Pflicht zu zweiter Landessprache in der Primarschule, NZZ, 20.2.
Der Bund kann den Kantonen beim Fremdsprachenunterricht in der
Primarschule Vorschriften machen. Dies hält das Bundesamt für Kultur (BAK) in einem
Bericht fest, welchen die Bildungskommission des Ständerates (WBK) verlangt
hatte. Der am Freitag publizierte Bericht wird als Grundlage zur Behandlung
diverser parlamentarischer Vorstösse dienen. Als mögliche gesetzliche Regelung
schlägt das BAK eine Ergänzung eines Artikels im Sprachengesetz vor. Dort steht
heute: «Sie (Bund und Kantone) setzen sich im Rahmen ihrer Zuständigkeit für
einen Fremdsprachenunterricht ein, der gewährleistet, dass die Schülerinnen und
Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit über Kompetenzen in mindestens
einer zweiten Landessprache und einer weiteren Fremdsprache verfügen.» Ergänzt
würde der Artikel mit dem Satz:«In der zweiten Landessprache beginnt der
Unterricht auf der Primarschulstufe.» Diese Lösung lehne sich an die
HarmoS-Lösung an, ohne die Einstiegsfremdsprache, die Reihenfolge und ein
bestimmtes Schuljahr für den Beginn des jeweiligen Fremdsprachenunterrichts
festzulegen, schreibt das BAK. Die Handlungsfreiheit der Kantone bliebe damit
gewahrt. Auch blieben Sonderlösungen für die Kantone Tessin und Graubünden
möglich.
Alternative zu parlamentarischen Vorschlägen
Der Bund schlägt diese
Lösung als Alternative zu zwei parlamentarischen Initiativen der
nationalrätlichen Bildungskommission vor. Die eine will festlegen, dass der
Unterricht in einer zweiten Landessprache spätestens zwei Jahre vor Ende der
Primarschule beginnt. Gemäss der anderen soll der Bund den Kantonen
vorschreiben, dass als erste Fremdsprache eine zweite Landessprache zu
unterrichten ist. Diese Vorschläge sind aus Sicht des BAK problematisch, da der
Bund damit in die Kompetenzen der Kantone eingreifen und seine eigenen
überschreiten würde. Auch der Alternativvorschlag des BAK kommt indes nur in
Frage, wenn die Kantone ihren Auftrag nicht erfüllen.
Zur
Harmonisierung verpflichtet
Seit der Revision der
Bildungsbestimmungen in der Bundesverfassung im Jahr 2006 sind die Kantone
verpflichtet, den Unterricht zu harmonisieren. Diesem Auftrag wollen sie mit
dem HarmoS-Konkordat nachkommen, das regelt, wie die Harmonisierung erfolgen
soll.
Das Konkordat ist
derzeit für 15 Beitrittskantone verbindlich. Diese müssen die Bestimmungen bis
im Sommer umsetzen. Die verfassungsmässige Pflicht zur landesweiten
Harmonisierung gilt jedoch für alle Kantone.
Bilanz
im Sommer
Erfüllen die Kantone den
verfassungsmässigen Harmonisierungsauftrag nicht, so ist der Bund nicht bloss
ermächtigt, sondern verpflichtet, die notwendigen Bestimmungen zu erlassen, wie
der Bericht festhält. Ob die Voraussetzungen für eine Intervention des Bundes
gegeben sind, entscheidet das Parlament. Solange eine Koordination der Kantone
erreichbar bleibt, darf der Bund indes nicht eingreifen.
Ob die Koordination
möglich bleibe, werde im Sommer beurteilt werden können, schreibt das BAK. Dann
läuft die im Konkordat definierte Frist für die Umsetzung des
Verfassungsauftrags ab. Sollten in einem Kanton bereits vorher Entscheide
fallen, die der Harmonisierungspflicht widersprächen, behalte sich der
Bundesrat vor, mit den gesetzgeberischen Vorarbeiten zu beginnen.
Frühfranzösisch streichen
In verschiedenen
Deutschschweizer Kantonen laufen Bestrebungen, dass auf der Primarstufe nur
noch eine Fremdsprache unterrichtet wird. So hat im Kanton Thurgau das
Parlament die Regierung beauftragt, den obligatorischen Französischunterricht
aus dem Lehrplan der Primarstufe zu streichen.
Im Kanton St. Gallen
soll die Regierung prüfen, ob Französisch auf die Oberstufe verlagert werden
soll. Der Kanton Schaffhausen will sich für eine Anpassung von HarmoS mit nur
noch einer obligatorischen Fremdsprache auf der Primarstufe starkmachen. Und in
den Kantonen Nidwalden, Luzern und Graubünden wurden Volksinitiativen
eingereicht, die verlangen, dass auf Primarstufe nur eine Fremdsprache
unterrichtet wird.
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