FDP droht mit Ablehnung des Kredits für den Pilotversuch, Bild: Picture Alliance
FDP macht Schulessen zur Gretchenfrage, NZZ, 13.2. von Christina Neuhaus
Die SVP ist die einzige Partei, die grundsätzliche
Vorbehalte gegen Tagesschulen hat. Alle anderen Parteien stehen hinter dem
Versuch, der ab 2016 in sieben Zürcher Pilotschulen startet. Als der Stadtrat
im vergangenen Herbst seine Ideen präsentierte, fielen die Reaktionen von AL
bis FDP positiv aus. Nun ist dieser interparteiliche Burgfrieden allerdings
bedroht. Ein ideologisch motivierter Streit um die Kosten der Mittagsbetreuung
hat mit der FDP ausgerechnet eine Architektin des Modells in die Opposition
getrieben.
Pragmatischer Tarifansatz
In der gemeinderätlichen Kommission, die sich mit
dem 19-Millionen-Kredit befasste, entzündete sich der Streit am Beitrag von 6
Franken, die Eltern für ein Mittagessen an der Schule zahlen sollen. Zum
Vergleich: Heute betragen die Vollkosten pro Tag und Kind 37 Franken. Für das
Projekt Tagesschule rechnet das zuständige Schul- und Sportdepartement unter
Stadtrat Gerold Lauber mit 25 Franken.
Das Modell eines Einheitstarifs wählte der
Stadtrat, weil die Eltern der betroffenen Kinder wenn auch nicht gezwungen, so
doch mit Nachdruck dazu angehalten werden, ihre Kinder an einigen Tagen pro
Woche in der Schule essen zu lassen. Aus diesem Grund nahm man Abstand von
einkommensabhängigen Tarifen, wie sie in den städtischen Horten üblich sind.
Die Elternbeiträge reichen dort von 4 Franken 50 pro Tag bis zu 33 Franken. Im
Vergleich nehmen sich die 6 Franken für ein Mittagessen an einer Tagesschule
moderat aus. Nach Ansicht der linken Parteien sind 6 Franken für Familien mit
tiefen Einkommen allerdings zu viel. Obwohl der Vorschlag des Stadtrats vorsieht,
Betroffenen auf Gesuch hin die Kosten zu erlassen, beantragen SP, GP und AL
eine grundsätzliche Regelung. Während die Grünen die Kosten für die Mittagessen
zumindest während der ersten Phase des Pilotversuchs ganz streichen wollen,
fordern SP und AL Staffeltarife. Wer nach allen Abzügen - und die sind in
Zürich erklecklich - ein Einkommen bis zu einem massgebenden Betrag von 20 000
Franken erzielt, soll nichts für das Essen zahlen müssen. Für höhere Einkommen
wird der vom Stadtrat vorgeschlagene Tarif von 6 Franken gefordert. Mit diesem
Vorstoss verprellt Rot-Grün allerdings die Bürgerlichen. Neben der SVP droht
nun auch die FDP, die zu den Architekten des nun geplanten Tagesschulmodells
gehört, mit Ablehnung des Objektkredits und damit des Pilotversuchs.
Spareffekt reduziert
Wie der zuständige FDP-Gemeinderat Severin Pflüger
am Donnerstag ausführte, will die Partei die Kosten für das Schulessen zur
Gretchenfrage machen. Denn einer der Gründe, weshalb sich die Freisinnigen für
Tagesschulen einsetzen, sind die hohen Kosten für die ausserfamiliäre
Kinderbetreuung. Obschon mit einem flächendeckenden Angebot an Tagesschulen
mehr Kinder verpflegt werden, ist das Modell auf lange Sicht um 15 Prozent
günstiger als Horte. Die jährliche Ersparnis schätzt das Schul- und
Sportdepartement auf 30 bis 40 Millionen Franken. Werden die Elternbeiträge an
die Mittagessen allerdings gesenkt oder gar ganz gestrichen, reduziert sich der
Spareffekt deutlich. Heute besuchen fast 60 Prozent der über 12 000 Kinder, die
ausserfamiliär betreut werden, einen Mittagstisch. Angenommen, diese 7200
Kinder essen während der 39 Schulwochen an jeweils drei Tagen in der Schule,
belaufen sich die Elternbeiträge bereits bei einem Tarif von 6 Franken auf über
5 Millionen Franken.
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