Langeweile statt Motivation, Frust in der Schule statt Lust am Lernen:
So geht es einem Teil der Kinder, die im Vergleich zu gleichaltrigen Gspändli
in ihren kognitiven Fähigkeiten deutlich über dem Durchschnitt liegen. Während
es in der Volksschule zahlreiche Angebote zur Förderung von Kindern mit
schulischen Defiziten gibt, sind die Möglichkeiten für besonders clevere Kinder
in der Regel bisher eher bescheiden. Zwar gibt es im Kanton Luzern mehrere
Schulen, die zusätzliche, spezielle Förderprogramme für Hochbegabte anbieten,
doch das sind Ausnahmen.
Im neuen Schuljahr starten in Luzern und Sursee Ateliers für Hochbegabte, Luzerner Zeitung, 2.3. von Susanne Balli
Ab dem kommenden Schuljahr 2019/20 wird diese Lücke mit einem neuen
Angebot geschlossen. Der Kanton Luzern bietet ab diesem Zeitpunkt in Luzern und
Sursee Ateliers für Hochbegabte an. Charles Vincent, Leiter Dienststelle
Volksschulbildung sagt: «Die Ateliers richten sich an Dritt- bis Sechstklässler
aus dem ganzen Kanton, die nachweislich im Bereich der Hochbegabung liegen,
welche in der Regel durch eine sogenannte Potenzialanalyse durch einen
Psychologen ermittelt wurde.» Dies könne entweder von den zuständigen
schulpsychologischen Diensten oder aber privat durch einen Psychologen
durchgeführt werden. Allerdings ist eine Aufnahme auch möglich, wenn die
Klassenlehrperson und die Eltern in ihrer Beurteilung übereinstimmen. Von
Hochbegabung spricht man, wenn der Intelligenzquotient bei mindestens 130
liegt.
Maximal 100 Plätze in Luzern und
Sursee
Pro Woche werden an den beiden Standorten Luzern und Sursee je zwei
Halbtage angeboten, während denen die hochbegabten Kinder nicht ihre
Regelklasse, sondern ein solches Lernatelier besuchen. In Sursee können maximal
40 Plätze pro Woche in einem Schuljahr angeboten werden; in Luzern sind es
maximal 60 Plätze. Vincent schätzt, dass zu Beginn maximal die Hälfte der
möglichen Plätze gebraucht wird, bis sich das Angebot etabliert habe.
Welche Fächer in den Lernateliers angeboten werden, ist laut Vincent
noch nicht ganz klar. Angedacht seien Fremdsprachen wie Chinesisch oder
Japanisch, aber auch Förderung im Bereich der Mint-Fächer (Mathematik,
Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Aber auch das selbstständige
Arbeiten in Projekten werde thematisiert und eingeübt.
Für das Angebot müssen die Eltern einen (symbolischen) Beitrag von 50
Franken pro Semester zahlen. Der Rest (rund 100'000 Franken pro Schuljahr) wird
durch den Kanton sowie über Stiftungen finanziert.
Mit dem Projekt geht es nun zügig vorwärts: Nach den Fasnachtsferien
erfolgt die Ausschreibung über die Schulleitungen und Lehrpersonen. Sie sind
für eine entsprechende Information der Eltern zuständig. Beim Standort Sursee
verfügt der Kanton bereits über entsprechende Räumlichkeiten in unmittelbarer
Nähe zum Bahnhof. In Luzern werden die Ateliers voraussichtlich auch in der
Nähe des Bahnhofs angesiedelt. Laut Vincent laufen derzeit die notwendigen
Abklärungen.
Fokus liegt eher bei lernschwachen
Kindern
«Die Ateliers für Hochbegabte stellen keine Konkurrenz zu den Angeboten
der Schulen in den Gemeinden dar, sondern sind als Ergänzung gedacht», sagt
Vincent. Nicht alle hochbegabten Kinder hätten die gleichen Bedürfnisse. Ein
Teil fühle sich in den Regelklassen wohl und erhalte dort oder durch ergänzende
Angebote wie Instrumentalunterricht die nötigen Lern-Inputs. Zumal die
Förderung besonders cleverer Schülerinnen und Schüler schon immer Bestandteil
der Integrativen Förderung und im Volksschulgesetz verankert sei.
Es stellt sich aber die Frage der Umsetzung. Vincent räumt denn auch
ein:
«Es ist in der Regel so, dass der Fokus der
Fördermassnahmen innerhalb des Förderkonzepts bisher eher bei den lernschwachen
Kindern liegt.»
Die Lernateliers für Hochbegabte sind als Pilotprojekt auf vier Jahre
ausgelegt. «Wenn das Angebot auf genügend Nachfrage stösst, wird es danach
weitergeführt und allenfalls auf die Region Willisau und Seetal ausgeweitet»,
so Vincent.
Dass das Bedürfnis für die Förderung von besonders begabten Kindern
vorhanden ist, wurde schweizweit erkannt. Der Schweizer Lehrerinnen- und
Lehrerverband (LCH) geht davon aus, dass jedes fünfte Kind mehr leisten könnte,
als auf seiner Stufe gefordert ist. Daher fordert der Verband in einem
Positionspapier, dass die Förderung von Kindern mit hohen Begabungspotenzialen
verbindlich geregelt werden soll (siehe Box). Dies als Grundauftrag aller
Schulstufen (Ausgabe vom 14. Januar). So soll jede Schule über mindestens eine
Lehrperson mit Ausbildung in der Begabtenförderung aufweisen.
Uni Zürich evaluiert Integrative
Förderung
Charles Vincent hält die Forderungen des LCH grundsätzlich für
«vertretbar». Es brauche eine Sensibilisierung für die Thematik, damit die
Begabten nicht untergehen. Er sagt aber auch:
«Das Pendel soll nicht gleich auf die andere Seite
ausschlagen. Man sollte das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.»
Wie gut die Förderung hochbegabter Kinder an der Luzerner Volksschule
funktioniert, wird sich nächstens zeigen. Derzeit werden die Integrative
Förderung und die Integrative Sonderschulung extern durch die Universität
Zürich in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Zürich evaluiert. Der
Bericht soll gegen Ende Jahr vorliegen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen