Der Informatikunterricht im Lehrplan 21 steht vor Hürden. Lehrmittel sind
knapp und nicht alle Lehrer gut ausgebildet.
Informatik in der Schule: Umsetzung bereitet Kopfzerbrechen, SRF Digital, 22.6. von Méline Sieber
«Die Schülerinnen und Schüler...
... können Chancen und Risiken der Mediennutzung benennen und
Konsequenzen für das eigene Verhalten ziehen» (Medien)
... können Programme mit Schleifen, bedingten Anweisungen und Parametern
schreiben und testen.» (Informatik)
Mit diesen Worten definiert der Lehrplan 21 einige der Anforderungen des Moduls «Medien und
Informatik». Zwei Kantone sind bereits daran, neun Kantone beginnen im Herbst
mit der Umsetzung des Moduls, das aus Medienkunde, Anwendungskompetenzen und
Kernwissen der Informatik besteht und bereits in der Primarschule beginnt.
Auf dem Papier klingt das einfach – doch ganz so reibungslos verläuft es
nicht. Denn «Medien und Informatik» ist Neuland für Schulen, Kantone, Behörden,
Lehrpersonen, Lehrmittelverlage und nicht zuletzt auch für Schülerinnen und
Schüler.
Verspätung bei den Lehrmitteln
Ein Problem sind die Lehrmittel für das neue Modul. Denn erst eines von
ihnen ist tatsächlich schon verfügbar:
·
«inform@21» des Lehrmittelverlags St. Gallen, eben erschienen, für die
5. und 6. Klasse
Auf die beiden anderen Lehrmittel müssen die Schulen noch warten:
·
«Einfach Informatik» des Klett-Verlags, ab dem Schuljahr 2018/19
verfügbar, 7. bis 9. Schuljahr
·
«connected» des Lehrmittelverlags Zürich, ab dem Schuljahr 2019/20
verfügbar, mehrere Bände und Schulstufen
Die Lehrmittel erscheinen so knapp oder verspätet, «weil bei der
Erarbeitung des Lehrplan 21 viel über Inhalt, Form und Stellenwert des Moduls
diskutiert wurde», erklärt Marcel Gübeli, Direktor der Interkantonalen
Lehrmittelzentrale (ILZ). Zudem hätten die Kantone entscheiden müssen, ob sie
den Stoff als separate Lektionen oder integriert im Unterricht durchnehmen.
«Entsprechend mussten die Verlage die Beschlüsse abwarten, bis sie mit der
Entwicklung der Lehrmittel anfangen konnten», sagt Gübeli.
Die Lehrmittelverlage wissen darum erst seit rund einem Jahr, wie die
Kantone das neue Modul tatsächlich umsetzen wollen – eine sehr kurze Zeit, um
ein Lehrmittel zu entwickeln und herauszugeben. Der Druck auf die Verlage ist
entsprechend gross.
Ausserdem muss jeder Kanton die einzelnen Lehrmittel evaluieren, bevor
eines davon empfohlen oder obligatorisch wird. Alleine das dauert laut Marcel
Gübeli im Durchschnitt ein Jahr. Bis sich also eines der Lehrmittel etabliert,
dürfte es noch eine Weile dauern.
Keine Erfahrung im
Informatikunterricht
Doch die Lehrmittel sind letztlich nicht die grösste Hürde bei der
Umsetzung des neuen Moduls. Gravierender ist die mangelnde Ausbildung der
Lehrpersonen. «Es fehlt den meisten von ihnen an Erfahrung, wie man Informatik
unterrichtet. Und noch viel schlimmer: Sie hatten in der eigenen Ausbildung, in
der eigenen Schulzeit, nie Informatik-Unterricht», sagt Beat Döbeli Honegger,
der als Professor an der Pädagogischen Hochschule Schwyz arbeitet.
Kurzum: Die meisten Lehrerinnen und Lehrer sind keine «Digital Natives»,
die mit Computern aufgewachsen sind. Sie müssen sich das Fachwissen erst einmal
aneignen, ihnen muss Informatik erst einmal schmackhaft gemacht werden.
«Die Weiterbildung ist das Wichtigste. Lehrpersonen müssen überzeugt
werden, warum so ein Modul wichtig ist und wie sie es gut unterrichten können.
Lehrmittel sind sekundär», ist Döbeli überzeugt. Gerade für Primarlehrer, die
mehrere Fächer unterrichten, ist die Herausforderung gross: Sie müssen jetzt
auch noch in Informatik kundig werden.
Auch der Zürcher Stadtrat Gerold Lauber bestätigt, dass Bedarf nach
Weiterbildung besteht: «Es braucht noch einiges. Der Kanton hat zwar Angebote
zur Weiterbildung geschaffen. Die Nachfrage ist jedoch grösser als das
Angebot», erklärte er an den Informatiktagen Zürich.
Andere Kantone – etwa Glarus und Schwyz – bieten bereits seit längerem
Weiterbildungskurse an. Auch im Kanton Thurgau wird es Kurse geben, die
speziell auf den Modullehrplan zugeschnitten sind, allerdings erst ab dem
Schuljahr 2018/19.
Was die Umsetzung des Moduls «Medien und Informatik» im Lehrplan 21
angeht, gibt es also noch viel zu tun.
Nicht nur die Lehrbuchverlage, auch die globalen Bildungskonzerne riechen das grosse Geschäft mit dem Lehrplan 21. Wirtschaftsverbände möchten sogar, dass alle Schüler programmieren lernen. Das ist ebenso abwegig, wie das "selbstgesteuerte Lernen" im Lehrplan 21. Wie sollen Erstklässler programmieren können, wenn sich nicht einmal lesen und schreiben können? Und das dann auch noch "selbstgesteuert"? So werden unsere Kinder zu Versuchskaninchen des Neoliberalismus und der OECD/Pisa gemacht.
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