19. August 2016

Anmerkungen zum Geschäftsleitungsbericht LEGR

Im Jahresbericht der Geschäftsleitung des LEGR 2015/16 zeigt sich einmal mehr, dass sie die Tragweite der ständigen schulischen Reformen aud die Autonomie der Kantone in Bildungsfragen und die horrende Kostenfolge, welche daraus resultiert, nicht verstanden hat. Daher überrascht es auch kaum, dass sie den Kern der Doppelinitiative nicht verstanden hat. Es macht sich auch nicht besser, wenn im gleichen Heft ein Loblied auf die AHV-Initiative eingestimmt wird.  Es zeigt lediglich, dass das demokratische Recht je nach Inhalt der Volksinitiative als höchst wichtig oder als Unruhestiftung, wie die Präsidentin dies in einem Artikel beschrieb, empfunden wird.
Anmerkungen zu Bericht Geschäftsleitung LEGR "Schwerpunktthema", 17.8. von Markus Niederdorfer


Schwerpunkthema des Jahres war der Lehrplan21. Alle warteten gespannt auf diesen Fahrplan. Endlich werden die nationalen Bildungsstandards in die kantonalen Lehrpläne einfliessen. Kantonswechsel während der Schulzeit sollten kein Problem mehr darstellen. Die Lehrmittel sind angeglichen, am besten aus dem selben Guss gefertigt. Was das Werk aber mit sich gebracht hat, wird gelinde gesagt so ausgedrückt: Das Fuder wurde überladen. Der Plan schiesst am Ziel vorbei. Zu komlex für die Lehrpersonen; ist als Grundlage für die Lehrmittelhersteller gedacht; die Lehrmittel sind weder zeitlich noch inhaltlich untereindander abgestimmt…"  Die Geschäftsleitung des LEGR hat sich über Weihnachten mit dem Inhalt befasst, korrigierend auf die Stundentafel eingewirkt. Einige Kröten mussten geschluckt werden. So stand es in der Stellungnahme im letzten Februar.
Die Grundsatzfragen: Benötigt der Kanton Graubünden ein solches Regelwerk? Welches sind die Folgen auf die Bildungsstruktur? Können kleinere Schuleinheiten diesen Bildungskanon bezahlen? Ist ein Stellenabbau zu befürchten, wenn Schulen geschlossen werden müssen? Gibt es die klassische Dorfschule in zwanzig Jahren noch? Welche Strategie unterstützt LEGR in Bezug auf die Volksschule Graubünden?

Diese wurden weder gestellt noch öffentlich andiskutiert. Der LEGR nahm eine Haltung des Schweigens und des Abwartens ein. Bis im Dezember 2015 das EKUD die Katze aus dem Sack liess. Im Januar 2016 wurde an einem Hearing der Rahmen geschnürt, der im wesentlichen sich mit Umsetzung und Weiterbildug der Lehrpersonen befasst. Weiter ist der Verband in eine Resonanzgruppe eingebunden. Speziell erwähnt sei, dass die 39. Schulwoche zur Einführung de LP21 genutzt wird, obwohl gemäss Schulgesetz Unterricht gehalten werden müsste. Die Kosten tragen einmal mehr die Gemeinden. Diese sind im zweistelligen Millionenbereich.

Das wärs dann wohl gewesen, wenn wir nicht in der Schweiz leben würden. Natürlich hatten auch viele Bürgerinnen und Bürger auf den LP21 gewartet. Sie nahmen sich auch Zeit über die Weihnachten, um darin zu blättern. Auch Politikerinnen und Politiker aller "Couleur" nahmen den Lehrplan als Ferienlektüre mit. Und viele staunten darüber, wie die EDK oder die Lehrplangruppe diesen Auftrag des Bundes umgesetzt hatte. Jeder Kanton hat seine Eigenheit. Und viele sehen sich zurzeit in ein Korsett geschnürt und fühlen sich ganz schweizerisch betrachtet, nicht wohl darin. Der Unmut wächst und in 12 Kantonen wurden Initiativen eingereicht oder sind am Laufen; so auch im Kanton Graubünden.

Die GL des LEGR hat die Intitiativen nicht genau durchgelesen oder manipuliert bewusst seine Mitglieder durch Fehlinformation. Die Initiativen richten sich nicht gegen den Lehrplan21. Bei den Initiativen geht es um die Kantonsautonomie in Bildungsfragen und generell um die Schulstruktur. Es sind zwei vernünftige Initiativen, welche nicht Unruhe, sondern Sicherheit und Machbarkeit im Zentrum stehen haben. Weiter wird das Kantonsrecht gestärkt. Und es geht um verbindliche Inhalte und Jahresziele in den einzelnen Klassen. Dies wären Kerngebiete des LEGR, welche aber in den letzten Jahren preisgegeben wurden. Der Schlusssatz zum Schwerpunktthema strotzt nur so von Arroganz und undemokratischem Rechtsbewusstsein. Zitat aus Bericht: Bis diese Initiative greifen würde, ist der Lehrplan 21 längst eingeführt.

Der Föderalismus kann  als Regulator oder Blockade angesehen werden, wie die Untersuchung von  Dr. Regula Bürgi aufzeigt.
Für die Schweiz ist die Idee einer nationalen Bildungspolitik ein explosives Thema. 1882 wurde der Slogan „Das Geld und die Lehrpläne sind Sache des Bundes, aber die Schulen gehören den Kantonen“ in der Kampagne gegen die Zentralisierung der Schweizer Bildung verwendet. Im Nachgang dieses Widerstandes wurde die EDK 1897 gegründet, um die kantonalen Kräfte gegen die Übergriffe seitens der Bundesregierung zu koordinieren.
Entsprechend dieser Tradition war es eine grosse Überraschung, dass die Schweiz 1989 bei der OECD-Länderbewertung mitmachte. 1976, 1983 und 1987 hatte zuvor die OECD die Schweiz bereits angefragt, sich der bildungspolitischen Bewertung zu unterziehen. Wie zu erwarten war, spielte die EDK eine zentrale Rolle bei den früheren Ablehnungen der OECD-Anfragen. Die Argumentation für die Ablehnung war grundsätzlich jeweils dieselbe: man sah weder eine Notwendigkeit noch einen möglichen Profit von einer solchen Bewertung. Man sah höchstens einen möglichen Vorteil darin, dass die Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern gut abschneiden würde.

Die Wende kam 1987 als die Nordwestschweizer EDK die OECD in Paris besucht. Diese Reise liess die verpasste Möglichkeit, eine Bewertung der eigenen Bildungspolitik machen zu lassen, in neuem Licht erscheinen und bald folgte eine neuerliche OECD-Anfrage. Erstaunlicherweise änderte nun die EDK, die bis anhin ein führender Opponent gegen die Bewertungen war, ihr Haltung und wurde zu einem der führenden Unterstützer. Gemäss den Protokollen dauerte die Diskussion dafür innerhalb des EDK-Vorstandes nicht lange. Die Schlussfolgerung, zu der dieser kam, war, dass der Föderalismus kein Hinderungsgrund mehr sein sollte, um die OECD-Bewertung zu umgehen. Der Beschluss fusste auf dem Argument, die Schweiz sei das einzige Land, das bisher nicht an den bildungspolitischen Bewertungen teilgenommen hatte. Nur ein Jahr später äusserste sich der Generalsekretär der EDK ganz anders, dass nämlich auswertige Experten grundsätzlich unfähig seien, die Komplexität des Schweizer Bildungswesens richtig zu erfassen und dass jegliche Bewertung zu mehr Konfusion als zu nützlichen Vorschläge führen würde.
Schlussendlich hat die EDK nicht nur ihre Kooperation zugesagt, sondern auch die meiste Verantwortung und die Kosten für die Bewertungen übernommen.
Die EDK löste das Problem der erheblichen kantonalen Unterschiede in der Bildungspolitik dadurch, dass sie sechs repräsentative Kantone aussuchte. Vier auswärtige Experten von Nachbarländern untersuchten dann diese Kantone hinsichtlich Primar- und Oberstufenschulen.
Aufgrund der Meinungsverschiedenheiten unter den Experten dauerte es 2 Jahre bis zur Publikation des Bewertungsberichts. Der Inhalt wurde von allen Seiten kritisiert: von der EDK der OECD und den Experten selbst. Trotz der vielen Defizite wurde dieser Bericht zu einer ‚Lokomotive’ für die Schweizer Schulreformen während den 1990er Jahre.   ... und bis heute.  anm: Schreiber
Aus: Dr. Regula Bürgi (University Luxembourg) Die Umgehung der nationalen Bildungspolitik: Die OECD und der Fall Schweiz

Beide Initiativen stärken die Autonomie der Schulgemeinden und der einzelnen Lehrperson. Bei Annahme durch das Volk erhält der Kanton die Legitimation, ein massgeschneidertes, bezahlbares Schulsystem umzusetzen. Graubünden hat dadurch die einmalige Chance, sich nicht in die Abhängigkeit von Lehrmittelproduzenten und Bildungsexperten zu begeben, sondern im Dialog mit Gewerbe, Handel, Industrie und den weiterführenden Schulen die besten Arbeitskräfte von morgen heranzubilden. Dies kann am besten gelingen, wenn die Kinder früh mit den kulturellen Gegebenheiten ihrer nächsten Schulumgebung vertraut werden. Dies schafft das Vertrauen und das Heimatgefühl, welches nötig ist, um später erfogreich das Leben zu meistern. Deshalb muss über die Volksschule in Graubünden öffentlich diskutiert werden.

Wenn LEGR schon zum Steigbügelhalter der AHV-Initiative wird, dann muss erwartet werden, dass das dazu nötige Geld auch bei der Bildung eingespart werden kann. Bei den teuren Lehrmitteln könnte schon heute damit begonnen werden, wenn wieder klare Jahresziele formuliert sind. Alle Mitglieder sind aufgerufen, sich in aller Ruhe mit den Initiativen auseinanderzusetzen. Initiativtexte

Zum Schluss möchte ich alle Nicht-Mitglieder des LEGR ansprechen. Die Zahl der Verbandsresistenten nähert sich rasch den Tausend. Ihr seid auch aufgerufen, euch für die Bildungslandschaft des Kantons zu engagieren.


Was wäre, wenn  1887 die EDK nicht entstanden wäre? Diese Frage hat wohl hypothetischen Charakter.  Die Antwort überlasse ich der Leserschaft.

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