Die
Kontroverse hat sich im Moment etwas gelegt. Die Frage nämlich, mit welcher
Zweitsprache unsere Kinder beginnen sollen: mit Englisch oder mit Französisch.
Ich sage, halb im Ernst, halb im Scherz: French first, l’Anglais ensuite. So
ist es in den beiden Basel, und das ist gut so. Französisch ist für uns eine
Landessprache, Mesdames et Messieurs. Eine andere Kontroverse tobt dafür mit
unverminderter Heftigkeit. Es stellt sich hier die Frage nach adäquaten
Lehrmitteln für diesen Frühbereich. Diesbezüglich sieht es für Französisch
düster aus. Aufgrund eigener Anschauung, Leserbriefen, Kommentaren und
Landratsvoten stelle ich fest: Das Konzept Passepartout ist das schlechteste
Lehrmittel für Französisch. Das ist nun nicht «tant de bruit pour une
omelette», sondern ein deplorabler Zustand, den es zu beseitigen gilt. Et
voilà.
Das Konzept Passepartout ist schlecht, Basler Zeitung, 19.2. von Thomas Schweizer
Nun
gehen die Ansichten, wie man Fremdsprachen lernt und was ein gutes Lehrmittel
ist, auseinander, und sie können sich im Lauf der Zeit auch ändern. Aber die
didaktischen Grundlagen und die Einsicht ins Lernen bleiben sich doch mehr oder
weniger gleich. Ohne Systematik geht es nun mal nicht, und auch hier gilt: ohne
Fleiss kein Preis. Oder: üben, üben, üben. Keiner gibts den Lernenden im Schlaf
und ein «Sprachbad» lässt sie lediglich ertrinken. Auch hier muss la mesure
gelten: das richtige Mass, die Ausgewogenheit, das gemässigte, aber stete
Arbeiten an und in der Sprache, das Kennenlernen der inneren Strukturen eines
fremden Idioms. Sie lässt sich auch nicht wie eine Muttersprache lernen.
Unsere
Lehrerinnen und Lehrer geben sich mit Passepartout die grösste Mühe, doch es
ist vergebliche Liebesmüh. Die Kinder scheinen sich nicht zu interessieren,
haben keine Freude am Sprechen, kommen bei diesem Wirrwarr nicht draus und
verstehen den komplizierten Wortschatz nicht, der ihnen zugemutet wird. Ja, mir
scheint, selbst der «Hösli», mit dem ich einst an der Realschule Waldenburg
Französisch gelernt hatte, sei besser gewesen. Natürlich trug auch unser
strenges, aber um originelle Ideen nie verlegenes «Fräulein Tschopp» viel dazu
bei (Lehrkräfte hatten damals noch mehr Freiheiten als heute). Ihre «choux à la
crème», zum Beispiel, die sie mit uns nach Rezept im Lehrbuch und nur
Französisch sprechend, gebacken hatte, bleiben mir für immer unvergessen. Dank
ihr und dem «Hösli» vermochte ich auch gleich zu Beginn meiner Neuenburger
Jahre ganz passable Sätze zu sprechen ( «Jai … oublié … mon … manteau», auch
unvergesslich). Bei Fräulein Tschopp lernten wir auch, dass man «lä täble», «lä
cärte» und nicht das schwerfällige Schweizerdeutsch-Französisch «laa taable»,
«laa caarte» ausspricht.
Vor
noch nicht allzu langer Zeit gab es das ausgezeichnete Lehrmittel «Bonne
Chance». Ich bin geneigt zu kalauern: «Bonne Chance» war mille fois besser als
das heutige «Mille Feuilles». Sans blague. «Bonne Chance» enthielt alle
Grundlagen für einen erfolgreichen Unterricht einer unserer Landessprachen. Der
Aufbau war so angelegt, dass er sanft, ja spielerisch begann, aber immer mit
Vokabeln aus dem Grundwortschatz versehen, der Grammatik, der Syntax und der
Aussprache Rechnung tragend. Die Sprechsituationen und Szenen waren
kindgerecht, denn unter dem «Personal» gab es viele Kinder und Jugendliche.
Genial war dann das Spiel mit den zwei Stabpuppen Pierrette und Pierrot. Mit ihnen
konnten die Kinder ungezwungen, das heisst ohne Scheu sprechen, was ihre
Sprachfertigkeit enorm förderte.
Das
Besondere war auch, dass die Lerninhalte über zwei Familien vermittelt wurden,
die sich verwandtschaftlich nahestanden und Kontakt hatten. Die eine wohnte im
ländlichen Bercher im Gros de Vaud, die andere im mondänen Genf. Das gab
ausgezeichnete Einblicke ins Leben und Wesen unserer compatriotes romands. Viel
Wissenswertes über die romanische Kultur der Westschweiz wurde den Kindern
quasi en passant vermittelt. Der dritte Band war dann richtig anspruchsvoll,
aber immer dem Aufbau folgend und damit logisch die nötigen «Skills» schaffend.
Mir
ist schleierhaft, warum man dieses Lehrmittel, das sich bewährt und alle
Voraussetzungen für ein erfolgreiches Lernen erfüllt hatte, wieder verbannt
hat. Austauschwochen zwischen Deutsch- und Westschweizer Klassen sind ja auch
nicht neu. Wichtig sind sie aber heute, weil das legendäre Welschlandjahr
verschwunden ist. Diese Lücke kann die Schule nicht füllen. Man bleibe also
bescheidener, hege keine übertriebenen Ambitionen, stelle sich vielmehr in den
Dienst unserer Kinder und unserer zwar schwierigen, aber wunderbaren
Landessprache Französisch. Quelle élégance. Ein konstruktiver Vorschlag zum
Schluss: Man führe wieder «Bonne Chance» ein, und das Glück kehrt in die
Klassenzimmer zurück.
Thomas
Schweizer, Füllinsdorf, ist Kolumnist und Autor. Er war früher Lehrer am
Gymnasium Bäumlihof. Sein neuestes Buch heisst «Boulevard Basel».
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