Das Volk und der Kantonsrat sollen
beim Lehrplan keine Mitsprache erhalten: Das Zürcher Parlament hat die
Initiative «Lehrplan vors Volk» aus SVP- und rechtsbürgerlichen Kreisen
deutlich abgelehnt. An der heutigen Aufgabenverteilung und den Kompetenzen des
Bildungsrats solle nichts geändert werden.
Mit 113 zu 56 Stimmen lehnt der Rat die Initiative ab. Bild: Keystone
Kantonsrat lehnt "Lehrplan vors Volk"-Initiative ab, Landbote, 19.6.
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Die Initiative «Lehrplan vors Volk» verlangt, dass in Zukunft der
Kantonsrat den Lehrplan beschliessen soll und das Volk die Möglichkeit zum
Referendum - und damit ein Vetorecht - erhält. Ausserdem soll das Parlament
alle grundlegenden Inhalte des Unterrichts und die Ziele für jedes Fach im
Lehrplan festlegen.
Ausser der SVP und der EDU unterstützte am Montag keine andere Partei
diese Pläne. Mit 113 zu 56 Stimmen empfiehlt der Kantonsrat, die
Volksinitiative abzulehnen. Die Gegner waren sich einig, dass die
Aufgabenteilung, wie sie im Kanton Zürich praktiziert wird, sich in den
vergangenen Jahren bewährt hat.
Heute werden die Inhalte des Lehrplans vom Bildungsrat erarbeitet und
festgesetzt. Dieser ist ein fachlich und gesellschaftlich ausgewogen
zusammengesetztes Fachgremium, dessen Mitglieder vom Kantonsrat gewählt werden.
Mitsprache gewährleistet
«Der Bildungsrat ist also demokratisch legitimiert», sagte Moritz
Spillmann (SP, Ottenbach), Präsident der Kommission für Bildung und Kultur
(KBIK). Lehrpläne seien eine sehr komplexe Angelegenheit, welche unbedingt von
Fachleuten beurteilt werden müssten, betonte auch Jacqueline Peter (SP,
Zürich).
Einig waren sich die Gegner auch bei der Mitsprache: Durch die
Vernehmlassung sei diese ja gewährleistet, sagte Corinne Thomet (CVP, Kloten).
Es sei nicht gut, wenn alle ein bisschen mitreden wollten, kritisierte
Hanspeter Hugentobler (EVP, Pfäffikon). «Die Verpolitisierung von
Bildungsinhalten muss verhindert werden.»
Als treibende Kraft hinter dem Vorstoss steht SVP-Kantonsrätin Anita
Borer zusammen mit einem Komitee aus dem rechtsbürgerlich-konservativen Lager.
«Die Demokratie ist der Grundpfeiler unseres Staatswesens», sagte Borer. Das
Prinzip der Bildungshoheit werde mit dem Lehrplan 21 mit Füssen getreten.
Ziel der Initianten ist denn nicht zuletzt auch, die Einführung des
Lehrplans 21 auf das Schuljahr 2018/19 zu verhindern. Dies wurde ihnen am
Montag dann auch mehrfach vorgehalten.
Der Lehrplan 21 sei aufgegleist und auf gutem Weg, hiess es von Seiten
der FDP. «Er bietet zudem genügend Spielraum für regionale Variationen», sagte
Cecilia Hänni (Zürich). Die Initiative führe die Volksrechte zudem ad absurdum
und mache keine konstruktiven Vorschläge.
Letztes Wort beim Stimmvolk
Die Grünen kritisierten das «rückständige Bildungsideal» der Initianten.
«Ihnen geht es nur darum, den unliebsamen Lehrplan 21 zu bodigen», sagte Karin
Frei (Uster). Judith Stofer (AL, Zürich) sprach derweil von «allerbestem
Politmarketing». Das Stimmvolk habe ausserdem schon mehrfach ja zu mehr
Harmonisierung gesagt - und werde dies hoffentlich noch einmal tun.
Daran erinnerte auch Bildungsdirektorin Silvia Steiner (CVP): Die
Bevölkerung habe die aktuelle Praxis schon in mehreren Abstimmung bestätigt.
«Diese Regelung hat eine über 200-jährige Tradition.» Auch sei jetzt nicht der
Zeitpunkt, die inhaltliche Debatte zum Lehrplan 21 noch einmal zu führen.
«Er ist breit abgestützt und steht kurz vor der Einführung», sagte
Steiner. Der Bildungsrat hat den Lehrplan 21 im März erlassen. Auf das
Schuljahr 2018/2019 soll er eingeführt werden - zuerst im Kindergarten und in
der Primarschule bis zur 5. Klasse. Ein Jahr darauf gilt er dann auch für die
6. Klasse und die Sekundarstufe.
Manchmal lohnt sich ein Blick über die Grenze, wo man mit der Kompetenzorientierung schon viel weiter ist. 130 Hochschullehrer und Lehrer, vor allem der Mathematik und der naturwissenschaftlichen Fächer, haben mit einem offenen Brief an die Bundesregierung usw. auf die alarmierenden Folgen hingewiesen: "Im Rahmen der Kompetenzorientierung, die der ganzen Republik in Form von Bildungsstandards [Bil] vorgeschrieben wird, wurde der Mathematik-Schulstoff so weit ausgedünnt, dass das mathematische Vorwissen von vielen Studienanfängern nicht mehr für ein WiMINT-Studium ausreicht". "Den Studienanfängern fehlen grundlegende Mathematikkenntnisse, sogar schon Bruchrechnung (!), Potenz- und Wurzelrechnung usw." Wir hätten noch Zeit, nicht die gleichen Fehler mit der LP21-Reform zu machen!
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