«Je früher ein Kind mit dem Erlernen einer
Fremdsprache beginnt, desto besser!» Dieser Volksglaube steckt auch heute noch
in den Köpfen vieler Menschen. Was damit wirklich gemeint ist, ist die
Auseinandersetzung mit einer Fremdsprache über einen langen Zeitraum, gepaart
mit der immer wieder stattfindenden Konfrontation derjenigen.
"Je früher, desto besser" stimmt nicht immer, Basler Zeitung, 22.5. von Saskia Olsson
Es
mag stimmen, dass ein sechsjähriges Kind, das mit der Familie nach Frankreich
zieht und dort in eine französische Schule mit Französisch sprechenden Kindern
eingeschult wird und mit gleichaltrigen Französisch sprechenden Nachbarn
spielt, keine Probleme hat, diese Sprache innert kürzester Zeit zu erlernen.
Problematisch wird es allerdings dann, wenn auf Teufel komm raus dieses Prinzip
an unseren Primarschulen angewendet wird und man den gleichen Erfolg erwartet.
Unsere Schulkinder setzen sich nur während zwei bis drei Wochenlektionen mit
der Sprache auseinander. Es müsste jedem klar sein, dass das Prinzip des
«Sprachbades» bei dieser kleinen Anzahl von Wochenstunden nicht möglich ist.
Doch
nicht nur das: Viele wissenschaftliche Studien sowohl aus der Schweiz als auch
aus Kanada belegen, dass das frühe Erlernen einer Fremdsprache weder kurz- noch
langfristig vorteilhaft ist. Wenn Schulkinder Englisch erst auf der
Sekundarstufe lernen, holen sie den Vorsprung derjenigen, die bereits seit der
fünften Klasse Englisch lernen, innerhalb von sechs Monaten auf. Das hat eine
Studie der Sprachwissenschaftlerin Simone Pfenninger von der Universität Zürich
ergeben. Sie hat die Englischkenntnisse von 400 Sekundarschulabgängerinnen und
Sekundarschulabgängern aus Zürich miteinander verglichen.
Obwohl
ein Teil der Befragten bereits in der Primarschule Englisch lernte und der
andere Teil erst ab der Sekundarstufe, waren die «Spätlernenden» am Ende der
obligatorischen Schulzeit mindestens auf demselben Wissensstand – in einigen
Bereichen waren sie den «Frühlernenden» sogar voraus. Auf der Sekundarstufe
lernen die Schülerinnen und Schüler die Fremdsprache wesentlich strukturierter
und systematischer. Durch das effizientere Lernen benötigen sie auch weniger
Zeit.
Eine
negative Begleiterscheinung seit der Einführung von zwei Fremdsprachen an der
Primarschule ist, dass die Leistungen im Fach Deutsch auf der Primarstufe
markant gesunken sind. Der Zusammenhang zwischen der Überforderung der
Schulkinder durch zwei Fremdsprachen und dem gleichzeitigen Sinken des Wissens
im Fach Deutsch ist naheliegend. Deshalb wäre es zielführender, zunächst die
deutsche Sprache und Grammatik zu festigen. Das Frühfremdsprachenprojekt mit
den beiden Fremdsprachen Französisch und Englisch ist gescheitert. Nicht nur
bindet es enorme Ressourcen und verursacht Kosten in Millionenhöhe; es bringt
für die Schulkinder auch keinen Mehrwert, sondern setzt sie einem unnötigen
Druck und Stress aus. Der ausbleibende Lernerfolg demotiviert die Kinder und
das Klassen- und Lernklima verschlechtert sich durch die zunehmende
Frustration.
Warum
sollen wir unsere Kinder dieser grossen Überforderung aussetzen, obwohl
wissenschaftliche Studien belegen, dass ein früher Fremdsprachenbeginn keine
Vorteile hat und die jetzigen Englischstunden auf der Primarstufe viel
sinnvoller und zielführender eingesetzt werden könnten? Stimmen Sie deshalb am
10. Juni Ja zur Initiative «Eine Fremdsprache auf der Primarstufe genügt».
Saskia
Olsson ist Geschäftsleiterin Starke Schule beider Basel.
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