abends eine Internetrecherche per Google starten, um zu erfahren wie sich Pantoffeltierchen fortbewegen und ernähren, weil die Tochter anderntags einen „M & U"-Test zu bewältigen hat und die zur Verfügung stehenden Arbeitsblätter nicht versteht. Ratlose Mütter, die nachts um halb elf den 80-jährigen Schwiegervater anrufen, um von ihm zu erfahren, was es mit den Wirren um die Nachfolge vom deutschen König Rudolf dem Ersten in Zusammenhang mit den Schweizer Habsburgerkriege auf sich hatte, um zwar mit einer hochkompetenten und äusserst ausführlichen, aber für den 12-jährigen Sohn völlig unnützen Antwort konfrontiert zu werden. Einfach nur Frust!
Warum eigentlich tun sich Eltern diesen Stress an? Aus Pflichtbewusstsein? Aus Angst, die Kinder würden den Schulstoff sonst nicht verstehen oder aus Sorge, in der Schule bleibe zu wenig Zeit für ausführliche Erklärungen? Zeitigt das gemeinsame Lernen von Kindern und Eltern wenigstens Erfolge oder ist es schlicht kontraproduktiv und der Selbstständigkeit der Kinder gar hinderlich, wenn sich die Alten einmischen? Sollten sie sich ganz raushalten?



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