Das Bundesgerichtsurteil zu den kulturellen und sportlichen Aktivitäten
in der Volksschule sorgt für Diskussionen. Noch vor einer Woche hatte Staatsrat
und Erziehungsdirektor Jean-Pierre Siggen (CVP) informiert, dass der
Bundesgerichtsentscheid ab sofort gilt.
Er hat den Ball den Gemeinden zugespielt und überlässt es somit ihnen
und den Schulen, wie sie konkret mit der neuen Situation umgehen wollen. Er
stellte zwar eine Arbeitsgruppe in Aussicht, die abklären soll, welche
Schulmaterialien die Eltern und welche die Gemeinden bezahlen müssen. Doch
sollen diese Abklärungen erst im Sommer abgeschlossen sein.
Wer bezahlt wieviel an Lager und Ausflüge? Bild: Philippe Devanne
Notfalls bezahlen die Gemeinden, Berner Zeitung, 10.2.
Eindringliche Appelle
Eine Delegation der Oberamtmänner und des Gemeindeverbandes verlangte
bei einem Treffen mit Siggen eine bessere Koordination. Dass Handlungsbedarf
und grosse Unsicherheit besteht, zeigen Recherchen. So haben einige Eltern der
Stadt Murten die Rechnung für ein bereits durchgeführtes Lager zurückgeschickt
(siehe Kasten).
Noch vor kurzem hatte der Erziehungsdirektor gesagt, dass der Entscheid
des Bundesgerichts keinen Spielraum offenlasse: Mehr als 10 bis 16 Franken pro
Tag dürfen die Schulen künftig von den Eltern für solche Aktivitäten nicht mehr
fordern.
Jetzt übernahm Siggen teilweise die Haltung seines Berner Kollegen,
Erziehungsdirektor Bernhard Pulver (Grüne). Dieser empfiehlt den Gemeinden, die
bisherige Praxis beizubehalten. Im Kanton Bern werden von den Eltern 20 bis 30
Franken pro Tag verlangt. Wie Pulver sagte, hat dies nie zu Reklamationen
geführt, zumal der Kanton eine Härtefallregelung hat für Eltern, die den Betrag
nicht bezahlen können.
Siggen schlägt eine Art Übergangslösung vor: «Schulreisen und Lager, die
vor der Urteilssprechung organisiert wurden, sollen wie geplant durchgeführt
und fakturiert werden.» Alles, was im neuen Jahr organisiert wird, unterliegt
dem Urteil der obersten Schweizer Richter. Doch ganz aufatmen können die
Gemeinden auch mit dieser Regelung nicht: Falls die Eltern eine Beteiligung
verweigern, müssen die Gemeinden die Finanzierung übernehmen.
Es bleibt Unsicherheit
Für die Gemeinden bleibt also die Unsicherheit. Denn ihnen drohen
Defizite. «Das Problem trifft alle Gemeinden. Der Entscheid des Kantons, den
Bundesgerichtsentscheid rückwirkend und sofort umzusetzen, hat sie kalt
erwischt», sagt Manfred Raemy, Oberamtmann des Sensebezirks und Präsident der
Region Sense.
Die Budgets der Gemeinden für das Jahr 2018 wurden letzten Herbst ohne
diese Kosten verabschiedet. Ebenfalls wurden die Reservationen und Anzahlungen
für die diesjährigen Skilager lange vor dem Bundesgerichtsentscheid getätigt.
Im Sensebezirk wird das Thema auf Bezirksebene diskutiert. «Die
Gemeinden sind in einem Loch. Statt Klarheit zu schaffen, weiss niemand, was
möglich ist und wie es weitergehen soll», sagt er Raemy weiter. «Es herrscht
eine grosse Unsicherheit.» Er hofft, dass Gespräche und politische
Interventionen dazu führen, die Situation zu ändern.
Aus der Sicht des Oberamtmanns des Seebezirks, Daniel Lehmann, ist nun
abzuklären, welche neuen Rahmenbedingungen sich für die Gemeinden ergeben. «Sie
brauchen Zeit, um sich auf die neue Situation einzustellen.» Ähnlich äussert
sich auch Christa Bürgy-Schubnell, Präsidentin der OS Sense. «Wir sind vom
Entscheid überrollt worden. Momentan heisst die Devise bei uns, kühlen Kopf zu
bewahren, die Infos zu sammeln und abzuwarten.»
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