Man kann es drehen und
wenden, wie man will, es klingt wie ein Scherz: Am nächsten Montag öffnet im
Berner Monbijouquartier der Freilernraum. Es ist gemäss Pressemitteilung die
«erste feste Einrichtung in der Region für freies Lernen». Kinder und
Jugendliche, die sich ihre Schulbildung zu Hause aneignen mittels Homeschooling
bzw. Heimunterricht, treffen sich in diesem Raum «zum gemeinsamen Lernen,
Austauschen und gegenseitigen Unterstützen, begleitet von Fachpersonen».
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Homeschooling will vermehrt soziale Kontakte fördern, Bild: Gaetan Bally |
Homeschooling-Eltern entdecken die Schule, Bund, 13.8. von Dölf Barben
Orte,
wo Kinder mit Fachpersonen gemeinsam lernen? Solche Orte hat man auch schon als
Schule bezeichnet, und die Fachpersonen als Lehrer. Diese Begriffe werden in
der Mitteilung des von Eltern gegründeten Vereins Freilernraum aber tunlichst
vermieden. Statt von einem Lehrer ist die Rede von einem Lerncoach, der über
langjährige Erfahrung als «Lernbegleiter» verfügt.
Zauberworkshop und
Traumfänger
Homeschooling
ist umstritten. Mit ihrem Freilernraum reagieren die Eltern insbesondere auf
den Vorwurf, sie würden ihre Kinder isolieren. «Der Freilernraum setzt genau
hier an», schreiben sie, er fördere Austausch, soziale Kontakte und
Zusammenarbeit der Lehrenden und Lernenden. Das ist den Homeschooling-Kindern
zu gönnen. Und es besteht kein Zweifel: Der Freilernort in Bern, wo die Kinder
jeweils ein «veganes, einfaches Mittagessen» angeboten bekommen, wird sich zu
einer Insel der Glückseligen entwickeln. Dazu genügt ein Blick ins Programm:
Nebst dem Fremdsprachen-Lerncoaching enthält es Angebote wie aus einem Edel-Ferienpass:
«Kalligrafie mit dem Schönschreiber Fritz Tschanz», «Zauberworkshop mit Mägic
Henä» oder «Schmuck, Traumfänger und Schwemmholzkunst mit Yvonne Hänni».
Das Unbehagen bleibt
Trotzdem:
Auch wenn es Kinder gibt, die dank Heimunterricht aufblühen oder weniger
gedemütigt werden. Auch wenn Situationen vorstellbar sind, in denen
Homeschooling die beste Lösung ist. Auch wenn der Verein Bildung zu Hause
Schweiz mit Studien belegt, dass Homeschooling-Kinder schliesslich gut
ausgebildet sind. Und auch wenn der gleiche Verein betont, die Erziehung zu
gemeinschaftsfähigen Menschen komme nicht zu kurz: Es bleibt ein Bereich, der
Unbehagen auslöst. Es geht um den Kern, die Beziehung zwischen Eltern und Kind.
Eltern,
die nicht nur Eltern, sondern auch gleich die Lehrer ihrer Kinder sein wollen,
senden ein Bündel an verstörenden Signalen aus. So scheinen sie nur sich selber
zu vertrauen und es nicht für möglich zu halten, dass ihr Kind Menschen
begegnen wird, die ihm grössere Türen in weitere Räume zu öffnen vermögen als
sie selber. Und vor allem scheinen sie nicht in Betracht zu ziehen, dass ihr
Kind dereinst von ihnen enttäuscht sein könnte. Irgendwann wird es nämlich
erkennen, dass seine Eltern in ihrem Leben offenbar nie etwas hatten, das ihnen
wichtiger war als seine Erziehung.
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