Beide Basel sind mit Vollklassen in den
Schul-Lockup gestartet. Eine Strategie, die im Vorfeld für viel Kritik sorgte.
Aber wie gut funktioniert das Konzept mit Händewaschen und Abstandhalten denn
nun wirklich? Jean-Michel Héritier ist Präsident der Freiwilligen Schulsynode
Basel-Stadt und Lehrer an der Basler Primarstufe Insel. Am Mittag nach der
Öffnung zieht er eine erste Bilanz: «Es hat so geklappt, wie wir das
vorbereitet haben. Die Sitzordnung wurde umgestellt, um Distanz zu schaffen,
und wir unterrichten mehr frontal als sonst.» Aber der erste Vormittag hat auch
bereits deutlich die Grenzen des neuen Systems aufgezeigt. «Es wird einem
sofort klar, dass eine 2-Meter-Regel nicht flächendeckend umsetzbar ist», sagt
Héritier. «Das klappt nur, solange alle still sitzen. Aber gerade kleine Kinder
sind ja auch in Bewegung. Das beginnt beim Eintreten durch die Türe und geht
weiter beim Händewaschen, das nun so häufig durchgeführt werden muss.»
"Abstand halten funktioniert in der Schule nicht", Basler Zeitung, 11.5. von Nina Jecker
Schwierig seien besonders Situationen, in denen ein
Kind Hilfe bei einer Aufgabe brauche. «Das funktioniert nicht mit zwei Metern
Abstand.» Das Kollegium an Héritiers Schulhaus versucht, das Risiko einer
Ansteckung trotzdem zu verringern. Einige wenige tragen Schutzmasken, andere
passen ihr Verhalten an. «Wenn ich einem Schüler etwas erkläre, achten wir
darauf, dass wir uns dabei wenigstens nicht anschauen, sondern die Gesichter so
gut wie möglich voneinander abwenden.»
Um entspannter arbeiten zu können, wünschen sich
die Lehrpersonen aber nach wie vor mehr Schutzausrüstung. Masken gibt es zwar
ein paar – für Personen, die plötzlich Symptome zeigen, oder Angehörige einer
Risikogruppe, die zum Elterngespräch kommen müssen. Aber es reicht längst nicht
aus, damit alle Lehrer, die das wünschen, damit arbeiten können. Der Berufsverband
hat im Vorfeld Masken besorgt, weil das Erziehungsdepartement nicht noch mehr
zur Verfügung stellen wird. «Die Nachfrage war aber so gewaltig, dass alle
Exemplare nach 24 Stunden weg waren», sagt Héritier. Um Kindern auch mal etwas
erklären zu können, würden die Lehrer zudem in jedem Schulzimmer
Plexiglasscheiben benötigen. Aber auch diese sind Mangelware. Gerade im Umgang
mit kleinen Kindern, etwa an Kindergärten, seien sicher auch Einweghandschuhe
von Vorteil, so Héritier. «Bei Vierjährigen muss die Lehrperson beispielsweise
noch oft beim Schuhebinden helfen. Da wäre es gut, bei diesem Vorgang
wenigstens so gut wie möglich geschützt zu sein.»
In
Kindergärten besonders schwierig
Roger von Wartburg ist Sekundarlehrer im Baselbiet
und Präsident des Lehrerinnen- und Lehrervereins Baselland. Er unterrichtet
eine 9. Klasse, und auch er hat Schwierigkeiten mit der Abstandsregel. «Im
Schulhaus kommen hunderte Menschen zusammen, und die Gänge und Treppenhäuser
sind halt nicht sehr breit. Um den Abstand permanent einhalten zu können,
müssten die Lehrpersonen den ganzen Tag im markierten Bereich in ihren
Schulzimmern bleiben.» Auch er sieht vor allem die Erklär-Situationen als
Problem. «Sogar bei meinen Neuntklässlern ist es schwierig, eine individuelle
Frage auf Distanz zu besprechen, also ohne auf dasselbe Blatt zu schauen. Ich
stelle mir vor, dass es bei jüngeren Schülern noch schwieriger ist.»
Plexiglasscheiben gibt es zwar vereinzelt, «aber die haben die Lehrpersonen
jeweils selber beschafft oder sogar daheim gebastelt», sagt von Wartburg. Viele
Lehrpersonen sind jedoch der Meinung, dass die Behörden sie als Arbeitnehmer
schützen müssten. «Wie das in anderen Branchen und Betrieben ja auch der Fall
ist», sagt von Wartburg. Einige wollen deshalb nun erreichen, dass ihnen der
Arbeitgeber die Kosten für die selber gekauften Schutzwände zurückerstattet.
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