Die Demokratie hat gesiegt. Über die Anzahl Fremdsprachen in der Bündner
Primarschule entscheiden keine Experten, keine Richter und keine
Parlamentarier. Mit dem Urteil des Bundesgerichts, die Bündner
Fremdspracheninitiative für gültig zu erklären, liegt diese Kompetenz neu
allein beim Volk. Der Sieg der direkten Demokratie hat aber einen schalen
Beigeschmack. Er bedeutet nämlich auch, dass die reformgeplagte Schule
weiterhin nicht zur Ruhe kommt.
Keine Ruhe in der Schule, Südostschweiz, 4.5. Kommentar von Stefan Bisculm
Immer deutlicher zeigt sich: Die Grundfesten der Schweizer Schule im
Allgemeinen und der Bündner Schule im Besonderen stehen in einem aktiven
Erdbebengebiet, wo zu jeder Unzeit mit grösseren und kleineren Beben zu rechnen
ist. Zur Erinnerung: Erst gerade in der Aprilsession hat das Bündner Parlament
eine Neuausrichtung der schulischen Integration beschlossen. Ein Entscheid,
dessen Auswirkungen heute noch schwer abzuschätzen sind. Weiter wurden gegen
die Einführung des Lehrplans 21 erst kürzlich Unterschriften für eine
Volksinitiative eingereicht. Die Initianten wollen, dass nicht mehr die
Experten über den Lehrplan in der Schule entscheiden, sondern die Parlamentarier
und damit in letzter Konsequenz das Volk. Es könnte also die Situation
eintreten, dass der Lehrplan 21 schon kurz nach seiner Einführung wieder
abgeschafft wird.
Das sind nur zwei der jüngsten Beispiele, die aufzeigen sollen, wie
Strategien in der Bildung keine festen Leitplanken darstellen, sondern bloss
provisorische Bauten sind, auf die langfristig kein Verlass ist. Anfangs
konnten die Bildungsexperten von Schulreformen nicht genug kriegen, jetzt ist
die Politik auf den Geschmack gekommen. Aus der Wirtschaft wissen wir, wie
unzuverlässige, unberechenbare Rahmenbedingungen kurzfristig zu Verunsicherung
und längerfristig zu schlechten Resultaten führen.
Das Bündner Sprachenkonzept mit der ersten (kantonalen) Fremdsprache ab
der dritten Klasse und Englisch ab der fünften Klasse kommt in der Volksschule
seit knapp vier Jahren zur Anwendung. Zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe
sind für viele Schüler sicher keine leicht verdauliche Kost. Um das Konzept
abschliessend und fair beurteilen zu können, wären aber noch mehr Erfahrungen
nötig. Diese Zeit bleibt nun nicht. Die Schulbehörden müssen schon vorher
aufzeigen, dass ein neuerlicher, hektischer Kurswechsel die Schule nicht besser
macht.
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