Wenn Baselland am 5. Juni über seine bildungspolitische Zukunft
entscheidet, schauen nicht nur Schweizer Bildungspolitiker auf den Kanton. Auch
steht dann eine Person im Vordergrund, an der sich die Geister scheiden: Jürg
Wiedemann.
Eklat mit den Grünen
Sein Engagement als Lehrer steht gewissermassen am Anfang seiner
politischen Karriere, zumindest was die mediale Aufmerksamkeit betrifft, die
Wiedemann seit 2012 – in Anführungszeichen – geniesst. Damals brachte er als
Grünen-Landrat zusammen mit seinem Komitee «Gute Schule Baselland» eine erste
Bildungsinitiative mit dem Titel «Betreuung der Schüler optimieren» vors Volk;
mit über 60 Prozent Nein-Stimmen scheiterte er grandios. Zahlreiche weitere
Vorlagen mit ähnlichen Stossrichtungen folgten und scheiterten ebenfalls –
grandios.
Im Rahmen dieser Initiative lancierte Wiedemann ein Pilotprojekt, für
das Lehrpersonen ihre Präsenzzeit erhöhten; die Schülerinnen und Schüler
durften jederzeit zu Hause anrufen. An diesem Pilotprojekt nahm auch seine
Schülerin Saskia Olsson, Jahrgang 1993, teil. Dass Olsson für Wiedemanns
weitere politische Laufbahn eine zentrale Rolle spielen sollte, war damals noch
unklar: 2015 schlossen ihn die Grünen sowohl aus der Kantonalpartei als auch
aus der Landratsfraktion aus.
Aber von vorne: Nachdem Olsson im Rahmen des Pilotprojektes Wiedemanns
«optimierte Betreuung» genossen und an einer von «Gute Schule Baselland»
organisierten Pressekonferenz über ihre Erfahrungen gesprochen hatte, erhielt
sie die vom Komitee neu ausgeschriebene Sekretariatsstelle. «Mit viel
Engagement», wie Wiedemann sagt, schaffte es die Kunst- und
Wirtschaftsstudentin vor vier Jahren auch gleich in die Geschäftsleitung des
Vereins, der heute «Starke Schule Baselland» heisst und über 4000
Sympathisanten zählt. Seither zieht Olsson hier die Fäden und stellt die
kantonale Bildungspolitik auf den Kopf; viel zu sagen hat ihr Wiedemann
offenbar nicht mehr: « In vier von fünf Fällen hole ich den Kaffee und bündele
das Altpapier», erzählt er und lacht.
Sein bildungspolitisches Engagement kam seinem Tun als Umweltpolitiker
indes immer mehr in die Quere. Zum Eklat mit den Grünen kam es schliesslich,
als die «Starke Schule Baselland» mit Wiedemanns Unterstützung die
FDP-Politikerin und heutige Regierungsrätin Monica Gschwind im Februar 2015 zur
Wahl empfahl, weil sie dem Komitee in Sachen Bildung am besten passte.
Wiedemann habe ausserdem damit gedroht, er trete zu den Nationalratswahlen vom
darauffolgenden Herbst mit einer konkurrenzierenden Liste an, um den
Grünen-Sitz von Maya Graf zu gefährden, erzählt Parteipräsidentin Florence
Brenzikofer. Es dauerte nicht lange, und Olsson rief eben diese
Konkurrenzpartei ins Leben: die Grünen-Unabhängigen. Zu einem von der
Geschäftsführerin angebotenen Listenplatz sagte Wiedemann weder Ja noch Nein.
Nachdem Brenzikofer durch einen Journalisten der «Basler Zeitung» von seinen
Plänen erfahren hatte und die Geschäftsleitung sowie der Vorstand seinen
Parteiausschluss beantragt hatten, entschied sich Wiedemann dann doch noch für
ein erfolgloses Ja.
In der GSoA sozialisiert
Oberflächlich scheinen die Wunden heute verheilt zu sein. «Ich würde
nochmals alles gleich machen», sagt Wiedemann ganz ohne Unmut. Mit dem
Parteiausschluss habe er emotional keine Mühe gehabt, mit der «Machtstruktur»
der Grünen hingegen schon. Seine Vergangenheit bei der Gruppe Schweiz ohne
Armee, in deren Regionalgruppe er sich in seinen Zwanzigern engagierte, habe
ihn geprägt, er sei sich basisdemokratische Strukturen gewohnt.
Für Brenzikofer, in deren
Stimme noch immer leichter Groll mitschwingt, wenn es um Wiedemann geht, war
der Parteiausschluss der richtige Entscheid – auch im Nachhinein. Die
Strukturen der Grünen bezeichnet sie als «sehr basisdemokratisch». Es sei
Wiedemann, der sich undemokratisch verhalte. Erst diese Woche veröffentlichte
die «Basellandschaftliche Zeitung» einen Bericht, in dem die Amtliche
Kantonalkonferenz der Baselbieter Lehrkräfte Wiedemann vorwirft, er rechne
Umfrage-Ergebnisse über den Lehrplan 21 zu seinen Gunsten um. Im Jonglieren mit
Zahlen ist Wiedemann geübt: Zwischen 2003 und 2008 sass er in der
Finanzkommission; das Einarbeiten sei ihm schwergefallen. Wenn er Geschäfte
habe vertreten müssen, habe er sich inhaltlich an der SP orientiert, erzählt er
mit einem Schmunzeln. Insgesamt reichte er 50 bis 60 Vorstösse zu
Chemiemülldeponien ein. 2006 rutschte er für Brenzikofer in die
Bildungskommission nach, wo er sich den Lehrplan 21 vorknöpfte. Wie
Brenzikofer, die selber Lehrerin ist, sagt, sorgen seine vielen
Bildungsinitiativen in der Bevölkerung und vor allem in der Schule lediglich
für Verunsicherung.
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