Das
Wichtigste ist, dass Kinder gerne schreiben. Doch die Rechtschreibregeln muss
man dennoch beherrschen, sonst wirds im Alltag schwierig.
Monika Brunsting ist Mitglied des Vorstandes im Verband Dyslexie Schweiz, Bild: Alex Spichale
"Rechtschreibung ist im digitalen Zeitalter wichtig", bz Basel, 10.8. von Sabine Kuster
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Ob nun schlechter als die Nachbarn oder
nicht. Viele Kinder in der Schweiz fallen auch ohne Vergleichs-Test wegen ihrer
vielen Fehler beim Schreiben auf und müssen gefördert werden.
Doch Monika Brunsting vom Verband Dyslexie
Schweiz sagt: «In vielen Kantonen sind die finanziellen und personellen
Ressourcen zur Förderung von Kindern mit Dyslexie heute nicht mehr vorhanden.»
Die integrative Schulung verschlucke sozusagen die Förderlehrpersonen: Die
früheren Legasthenietherapeuten wurden zu allgemein tätigen Heilpädagogen
weitergebildet.
Die Legastheniker ihrerseits werden in den
meisten Kantonen im Rahmen der integrativen Förderung aufgefangen. So will es
das neue Schulmodell. Von zehn angefragten Deutschschweizer Kantonen haben bis
auf den Kanton Aargau alle die Förderung von Rechtschreibschwäche hauptsächlich
in den regulären Schulunterricht integriert. An manchen Orten wie in den
Kantonen St. Gallen, Baselland oder Basel-Stadt kann der
Förderunterricht auch flexibel ausserhalb der Regelklasse stattfinden.
Im Kanton Graubünden wird die
Rechtschreibschwäche gar nicht mehr standardmässig abgeklärt, sondern nur noch
bei Unsicherheiten, wie Georges Steffen, Leiter des Schulpsychologischen
Dienstes Graubünden, erklärt. «Wichtig ist, dass die Kinder einen individuellen
Förderplan erhalten», sagt Steffen, «dass die Förderung in einer Einzelstunde pro
Woche wirksamer ist als eingebettet im Unterricht, ist nicht bewiesen.»
Expertin Monika Brunsting hingegen ist eine
Verfechterin der Einzeltherapie. Sie sagt: «Gezielte Förderung ist innerhalb
einer Klasse nicht möglich. Die Politiker sollten mal in so einer Klasse sitzen
und sehen, wie turbulent es zu- und hergeht, wenn jeder Schüler etwas anderes
macht. Das ist ein Problem, weil viele der Schüler auch Aufmerksamkeitsprobleme
haben.» Diese Diskussion läuft, seit ab der Jahrtausendwende in den Schweizer Schulen
kontinuierlich auf integrativen Unterricht umgestellt wurde.
Meist wird der Begriff Legasthenie oder
Dyslexie nicht mehr separat aufgeführt. Vielerorts findet immerhin die
Logopädietherapie noch separat statt. Dort werden primär Kinder mit Spracherwerbsstörungen
gefördert, aber auch Legastheniker finden heute dort manchmal Unterschlupf. Im
Kanton Aargau findet unter dem Gesamtbegriff Sprachheilunterricht immer noch
Legasthenie-Einzeltherapie statt.
Regeln
besser erklären
Monika Brunsting gibt zu Bedenken:
«Rechtschreibung ist im digitalen Zeitalter wichtig: Wenn man eine Fahrkarte am
Automaten lösen will, muss der Zielort genau eingetippt werden.» Zum Glück
seien die Rechtschreibregeln in den neuen Lehrbüchern wieder drin. Aber noch
nicht alle Lehrpersonen würden sich genug damit befassen. «In vielen
Schulzimmern findet kein strukturierter Rechtschreibunterricht statt», ist
Brunsting überzeugt. Es fehlt also gerade das, was den schwachen Schülern
nützen würde: Regeln, an denen sie sich orientieren können.
Für die Schüler mit einer
Rechtschreibschwäche muss mehr gemacht werden. Das findet auch Afra Sturm,
Professorin für Deutschdidaktik an der Fachhochschule Nordwestschweiz in
Windisch. «Den schwachen Schülern müssten die Rechtschreibregeln genauer erklärt
werden», sagt sie. Man verlasse sich zu sehr darauf, dass sie sich wie die
starken Schüler die Wortschreibung einfach merken könnten.
Ein generelles Problem für alle Schüler
sieht sie bezüglich Rechtschreibung in der Schweiz jedoch nicht. Es sei gut, dass
die Primarlehrer zur Rechtschreibung ein entspannteres Verhältnis hätten. Erst
wenn die Schüler alle Laute schreiben können, werden die Rechtschreibregeln
eingeführt. «In Deutschland werden Doppelkonsonanten in der 2. Klasse
eingeführt, in der Schweiz erst in der 4. Klasse. Das macht durchaus Sinn, denn
viele Kinder sind in der 2. Klasse mit ihrer Entwicklung noch gar nicht so
weit, dass die Regeln etwas bringen», sagt Sturm.
Sie findet es wichtig, dass der
Schreibmotivation grosse Bedeutung beigemessen wird und die schwachen Schreiber
nicht in den ersten Jahren schon vergrault werden. «Das Wichtige an einem Text
ist die Botschaft. Rechtschreibung muss man gut können, damit man beim
Schreiben nicht darüber nachdenken muss, sondern sich auf den Inhalt und Aufbau
fokussieren kann.»
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