Die Baselbieter
Bildungsdirektorin hat den Lehrplan 21 stets kritisiert. Zu den
Abstimmungsvorlagen vom 5. Juni sagt sie jedoch nichts. Warum eigentlich?
Monica Gschwind verzichtet auf eine aktive Rolle bei den anstehenden Bildungsvorlagen, Bild: Stefan Bohrer
Wahlversprechen oder Mund halten? Monica Gschwind steckt in der Zwickmühle, Tageswoche, 2.5. von Jeremias Schulthess
Es hätte der Sommer der Monica Gschwind
werden sollen. In fünf Wochen kommen jene Lehrplan-Initiativen zur Abstimmung,
für die sie sich stark gemacht hatte und die sie 2015 ins Amt hievten. Heute
ist die Bildungsdirektorin in einer vertrackten Rolle: Sie vertritt die
Regierung und kann nicht für ihre damaligen Wahlversprechen einstehen.
Rückblende: Am 6. Februar 2015 wurde Gschwind in die Regierung gewählt. Den Sieg
verdankte die FDP-Politikerin der bürgerlichen Allianz – und dem Landrat Jürg
Wiedemann, der Gschwind zur Protagonistin des Baselbieter Bildungswiderstands
erkor.
Gschwind nahm die Rolle dankend an. Von
da an sprach sie schier pausenlos über sinkende Bildungsqualität und
«Reformitis». In einem BaZ-Interview versprach
sie kurz vor den Wahlen: «Ich setze mich dafür ein, dass diese Sammelfächer
nicht zustande kommen.»
Die Sammelfächer sind das Kernstück des
neuen Lehrplans. Geografie und Geschichte heissen neu «Räume, Zeiten,
Gesellschaften». Das Wort Sammelfächer versetzt Lehrer und Eltern
gleichermassen in Schrecken. Denn das Wort hinterfragt die Schule, wie man sie
bisher gekannt hat. Ein emotionales Thema, das sich politisch gut verwerten
lässt.
Eine
Bildungsdirektorin im Dilemma
Auch zur zweiten Vorlage, über die bald
abgestimmt wird, hätte Gschwind viel zu sagen. Es geht darum, dass der
Bildungsrat – das Fachgremium für Bildungsfragen – nicht mehr alleine
entscheidet, was und wie unterrichtet wird. In Bildungsfragen soll auch der
Landrat mitentscheiden. So will es die Initiative, die ebenfalls aus Wiedemanns
Küche stammt. Dies soll verhindern, dass der neue Lehrplan en bloc eingeführt
wird.
Als Gschwind noch im Landrat sass,
unterzeichnete sie beide parlamentarischen Initiativen und trat auch dafür ein.
Jetzt aber sitzt sie in der Regierung – und steckt in einem bildungspolitischen
Dilemma.
Eigentlich muss sie die Meinung des
Regierungsrates vertreten. Dieser lehnt die Vorlagen offenbar ab. Der
Regierungsrat hat aber eigens für diese Abstimmung eine Regelung beschlossen:
Gschwind dürfe «auf Anfrage ihre persönliche Haltung zu den beiden Vorlagen»
äussern. «Regierungsrätin Moncia Gschwind verzichtet aber auf eine aktive
Beteiligung im Abstimmungskampf und engagiert sich auch nicht im
Abstimmungskomitee.» Grund für diese Sondergenehmigung sei, dass Gschwind die
beiden Initiativen vor den Wahlen 2015 offen unterstützt hatte.
Vertrauensbruch oder
Wahlversprechen brechen
So kommt es, dass das Baselbiet vor
einer für die Schule zukunftsweisenden Abstimmung steht, und die
Bildungsdirektorin sagt dazu: nichts. Auf die Anfrage, ob sie die
Lehrplan-Initiativen noch immer unterstütze, drückt sich Gschwind um eine klare
Antwort. Statt ein klares Ja oder Nein holt sie mit einer «Vorbemerkung» aus,
worauf sie auf einer ganzen A4-Seite ausbreitet, wie verfahren die Situation
sei.
Gschwind weiss: Empfiehlt sie ein Ja,
riskiert sie einen Vertrauensbruch mit den eigenen Angestellten. Sagt sie Nein,
bricht sie ihr Wahlversprechen.
SP kritisiert
Abstinenz
Für ihre politischen Gegner ist das ein
gefundenes Fressen. Der SP-Präsident Adil Koller sagt: «Ich erwarte von Monica
Gschwind, dass sie sich klar
gegen das Bildungs-Chaos engagiert, das mit den beiden
Initiativen droht.» Der SP-Landrat Christoph Hänggi findet, ein
Regierungsmitglied könne bei einer so brisanten Frage nicht seine persönliche
Meinung vertreten, sondern müsse das Wohl des Kantons im Auge behalten.
Gschwind erwidert: Der Regierungsrat
habe den Auftrag, dass die Stimmbevölkerung bei Abstimmungen «neutrale
Informationen erhält und sich ein eigenes Bild machen kann».
Koller geht noch weiter. Er sagt,
Gschwind trage «eine Mitschuld an der Unruhe, die es im Bildungsbereich
teilweise gibt». Denn sie habe «den Widerstand gegen den Lehrplan selbst
befeuert, indem sie im Wahlkampf pausenlos gegen das Reformprojekt wetterte».
Die Parolen, die Gschwind vor ihrer
Wahl rief, wird sie nicht mehr los. Sie verfolgen sie mindestens bis zum 5.
Juni. Und wohl noch darüber hinaus.
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