Die Lehrerverbände stehen grundsätzlich hinter dem Lehrplan 21, Bild: getty images
Allianz gegen Lehrplan 21 formiert sich auch in Zürich, Tages Anzeiger, 28.10. von Anja Burri
Auch
in Zürich soll das Stimmvolk beim Lehrplan 21 das letzte Wort haben. Die
SVP-Kantonsrätin Anita Borer lanciert mit Verbündeten eine kantonale Volksinitiative
gegen das Werk, das zum ersten Mal für alle Deutschschweizer Schulkinder
einheitliche Lernziele festlegt. Die Gruppierung besteht aus Politikern,
Lehrern und Eltern. Bis jetzt sind Vertreter der SVP, EVP und EDU beteiligt.
Zurzeit laufen die Arbeiten am Initiativtext. Um den Lehrplan 21 zu verhindern,
wollen die Initianten das Volksschulgesetz abändern. Die Zürcher Lehrplangegner
planen, noch vor Ende Jahr an die Öffentlichkeit zu treten.
Zum Komitee gehört auch
der ehemalige EVP-Kantonsrat und Lehrer Hanspeter Amstutz. Es brauche eine
breite öffentliche Diskussion, sagt er. Das Stimmvolk habe das Recht, über eine
so wichtige Veränderung in der Volksschule zu entscheiden. «Wir wollen den
Lehrplan 21 aus dem Halbdunkel des Harmos-Konkordats ins Licht der
Öffentlichkeit stellen», sagt er. Er sei nicht dagegen, dass die Kantone ihre
Bildungssysteme einander angleichen. «Dafür hätte man einfach die besten
kantonalen Lehrpläne nehmen und zusammenfassen sollen», sagt er. Der nun
vorliegende Lehrplan 21 aber sei keine Koordination, sondern eine Grossreform.
Amstutz steht dem Kompetenzmodell des Lehrplans 21 skeptisch gegenüber. Die
Orientierung an Kompetenzen sei noch viel zu wenig erprobt. Zudem befürchte
er, dass die Lerninhalte, das Wissen, auf der Strecke blieben.
Entscheidung
steht kurz bevor
Die Opposition in Zürich
formiert sich nun ausgerechnet kurz bevor der Lehrplan 21 in die entscheidende
Phase geht: Voraussichtlich noch diese Woche werden die Deutschschweizer
Erziehungsdirektoren (D-EDK) die überarbeitete Version des Lehrplans
verabschieden und zur Umsetzung freigeben. Dann liegt der Ball bei den
einzelnen Kantonen, wo entweder die Bildungsräte oder die Regierungen über den
Lehrplan entscheiden können. Die D-EDK hatte im Frühling angekündigt, einzelne
Kapitel aufgrund der Kritik in der Anhörung anzupassen und den Lehrplan
insgesamt um etwa ein Fünftel zu kürzen. Dem Vernehmen nach braucht es
allerdings für einzelne umstrittene Kapitel noch etwas mehr Zeit. Auch in
anderen Kantonen haben sich in den vergangenen Monaten Lehrplangegner
organisiert. Wie in Zürich sind dort Allianzen aus Kreisen der SVP, EVP, EDU
und Grünen sowie Lehrkräfte und Eltern aktiv. Am weitesten sind die Bemühungen
in Baselland: Dort hat das Komitee die Volksinitiative Mitte Oktober mit über
3000 Unterschriften eingereicht. In St. Gallen beginnt die
Unterschriftensammlung am 4. November. Im Aargau und in Schwyz laufen diese
schon. Andernorts – etwa in Luzern, Graubünden oder im Thurgau – berichten
Mitstreiter von Vorbereitungen hinter den Kulissen.
Viele der Lehrplangegner
haben in ihren Kantonen schon erfolgreich gegen das Schulharmonisierungskonkordat
Harmos gekämpft. Dieses wurde in sieben Kantonen von der Stimmbevölkerung
abgelehnt. Das Ziel von Harmos ist es, die kantonalen Schulsysteme einander
anzugleichen. Der Lehrplan 21 ist eine dieser Harmonisierungsmassnahmen. In den
Harmos-Kantonen St. Gallen und Baselland verlangen die Lehrplangegner deshalb
einen Austritt aus dem Konkordat. Der Lehrplan 21 wird aber auch von jenen
Kantonen eingeführt, die bei Harmos nicht mitmachen.
Lehrer
als treibende Kräfte
Sie sei von Lehrkräften
motiviert worden, den Lehrplan 21 zu stoppen, sagt Irene Herzog, Präsidentin
des Schwyzer Initiativkomitees. Die Lehrer wollten selber nicht an die
Öffentlichkeit treten, weil sie negative Reaktionen der Schulleitungen
befürchteten. Seit dem Sammelstart vor zwei Wochen seien bereits 500 der
benötigten 2000 Unterschriften zusammen. Das Tempo ist nötig: Das Komitee will
die Initiative nämlich bis Mitte Dezember einreichen – just bevor die Schwyzer
Regierung über die Umsetzung des Lehrplans 21 befindet. Auch im Aargau wollen
die Initianten das Volksbegehren vor Weihnachten einreichen. Sie haben bisher
1200 der benötigten 3000 Unterschriften gesammelt.
Für die Präsidentin des
Zürcher Lehrerverbands, Lilo Lätzsch, zeigt die wachsende Opposition vor allem
eines: «Damit der Lehrplan 21 breit akzeptiert wird, braucht es eine gute
Umsetzung.» Es sei genügend Geld für Lehrmittel und Weiterbildungen der
Lehrkräfte nötig. Und der Lehrplan müsse auch nach der Überarbeitung durch die
Lehrplanmacher noch weiter auf ein vernünftiges Mass geschrumpft werden. Eine
Volksinitiative gegen den Lehrplan 21 bringe die Diskussion hingegen nicht
weiter, glaubt Lätzsch. Die Lehrerverbände stehen – abgesehen von punktueller
Kritik etwa zum Umfang – grundsätzlich hinter dem Lehrplan 21.
Dass dieser unter den
Zürcher Lehrkräften zumindest umstritten ist, zeigt eine nicht repräsentative
Umfrage des ZLV. Von 279 befragten Volksschullehrern gaben vor den Herbstferien
rund 26 Prozent an, sie lehnten den Lehrplan 21 ab. Knapp 12 Prozent zählen
sich zu den Befürwortern, und 8 Prozent haben sich noch nicht mit dem Thema
befasst. Die Mehrheit (54 Prozent) will dem Lehrplan noch eine Chance geben und
nun zuerst die überarbeitete Fassung abwarten. Diese soll Anfang November
veröffentlicht werden.
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