Klassenzimmer soll vor politischen Übergriffen geschützt bleiben, Bild: Karin Hofer
Falsche Adresse für Lehrplan-Debatte, NZZ, 23.9. von Walter Bernet
Der Kantonsrat will den Entscheid über Lehrpläne
weiterhin dem von ihm gewählten Bildungsrat überlassen. Er hat am Montag mit
105 zu 63 Stimmen eine parlamentarische Initiative von Anita Borer (svp.,
Uster) abgelehnt, welche die Beschlussfassung über den Lehrplan der Volksschule
dem Kantonsrat übertragen und dem Volk mittels Referendum das letzte Wortes
geben sollte. Das Ergebnis konnte erwartet werden. In der vorberatenden
Kommission für Bildung und Kultur hatten sich nur der EDU- und der EVP-Vertreter
- der seinen anders denkenden Kollegen vertrat - auf die Seite der SVP
geschlagen.
Richtplandebatte im Quadrat
Kommissionspräsident Ralf Margreiter (gp., Zürich)
erinnerte daran, dass die Romandie bereits seit einiger Zeit über einen
gemeinsamen Lehrplan verfügt. Nun soll im Sinne der vom Volk gutgeheissenen
Harmonisierung auch die Deutschschweiz eine gemeinsame Grundlage für den
Unterricht und für die Erarbeitung von Lehrmitteln bekommen: den Lehrplan 21.
Diesen den kantonalen Bedürfnissen anzupassen und mit einer Stundentafel zu
versehen, ist im Kanton Zürich gemäss Bildungsgesetz Aufgabe des Bildungsrats.
Während die SVP mit ihrer Initiative diese
Kompetenzordnung unterlaufen wolle, traue eine Kommissionsmehrheit dem
gesellschaftlich ausgewogen zusammengesetzten Fachgremium eine angemessene
Überarbeitung zu, sagte Margreiter. In deren Rahmen gebe es genügend
Gelegenheit, Kritik anzubringen. Das Gros der Lehrpersonen stehe hinter dem
Lehrplan 21. Margreiter stellt sich eine Lehrplan-Debatte wie eine
Richtplandebatte im Quadrat vor. Im Unterschied zum Richtplan sei der
Kantonsrat aber im Fall des detaillierten Lehrplans klar das falsche Gremium.
Die Konsistenz des Lehrplans würde leiden, und er würde zum Spielball
punktueller politischer Interessen.
Initiantin Anita Borer konterte, es gehe um die
Abstützung des Lehrplans im Volk, schliesslich bilde dieser die Grundlage für
die Ausrichtung der Schule in den nächsten Jahrzehnten. Sie wolle im Kanton
nicht dasselbe Debakel erleben wie beim Lehrplan 21. Es habe zwar eine
Konsultation in der ganzen Deutschschweiz gegeben, aber die Kritik sei
heruntergespielt worden. Viele Eltern und Lehrer hätten sich von der Mitsprache
und der politischen Einflussnahme ausgeschlossen gefühlt. Beim Lehrplan 21
handle es sich um ein Konstrukt ohne Bezug zur Realität. Mit seinen über 500
Seiten sei er viel zu umfassend, und die detaillierten Vorschriften untergrüben
die Bildungshoheit der Kantone. Mit der ursprünglichen Idee der Harmonisierung
habe er wenig zu tun. Ihr gehe es um die demokratische Mitsprache aller
Betroffenen. Die Bevölkerung müsse das letzte Wort haben.
Für Schulleiterin Theres Agostini Monn (sp.,
Turbenthal) braucht die Schule Beständigkeit und Ruhe. Mit seinem breiten Blick
auf Bildung und mit seinen Koordinationsfunktionen sei der Bildungsrat das
richtige Entscheidungsgremium. Auch Sabine Wettstein (fdp., Uster) will den
Lehrplan nicht einer politischen Debatte unterwerfen. Der Kantonsrat habe auf
das Thema andere Einflussmöglichkeiten: auf die Zeitplanung, die Stundentafeln,
die Mittel für Weiterbildung und andere. Die FDP unterstütze den Lehrplan 21
weiterhin kritisch und konstruktiv.
Das Heft in der Hand behalten
Res Marti (gp., Zürich)
bezeichnete es als Widerspruch, wenn einerseits der Lehrplan 21 als zu komplex
dargestellt werde, anderseits das Volk ihn beurteilen solle. Christoph Ziegler
(glp., Elgg) vermutete, dass der Kantonsrat eine Sondersession einberufen
müsste, wollte er den Lehrplan behandeln. Stefan Hunger (bdp., Mönchaltorf)
hält die Diskussion des Projekts für nötig, sein Erlass soll aber beim
Bildungsrat bleiben. Und Corinne Thomet (cvp., Kloten) glaubt, dass die
Befürworter der Initiative es nur auf ein Hinauszögern oder die Verhinderung
des Lehrplans 21 abgesehen hätten. Für die Initiative sprach sich neben
SVP-Vertretern einzig Hans Peter Häring (edu., Wettswil am Albis) aus. Er will
das Heft in der Hand behalten, um sicher zu sein, dass die christlichen
Grundwerte im Lehrplan verankert bleiben.
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